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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister,

ich danke Ihnen für Ihre freundlichen und anerkennenden Worte. Das tut einem ganz gut, denke ich. Herzlichen Dank!

Ich danke aber auch meinerseits, zum einen für den Bericht, der wie immer ein umfangreiches Kompendium ist. Das kann man gar nicht alles auf einmal konsumieren. Das verlangt auch keiner von uns. Aber ich glaube, damit haben wir immer eine Quelle der Information. Deshalb auch dafür herzlichen Dank!

Zum anderen danke ich ganz besonders für die gute Zusammenarbeit im Unterausschuss. Ich glaube, wir haben eine gute Zeit miteinander gehabt in all den Jahren, die ich in diesem Unterausschuss sein durfte. Auch die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt war immer ausgesprochen positiv. Das muss ich ganz deutlich sagen, auch wenn ich jetzt vielleicht gelegentlich etwas Kritik anführe.

Beifall bei Abgeordneten der FDP

Wir unterstützen die Position der Bundesregierung nicht immer, aber doch immer wieder. Es ist auch nicht nur eine positive Bilanz, Herr Minister; in der Frage der Beurteilung des NATO-Gipfels bin ich ganz anderer Meinung.
Für mich und für die SPD war das Ergebnis des NATO-Gipfels eine große Enttäuschung. Aus unserer Sicht ist die Rolle der Nuklearwaffen nicht wirklich minimiert worden; denn der bisherige Mix von konventionellen und nuklearen Waffen hat Bestand, solange es Nuklearwaffen gibt. Ich denke, das ist zu kurz gesprungen.

Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Der NATO-Abrüstungsausschuss ist ein Fortschritt. Das sehe ich auch so. Aber er ist gerade einmal etabliert, und was er macht und welche Ergebnisse er möglicherweise bringt, wissen wir noch nicht.

Christoph Schnurr [FDP]: Etabliert dank dieser Bundesregierung!

– Vorher gab es auch schon Anläufe. Ich erinnere mich ganz gut. Da waren Sie noch nicht im Parlament.

Der Transparenzdialog mit Russland in Bezug auf die taktischen Nuklearwaffen hat noch nicht begonnen. Er ist angekündigt, aber ich denke, es ist höchste Zeit, dass er in Angriff genommen wird. Denn was wir wirklich anstreben, ist das, was diese Regierung versprochen hat, nämlich die taktischen Nuklearwaffen von deutschem Boden zu entfernen. Das zu erreichen, haben wir bisher keinerlei Aussicht. Stattdessen steht uns die Modernisierung der B61 ins Haus. Der Antwort auf unsere Große Anfrage entnehmen wir: Das ist eine nationale Angelegenheit der USA. – Nein, liebe Freunde, das ist es nicht. Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die auch uns sehr berührt.

Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Herr Minister Westerwelle, Sie haben, als Obama wiedergewählt wurde, gesagt, nun müsse es neue Impulse geben und ein energischer weiterer Schritt gemacht werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber ich sehe keine energischen Schritte, erst recht nicht in der Frage der Modernisierung der Bomben, die auch in Büchel liegen. Mutig wäre es in der Tat, wenn wir sagen würden: Nein, wir modernisieren den Tornado nicht, der als Trägersystem notwendig ist. Dann kann man die modernisierte B61 auch nicht dranhängen. – Stattdessen haben Sie in Chicago unterschrieben – mit Brief und Siegel –,dass wir die Trägersysteme adäquat in Betrieb halten, sodass auch modernisierte B61 in Betrieb genommen werden können. Ich halte das für falsch und hoffe, dass wir darüber noch intensiv diskutieren werden.

Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die NATO will durch Transparenzmaßnahmen bei den taktischen Nuklearwaffen mit Russland Fortschritte bei der Abrüstung von substrategischen Nuklearwaffen erreichen. Wie lange dauert das aber, wenn der Dialog noch nicht einmal begonnen hat? Die in Europa stationierten substrategischen Nuklearwaffen taugen nicht als Verhandlungsgegenstand, wie immer behauptet wird. Russland fordert – ich denke, das ist eine Forderung, die man ernst nehmen darf –, dass diese Waffen jeweils auf das eigene Territorium zurückgezogen werden, dass also die in Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen in die USA zurückgebracht werden und dass man erst dann über weitere Schritte redet. Wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob das nicht eine gute Idee ist; denn diese Waffen sind zu nichts nutze. Sie liegen da und kosten Geld. Das können wir uns in der Tat sparen.

Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auch der Herr Minister hat deutlich davon gesprochen, dass wir gemeinsame Sicherheit, kooperative Sicherheit brauchen. Das ist in der Tat wahr. Das ist insbesondere für die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der Rüstungskontrolle in Europa notwendig. Deshalb frage ich nicht nur mich, sondern uns alle: Was ist denn mit dem Medwedew-Vorschlag passiert? Was ist mit dem Korfu-Prozess passiert? Was ist mit den Beschlüssen in Astana passiert? Der Korfu-Prozess, der eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa definieren sollte – und zwar eine gemeinsame –, ruht. Mit ihm befassen sich momentan nur Wissenschaftler. Aber dieser Prozess sollte in die Politik überführt werden. Wir sollten genau darüber mit Russland reden, weil wir sonst einfach nicht vorankommen, auch in den Abrüstungsprozessen nicht.

Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wir brauchen – das bestätigen Wissenschaftler immer wieder – mehr Vertrauen zwischen Russland und den westlichen Partnern, den USA und der NATO. Es gibt ein tiefes Misstrauen auf beiden Seiten. Nukleare Abrüstung wird ohne Erneuerung der konventionellen Rüstungskontrolle überhaupt nicht möglich sein. Der KSE-Vertrag ist zurzeit mausetot. Das heißt, er muss dringend wiederbelebt werden. Durch das Scheitern des KSE-Vertrags gibt es keine Inspektionen, keine Transparenz und keine Vertrauensbildung. Das, was die Bundesregierung auf den Weg bringen will – das Ziel der verifizierten Transparenz –, muss noch Formen annehmen, die greifbar und umsetzbar sind.

Der A-KSE-Vertrag wurde von den NATO-Staaten nicht ratifiziert. Ich habe das für einen Fehler gehalten. Die Nichteinhaltung der Istanbul-Verpflichtungen – das betrifft die Stationierung von Truppen der Russen in Georgien zum Beispiel und die Munitionsbestände, die in Moldawien und Transnistrien lagerten – war ein Grund dafür. Die Nichtratifizierung war aber ein Fehler, weil das eigentlich nicht zusammenpasst. Wenn wir an der Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich festhalten wollen, dann müssen wir neue Ansätze finden. A-KSE wird nicht neu aufgelegt werden können, sondern es wird einen neuen Anlauf geben müssen.

Es hat mich sehr gefreut, dass wir im Unterausschuss ein Gespräch mit Herrn Schmidt von der HSFK hatten, der ein Spezialist für den KSE-Vertrag ist. Er sagte, die Initiativen, die die Bundesregierung unternommen habe – diese waren nicht der Presse zugänglich und lagen auch nicht offen auf dem Tisch –, seien positiv und daher sehr zu loben. Insofern habe ich auch keine Schwierigkeiten damit, an dieser Stelle die Bundesregierung zu loben und zu ermutigen, in diese Richtung weiterzugehen.

Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

– Da können ruhig alle klatschen.

Es gibt aber eine Bedingung, deren Einhaltung ich für dringend notwendig halte, weil die Fortschritte, die wir uns wünschen, nicht erreicht werden können, wenn wir nicht bei der Raketenabwehr neue Gedanken entwickeln. Es gibt eine sicherheitspolitische Veränderung beim Design konventioneller Waffen in Europa und in den USA. „Prompt Global Strike“ und „Long-Range Strike“ sind Dinge, die die Russen total irritieren und die eine andere sicherheitspolitische Situation geschaffen haben. Ich denke, die Raketenabwehr ist ein wichtiger Punkt. Also müssen wir an diesen drei Stellen neue Ansätze finden. Eine kooperative Lösung zwischen der NATO und Russland ist deshalb dringlich. Dringender Handlungsbedarf wird auch von der Wissenschaft gesehen. Das haben wir in dieser Woche im Unterausschuss gehört. Ich glaube, wir sollten in unserem eigenen Interesse dieses Thema nicht so aus dem Blick verlieren, wie dies vielleicht in den letzten Monaten und Jahren geschehen ist.

Die neuen östlichen NATO-Staaten haben historisch bedingt tiefes Misstrauen gegen Russland und wünschen Sicherheit durch Stationierung westlicher oder US-Truppen. Was passiert dann aber auf russischer Seite? Löst das dann nicht ein neues Wettrüsten aus? Dies ist nicht in unserem Interesse. Deshalb werden wir uns bemühen müssen, alles zu tun, um wieder Vertrauen und Transparenz zu schaffen, aber auch um Strukturen abzubauen, die dem Interesse entgegenstehen, gemeinsame Sicherheit zu organisieren.

Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Ich nenne noch ein paar Stichworte dazu. Das Wiener Dokument – so wurde es in Astana auf dem OSZE-Gipfel verabredet – sollte erweitert und verbessert werden. Es ist nicht viel passiert. Ich halte das aber für wichtig, weil das eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme ist. Als Letztes möchte ich noch den Vertrag über den Offenen Himmel erwähnen. Dieser macht uns allen Sorgen; denn er droht kaputtzugehen. Dieser Vertrag ist aber eine der wichtigen Maßnahmen. Es mag sein, dass wir den Streit zwischen der Türkei und Griechenland, der die Tagesordnung immerfort behindert, noch bereinigen können. Wir können aber nichts daran ändern, dass die Flugzeuge, die die Trägersysteme für die optischen Einrichtungen darstellen, das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Deshalb muss eine Lösung gefunden werden.

Der Unterausschuss hat sich dafür ausgesprochen, ein neues System zu kaufen. Herr Minister, dabei sind wir uns alle einig gewesen; denn gerade durch diese gemeinsamen Inspektionen und durch den Informationsaustausch ist großes Vertrauen geschaffen worden, das wir nicht erodieren lassen dürfen. Dafür haben wir uns ausgesprochen. Vielleicht gelingt es, auch noch einen Antrag in der Richtung zu formulieren.

Herzlichen Dank.

Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN