„Wir befinden uns mitten in einer der schwersten und risikoreichsten Krisen, die es in Europa in den letzten Jahrzehnten gegeben hat“, erklärte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges habe ein Staat in Europa seine eigenen Grenzen völkerrechtswidrig neu definiert und einen Teil eines anderen Staates annektiert. Nun sei alles dafür zu tun, „dass wir nicht in die Denkstrukturen und Handlungsmuster des Kalten Krieges zurückfallen“, forderte Oppermann. Der Ukraine-Konflikt dürfe nicht weiter eskalieren. Dazu lobte Oppermann das Handeln von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Außenminister Steinmeier (SPD) ausdrücklich.

Oppermann warnt vor „Putin-Doktrin“

Oppermann warnte vor einem automatischen Interventionsrechts Russlands, das aus der Aussage Putins vom 18. März abgeleitet werden könnte. Der russische Präsident hatte in seiner Rede die Russen als „das größte geteilte Volk der Welt“ bezeichnet und dabei wohl die russischen Minderheiten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion angesprochen. Wenn sich dahinter eine „Putin-Doktrin“ verberge, nach der „Russland überall dort ist, wo Russen leben“, dann verheiße das nichts Gutes, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Gleichzeitig versuche Putin das Krim-Referendum und die Annexion an Russland zu rechtfertigen.

Krim-Referendum verstößt gegen ukrainische Verfassung

Die internationale Staatengemeinschaft hat die faktische Besetzung der Krim, das übereilte Referendum und die Annexion als verfassungswidrig bezeichnet. Das Handeln Russlands ist völkerrechtswidrig und politisch brandgefährlich. Es sei richtig, dass die Bundesregierung das Ergebnis des Referendums und die Annexion der Krim nicht anerkenne, bekräftigte Oppermann. Das Referendum verstößt gegen die ukrainische Verfassung, das Budapester Memorandum von 1994 und gegegn einen bilateralen Vertrag zwischen Russland und der Ukraine von 1997. Im Budapester Memorandum gab Russland der Ukraine Sicherheitszusagen gegen die Rückgabe von auf ukrainischem Boden stationierten Atomwaffen der früheren Sowjetunion.

Thomas Oppermann sagte, es bereits große Sorge als Begründung für Russlands  Vorgehen, den Willen der auf der Krim lebenden russischen Bevölkerung zu benennen und sich als Schutzmacht zu gerieren. „Wladimir Putin, spätestens aber seine Nachfolger, werden mit den Geistern, die er rief fertig werden müssen“, sagte Oppermann.

Weitere Destabilisierung im Osten und Süden der Ukraine verhindern

Die gegen Russland verhängten Sanktionen bezeichnete der SPD-Fraktionschef als angemessen, weil darunter die Zivilbevölkerung nicht leiden müsse und die Sanktionen sich gezielt gegen einzelne politische Entscheider und Oligarchen richteten. Doch sollte Russland nicht einlenken, seien weitere Maßnahmen notwendig, auch wenn diese eine Gefahr für die eigene Wirtschaft bedeuteten. Thomas Oppermann dankte dem BDI-Präsidenten Grillo, der klargemacht hatte, dass das Völkerrecht über allem steht und Wirtschaftssanktionen eine Frage der Politik sind. Sanktionen dürften aber diplomatischen Lösungen nicht im Wege stehen. „Für eine politische Bearbeitung des Konfliktes unter Einbeziehung Russlands darf es nie zu spät sein“, stellte Oppermann klar.

Ziel sei es, jetzt eine Destabilisierung der Ost- und Südukraine zu verhindern, so Oppermann. Deshalb soll eine OSZE-Beobachtermission, die Außenminister Steinmeier fordert, in der Ukraine tätig werden.

Klare Erwartungen gegenüber ukrainischer Regierung

Thomas Oppermann benannte auch Erwartungen gegenüber der ukrainischen Regierung: Sie muss die Rechte der nationalen Minderheiten achten und schützen, die militanten Gruppen entwaffnen und das staatliche Gewaltmonopol durchsetzen, die Arbeit an einer neuen Verfassung vorantreiben und die Verbrechen auf dem Maidan lückenlos aufklären. Der SPD-Fraktionschef forderte: „Antisemitismus und Rechtsextremismus dürfen in der neuen ukrainischen Ordnung keinen Platz haben.“

Als Voraussetzung für die angekündigten finanziellen Hilfen von EU und IWF gelte, dass das Geld für den Aufbau der Ukraine eingesetzt werde, so Oppermann. Es dürfe nicht in den privaten Taschen korrupter Machteliten verschwinden. Die Menschen in der Ukraine wollten die Korruption beenden.

Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Norbert Spinrath verwies darauf, dass der politische Teil des Assoziierungsabkommens zwischen EU und Ukraine, den der Europäische Rat auf den Weg bringen will, bedeuten muss, dass die Ukraine die Möglichkeit hat, mit der EU und Russland zusammen zu arbeiten. Der politische Teil des Assoziierungsabkommen sei das Fundament für Rechtsstaatlichkeit und Reformen in der Ukraine.

Weitere Themen des Europäischen Rats

Die SPD-Abgeordneten Gabriele Groneberg und Christian Petry machten in ihren Reden deutlich, dass es in Brüssel neben der Situation in der Ukraine um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union sowie Wachstum und Beschäftigung gehen werde. Als weitere Stichworte benannten sie Einigungen zur Bankenunion und zur künftigen Klima- und Energiepolitik.

Anja Linnekugel