Gestern fand eine Zeugenvernehmung im 1. Untersuchungsauschuss Gorleben statt. Deutlich hat sich gezeigt, dass nach Vernehmung der Experten Gorleben als Endlager nicht geeignet ist, erklärt Ute Vogt.
Erneut hat sich im Gorleben-Untersuchungsausschuss gezeigt, dass Gorleben als Endlager aus wissenschaftlicher Sicht nicht geeignet ist. Dies war vielen Wissenschaftlern auch schon bei der Entscheidung im Jahre 1983 klar, doch politische Einflussnahme auf Experten durch die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Bedenken unterdrückt. Dies hat die Vernehmung des Zeugen Heinz Nickel bestätigt.
Gleich zu Beginn seiner Vernehmung stellte der Zeuge dem Salzstock Gorleben ein miserables Zeugnis aus: "Gipshut, Laugenzufluss, Gase und die sogenannte Gorlebener Rinne - dieser Salzstock ist aus wissenschaftlicher Sicht für ein Endlager nicht geeignet". Der international anerkannte Diplom Physiker Heinz Nickel referierte klar und überzeugend. Von Charakterstärke zeugt auch die Geschichte des heute 80jährigen Physikers Nickel:
Anhand der beruflichen Stationen von Heinz Nickel lässt sich sehr eindrucksvoll die "Augen-zu-und-durch-Methode" bei der Auswahl des Standortes Gorleben erklären: Als engagierter Wissenschaftler begann er seine Karriere bei der Bundesanstalt für Geowischenschaften und Rohstoffe (BGR). Dort entwickelte Nickel eine spezielle Bohr- und Messtechnik, die noch heute international angewendet wird. Anfang der 1980er Jahre wurde Nickel dann ins Bonner Wirtschaftsministerium abgeordnet. Dort wurden seine kritischen Studien nicht sehr gerne gelesen. "So würde ich das an Deiner Stelle nicht schreiben", wurde ihm von Kollegen bedeutet. Doch Nickel ließ sich nicht beirren und sah sich nur den Gesetzmäßigkeiten der Physik und Geologie verpflichtet. Das hatte fatale Folgen: Seine Expertisen und Vermerke wurden zensiert und manipuliert und nach wenigen Monaten wurde Heinz Nickel wieder zur BGR nach Salzgitter "zurückgeschickt".
Zum ersten Mal während der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss wurde die zu untersuchende "politische Einflussnahme" durch einen Zeugen regelrecht "personifiziert": Denn zu Zeiten der Schmidt-Regierung finden sich noch erhebliche Zweifel am Standort Gorleben in den Akten-Vermerken. Nach dem Wechsel zur schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl schwinden jedoch diese wissenschaftlichen Bedenken am Salzstock Gorleben. Schlimmer noch: anerkannte Wissenschaftler werden zensiert und auf das berufliche Abstellgleis geschoben. So kam es, dass ein international anerkannter Fachmann wie Heinz Nickel als Oberamtsrat in Rente geht - Karriere machten die "Ja-Sager".
Der Rest ist bekannt: Helmut Kohl verfügte in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983: "Die (nukleare) Entsorgung muss und wird zügig verwirklicht werden". So kam es dann auch: Genau eine Woche später, am 11. Mai 1983, wurde der entscheidende Bericht der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) zur Eignung Gorlebens auf Weisung von Bonner Regierungsbeamten geändert. Plötzlich war Gorleben "eignungshöffig" und durfte erkundet werden. Der Zeuge Professor Röthemeyer während seiner Zeugenvernehmung im Ausschuss: "Das war eine Weisung, keine Bitte". Politischer Druck entschied über den Standort Gorleben, nicht wissenschaftliche Eignung. Die angestellten Wissenschaftler von Nachgelagerten Behörden mussten auf Druck ihrer Vorgesetzten aus Bonn ihre Expertisen ändern - oder ihr Schicksal mit dem Physiker Heinz Nickel teilen. Das war der Weg zum Standort Gorleben. Ohne öffentliche Beteiligung und ohne Alternativen. Diese Politik der Zensur und Weisungen durch die Kohl-Regierung war der Grundstein für 30 Jahre Widerstand und Misstrauen im Wendland.