Sächsische Zeitung: Die Bundesregierung hat dem obersten Geheimdienstler der USA in Berlin quasi ausgewiesen. Warum war erst jetzt das Maß voll?
Thomas Oppermann: Es ist ein unwürdiges Schauspiel, dass wir jetzt im Wochenrhythmus die Enttarnung amerikanischer Spione erleben. Spionage unter Freunden gehört sich nicht.
War die Reaktion in ihren Augen angemessen?
Die Reaktion der Bundesregierung war genau richtig. Sie ist eine klare Botschaft an die Amerikaner: Wir akzeptieren keine Spionage in Deutschland. Spionage ist eine Straftat, die von uns unnachgiebig verfolgt wird. Deswegen sagen wir den Amerikanern auch ganz klar: Macht reinen Tisch, beendet diese Spionageaktivitäten, sonst verändert sich die Grundlage der deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Und wenn weitere Spione enttarnt werden?
Wir haben keine Anhaltspunkte oder Hinweise auf weitere Spione. Aber nach den neusten Erfahrungen will ich nichts mehr ausschließen. Umso wichtiger wäre es, wenn die Amerikaner von sich aus, klare Verhältnisse schaffen würden.
Viele bewerten die Ausweisung des Geheimdienstlers durch die Bundesregierung als Symbolpolitik. Hat die Regierung überhaupt die Möglichkeiten härter durchzugreifen?
Niemand hat ein Interesse daran, dass der Konflikt weiter eskaliert. Die Amerikaner sollten aber nicht die falsche Vorstellung haben, die Angelegenheit einfach aussitzen zu können. Das ist mit einer fairen Partnerschaft unvereinbar.
Warum schweigen die USA so beharrlich zu den Vorfällen?
Es ist doch peinlich, erklären zu müssen, warum man im Land der Freunde drittklassige Spione angeheuert hat.
Steckt dahinter ein geschwächter Präsident Barack Obama?
Auf jeden Fall gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sich bestimmte Aktivitäten amerikanischer Geheimdienste verselbstständigt haben. Das Weiße Haus scheint nicht über alle Dinge informiert ist, die dort passieren. Das macht das Ganze nicht besser.
Wolfgang Schäuble hat das Vorgehen der Amerikaner als „dumm“ bezeichnet. Sind andere Geheimdienste, wie etwa der der Briten, Chinesen oder Russen, einfach nur schlauer?
Ich weiß nicht, ob die anderen schlauer sind, aber was die US-Dienst gemacht haben, war in der Tat dumm und völlig überflüssig. Die Informationen, die sie von den angeworbenen Mitarbeitern bekommen konnten, hätten sie sicherlich auch auf politische Anfrage ganz legal bekommen können.
Wie brisant waren die Akten, die der BND-Mitarbeiter an die USA verkauft haben soll?
Selbst wenn brisante Unterlagen des BND in amerikanische Hände geraten, führt das nicht dazu, dass die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Schließlich sind wir mit den Amerikanern in der Nato verbündet. Viel gefährlicher ist der dadurch entstandene Vertrauensbruch. Wenn sich Deutschland und die USA misstrauen, führt das dazu, dass die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen leidet. Und das kann sich keiner wünschen.
Ist Abhörung der Preis, den wir für unsere Sicherheit zahlen müssen?
Wir haben wichtige Hinweise von amerikanischen Diensten bekommen, die uns geholfen haben, Anschläge abzuwehren und unsere Freiheit zu schützen. Aber Freiheit und Sicherheit müssen immer ausbalanciert sein. Schon Franklin hat festgestellt: Wer die Freiheit zugunsten von Sicherheit aufgibt, verliert am Ende beides.
Die EU verhandelt gerade mit den USA über das Freihandelsabkommen. Inwieweit wirken sich die jüngsten Ereignisse auf die Verhandlungen aus.
Die geben natürlich nicht gerade Rückenwind. Vor allem darf man bei den Verhandlungen nicht vergessen, dass nicht nur die Geheimdienste, sondern auch Firmen wie Google oder Facebook unsere Freiheit bedrohen können. Deshalb müssen wir solche Unternehmen stärker regulieren.
Wie stark hat das eine Jahr NSA-Affäre die Beziehung zur USA geschädigt?
Für eine 65-jährige Freundschaft ist ein Jahr der Belastungen noch keine lange Zeit. Aber angesichts der Gefahren, die unserem Land aus den verschiedenen internationalen Konflikten drohen, wäre es besser, wir würden schnell wieder zu einer ehrlichen Partnerschaft zurückkehren.