Mit Dirk Niebel ist das Amt des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit jemandem besetzt dessen Partei sich im Wahlkampf für eine Abschaffung eben dieses Ministeriums eingesetzt hatte. Eine Erhöhung der ODA-Quote wird somit ungewiss.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aller guten Dinge sind drei. Das ist jetzt meine dritte Legislaturperiode; ich bin seit 2002 dabei und war immer im entwicklungspolitischen Ausschuss. Seitdem habe ich schon an vielen Debatten zu diesem Thema teilgenommen. Heute ist aber schon eine etwas skurrile Situation; denn normalerweise hätte ich jetzt gar nicht zu einem Entwicklungsminister sprechen können, sondern es hätten hier nur Herr Westerwelle und der Verteidigungsminister gesessen. Hinten hätten noch nicht einmal Mitarbeiter des Entwicklungsministeriums Platz genommen, sondern vielleicht ein Abteilungsleiter des Auswärtigen Amts, der ein bisschen Zuständigkeit für Entwicklungsarbeit gehabt hätte. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die Partei, die in den Koalitionsverhandlungen das Ministerium abschaffen wollte, nun den Entwicklungsminister stellt. Das ist ein schlechter Witz, und das werden wir in der Öffentlichkeit deutlich machen.
(Beifall bei der SPD)
Was die personelle Besetzung betrifft, Herr Niebel, bei allem Respekt: Es gibt auch andere Minister, die in ein Amt kommen – Sie selbst sagten es –, Anfänger sind und sich dann bewähren. Aber ich hatte vorhin in der Zwischenfrage schon gesagt, dass jemand, der die letzten Monate damit verbracht hat, Stammtische zu bedienen
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
und zum Beispiel Lehrer, die wir in Deutschland brauchen, gegen Lehrer, die in Afrika genauso dringend gebraucht werden, auszuspielen, und der immer wieder sagt, dass Steuergelder verschwendet werden, wenn man Geld nach Afrika gibt, sich aber heute als Minister als Anwalt der Ärmsten der Armen darstellt, unglaubwürdig ist. Das zeigt, wie wenig Ihnen in Wirklichkeit diese Arbeit wert ist. Aber den Dienstwagen und den Posten wollten Sie natürlich haben. Deshalb sind Sie Minister geworden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich sehe gerade den Kollegen Außenminister lächeln. Ich erinnere mich, dass ich in den wenigen Jahren, die ich diesem Hohen Hause angehöre, an Generaldebatten über den Haushalt teilgenommen habe, in die Herr Westerwelle als Fraktionsvorsitzender der FDP eingestiegen ist und in denen er als allererstes zum Haushalt, wohlgemerkt, gesagt hat, der Haushalt sei ganz schlimm, weil Millionen an China und Indien verschwendet würden.
(Zuruf von der FDP: Das hat kein Mensch gesagt!)
Immer wieder kam das Argument, es würden Steuergelder an Länder verschwendet, die es aber in Wirklichkeit bitter nötig hatten. Man hat so getan, als würden wir der Regierung Mittel geben, die diese unsinnig verwendet. Es wurde aber gar nicht hingeschaut, dass es darum ging, Klimaschutz, Umweltschutz und Energieeffizienz zu verbessern. Wenn wir jetzt, kurz vor dem Gipfel in Kopenhagen, nicht verstehen, dass wir auch darauf achten müssen, dass wir in Ländern, die über 2 Milliarden Einwohner haben, Anreize für Energieeffizienz und dafür schaffen, dass dort mit Rohstoffen sparsam gehaushaltet wird, dann können wir den Schutz des Weltklimas ganz abschreiben.
Deswegen sage ich: Schluss mit dem Populismus! Lassen Sie uns sowohl die Klimaprobleme als auch die Probleme der Entwicklungszusammenarbeit endlich einmal ernst nehmen. Dann können wir vielleicht irgendwann zusammenkommen, Herr Entwicklungsminister.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Koalitionsvertrag – ich will ihn an einer Stelle fair bewerten – hat einen entwicklungspolitischen Abschnitt, der zum Teil sehr stark die Handschrift unseres ehemaligen Koalitionspartners, der Union, trägt. Dieser Abschnitt enthält durchaus Sätze, die wir, die SPD, und unsere Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul mitgetragen haben; allerdings steht im Abschnitt zur Außenwirtschaftspolitik zum Teil das genaue Gegenteil davon. Da ist es einfach unglaubwürdig, zu sagen, man wolle Entwicklungsländern wirtschaftlich Hilfe zur Selbsthilfe leisten; schließlich sorgt man gleichzeitig dafür, dass alle Schutzzölle eingerissen werden, wodurch die Märkte mit Agrarprodukten aus Europa und aus den USA überschwemmt werden, ohne dass sich die Kleinbauern, die jetzt schon größte Schwierigkeiten haben, ihre Produkte zu verkaufen, dagegen schützen können.
Auf diesen Tagesordnungspunkt folgt die Landwirtschaftsdebatte; Frau Ministerin Aigner ist schon da. Frau Aigner, Sie haben in Europa nicht verhindert, dass zum Beispiel für Milchpulver aus Europa Exportsubventionen gezahlt werden. Ihre Politik ist nicht kohärent. Mit Ihrer Handelspolitik reißen Sie das wieder ein, was wir in vielen Jahren mühsam aufgebaut haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte ferner ansprechen, dass wir, das deutsche Parlament, den Menschen auf der Welt versprochen haben, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit bis 2010 auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens zusteigern; bis 2015 sollen sie auf 0,7 Prozent gesteigert werden.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das hättet ihr doch mit Rot-Grün schon machen können! Da habt ihr runtergefahren!)
Das ist in Europa gemeinsam vereinbart worden, und die Kanzlerin hat zu diesem Ziel immer wieder gestanden. Wir werden beim Haushalt 2010 genau hinschauen, ob das seinen Niederschlag findet. Ich frage mich, wie Sie, die FDP, das erreichen wollen, wenn Sie ankündigen, von den CO2-Emissionserlösen solle nichts dafür verwendet werden.
Dieses Versprechen haben Sie nicht nur 80 Millionen Deutschen gegeben – viel mehr Deutsche, als Sie denken, sind in kirchlichen Einrichtungen organisiert; sie arbeiten ehrenamtlich in Eine-Welt-Läden; sie engagieren sich in kleinen Hilfsorganisationen oder an Schulen für arme Menschen –, sondern auch 3 Milliarden Menschen, die von weniger als 2 Dollar pro Tag leben, und 1 Milliarde Menschen, die jeden Tag vom Hungertod bedroht ist. Wenn Sie das Versprechen nicht einhalten, in den Haushalt für das nächste Jahr 0,51 Prozent Mittel für Entwicklungszusammenarbeit einzustellen, dann ist das angesichts der Anzahl der Menschen, denen Sie es gegeben haben, die größte Wahllüge, die es in der Geschichte dieser Republik je gegeben hat.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was haben Sie vereinbart? Sie haben nichts gemacht unter Rot-Grün!)
Wir werden genau hinschauen. In diesem Sinne werden wir Ihnen eine feurig-kritische Opposition sein. Ich glaube, das haben Sie auch nötig.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)