Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich eine Vorbemerkung machen. Herr Kollege Gehrcke, wenn Sie hier den Eindruck erwecken wollen, dass der deutsche Außenminister mit seinen Verhandlungen versucht haben sollte, Faschisten hoffähig zu machen,
(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Das habe ich nicht behauptet!)
dann will ich Ihnen hier in aller Deutlichkeit sagen: Meine Partei kämpft seit 150 Jahren in Deutschland und international gegen die Faschisten. Wir werden uns diese Unterstellung von Ihnen nicht gefallen lassen. Das möchte ich Ihnen hier garantieren.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist in den letzten Monaten ja viel über die Grundsätze deutscher Außenpolitik gesprochen worden, nicht immer sehr trennscharf. Dabei liegt uns allen im Grundgesetz eigentlich eine sehr gute Definition vor. In der Präambel heißt es, dass wir als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen sollen. Ich denke, dass dies eine gute Beschreibung ist. Deswegen, meine Damen und Herren, ist deutsche Außenpolitik auch immer Friedenspolitik.
Aber dieser Frieden ist gefährdet in Syrien, im Irak, aber auch durch die Konflikte zwischen Israel und der Hamas. Ich glaube, wir alle stimmen doch darin überein: Vor wenigen Monaten hätte sich noch niemand vorstellen können, dass wir in der Ukraine eine Krise mit inzwischen mehreren Tausend Toten haben.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Stimmt!)
ISIS, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur eine Bedrohung für die Menschen in der betroffenen Region. Der umfassende Machtanspruch ist auch eine Herausforderung für unsere freiheitlichen Gesellschaften.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen bin ich dankbar dafür, dass auch darauf hingewiesen worden ist: Ohne dass wir uns auf die Beendigung des täglichen Sterbens der Menschen in Syrien konzentrieren, werden wir dieses Problem nicht angehen können. Dafür brauchen wir in der Tat die Vereinten Nationen, und ich hoffe, dass bei den Plänen, die der amerikanische Präsident jetzt vorgestellt hat, dieser politische Aspekt in Zukunft vielleicht auch noch eine stärkere Rolle spielen wird.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, 3 Millionen Syrerinnen und Syrer sind inzwischen in die Nachbarländer geflohen. Die Anzahl der Binnenflüchtlinge beträgt über 6 Millionen. Im Irak hat ISIS diese humanitäre Katastrophe noch einmal zugespitzt; dort sind inzwischen 1,6 Millionen Menschen zu Flüchtlingen geworden.
Ich bin überzeugt davon, dass die tiefen Gräben in der irakischen Gesellschaft ‑ auch verstärkt durch die Politik des ehemaligen Ministerpräsidenten al-Maliki ‑ nur überwunden werden können, wenn diejenigen, die jetzt dafür sorgen wollen, dass alle an der politischen Macht beteiligt werden, auch international unterstützt werden. Die Entscheidung des irakischen Präsidenten ist dort sicherlich ein erster wichtiger Schritt; das ist auch von der deutschen Politik deutlich gemacht worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Russland hat in den zurückliegenden 20 Jahren schreckliche Erfahrungen mit islamistischem Terror gemacht. Doch statt unsere gemeinsamen Ressourcen auf die Bekämpfung dieses Problems zu konzentrieren, hat die russische Führung die Souveränität der Ukraine in eklatanter Weise verletzt und hat dazu beigetragen, in Europa eine neue politische Eiszeit auszulösen. Dieser Konflikt hat ‑ ich glaube, wir alle kennen das aus den Gesprächen in unseren Wahlkreisen ‑ auch bei uns Ängste vor einer Rückkehr des Krieges in Europa ausgelöst. Deswegen ist der vor wenigen Tagen vereinbarte Waffenstillstand ein wichtiger Erfolg und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen die Akteure auf der einen Seite politisch unter Druck setzten, sie aber auch dabei unterstützen, jetzt alle Fragen Stück für Stück auf den Verhandlungstisch zu packen und die Interessengegensätze, die es dort gibt, offen anzusprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, diese Debatte ist auch der Ort - ich bin Herrn Schmidt dafür dankbar, dass er darauf hingewiesen hat -, auf die Konflikte zu sprechen zu kommen, die es eben nicht jeden Tag in die Abendnachrichten schaffen. Ich denke dabei an Libyen, ich denke an Mali, an die Zentralafrikanische Republik, aber auch an den Südsudan. Gerade im Südsudan ist die humanitäre Lage katastrophal. Seit dem Dezember 2013 hat sich die Lage erheblich verschärft. Inzwischen beklagen wir über 10 000 Todesopfer, darunter viele Zivilisten; 1,3 Millionen Menschen sind auf der Flucht; hinzu kommen noch knapp eine halbe Million Flüchtlinge aus den Nachbarländern; über 3 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Vereinten Nationen gehen von einem Bedarf von 1,8 Milliarden US-Dollar aus.
Meine Kolleginnen und Kollegen, ich denke deswegen: Natürlich ist die Konsolidierung des Haushaltes - es ist ja in dieser Debatte häufig und auch zu Recht darauf hingewiesen worden, wie wichtig die schwarze Null ist - ein legitimes, ein wichtiges politisches Ziel. Wir dürfen aber auch das millionenfache Leid der Menschen in den Konflikten, die ich benannt habe, und anderswo nicht vergessen.
(Beifall der Abg. Dr. Rolf Mützenich (SPD) und Dr. Nina Scheer (SPD))
Deswegen müssen wir uns in den kommenden Tagen auch mit der Frage auseinandersetzen, wie wir die neuen Erwartungen an die deutsche Außenpolitik und die Herausforderungen auch finanziell unterlegen.
(Beifall bei der SPD)
Ich denke dabei im Wesentlichen an drei Punkte:
Erstens. Die Anforderungen an die deutsche Außenpolitik sind in der Tat dramatisch gestiegen, und wir müssen das durch einen angemessenen Mittelaufwuchs auch abbilden. Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Es geht aus meiner Sicht unter anderem auch darum, auf die veränderten Gefährdungslagen einzugehen. Wir müssen zum Beispiel auch unsere deutschen Auslandsvertretungen angemessen ausstatten und schützen.
Zweitens. Wir müssen und werden auch mehr humanitäre Hilfe leisten. Ich will einmal darauf hinweisen, dass wir im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen im Irak und in Syrien und der Debatte über ISIS ja auch darüber gesprochen haben, dass staatliche Strukturen infrage gestellt werden, dass sie zusammengebrochen sind, dass wir es in vielen Bereichen der Welt mit Konflikten zu tun haben, in denen es verlässliche Strukturen, die uns überhaupt in die Lage versetzen, Krisen zu managen, nicht mehr gibt,. Deswegen müssen wir dort, wo zum Beispiel das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen quasi staatliche Aufgaben übernommen hat, unsere Hilfe auch weiter ausbauen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Drittens. Zivile Konfliktvermeidung und Konfliktverhütung - dazu gehören auch Instrumente wie die Auswärtige Kulturpolitik - müssen weiter das Zentrum der deutschen Außenpolitik bilden, ich denke auch, damit wir den Auftrag des Grundgesetzes erfüllen können, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Gehrcke das Wort.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
…..
Niels Annen (SPD):
Herr Kollege Gehrcke, zunächst darf ich Sie darauf hinweisen, dass ich selber entscheide, was ich am Podium sage.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Auch mit Ihrem Redebeitrag gerade eben haben Sie wieder eine Verknüpfung hergestellt, von der ich nur annehmen kann, dass sie bei denjenigen, die uns hier zuhören, eine bestimmte Assoziation auslösen soll, und das muss ich einfach zurückweisen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Fraktion hat sich in vielen Debatten in diesem Haus immer dafür ausgesprochen, mit allen sprachfähig zu sein. Wir alle erinnern uns vielleicht an die dramatische Situation, in der der deutsche, der polnische und der französische Außenminister in einer dramatischen diplomatischen Initiative versucht haben, das, was jetzt eskaliert ist, in letzter Minute noch zu verhindern. Es ist doch nicht der deutsche Außenminister, der darüber entscheidet, wer welche Delegation zu Verhandlungen entsendet, mit der man sich auf einen Waffenstillstand und auf eine politische Lösung zu verständigen versucht.
Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie diese Form der Aneinanderreihung von Argumenten in Zukunft, wenn das, was Sie gesagt haben, wirklich Ihrer Intention entspricht, einfach unterlassen würden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Niemand hat vor, diese Form der Politik und der rechtsradikalen Äußerungen, die es in der ukrainischen Regierung und in der ukrainischen Politik natürlich gibt und die wir alle hier zurückgewiesen haben, zu legitimieren. Insofern finde ich nach wie vor ‑ wir können das ja im Protokoll nachlesen ‑, dass Ihre Bemerkung dazu unangemessen war.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)