Dabei suchen sie teilweise Hilfe zur Beschaffung eines tödlichen Mittels durch nahe Angehörige, Freunde oder eine Ärztin beziehungsweise einen Arzt. Zudem gibt es immer mehr Sterbehilfevereine, die in Deutschland Unterstützung anbieten. Über diese so genannte Sterbehilfe will der Bundestag noch in diesem Jahr entscheiden. Dabei geht es darum, ob für Angehörige, Freunde, Ärzte oder Sterbehilfevereine diese Beihilfe zum Selbstmord straffrei bleiben soll. Wie immer ist eine Entscheidung in einer solchen ethischen Frage für die Abgeordneten freigegeben und es besteht keine Fraktionsdisziplin.

Für den ARD-Deutschland Trend ist 2014 ermittelt worden, dass 46 Prozent der Bevölkerung dafür sind, die Beihilfe zur Selbsttötung nicht unter Strafe zu stellen. 37 Prozent würden sogar die aktive Sterbehilfe, bei der eine Person dem sterbewilligen Menschen ein tödliches Mittel verabreicht, zulassen wollen. Von den 10.000 jährlich verübten Selbstmorden in Deutschland gehen laut Schätzungen rund 500 auf die Einnahme eines durch Sterbehelfer bereitgestellten Mittels zurück.

Vier Gesetzentwürfe liegen vor

Mittlerweile liegen aus der Mitte des Parlaments vier Gesetzentwürfe vor, hinter denen nicht die Fraktionen, sondern fraktionsübergreifende Gruppen von Abgeordneten stehen. Darüber hat der Bundestag am 2. Juli in erster Lesung beraten. Alle Gesetzentwürfe eint, dass die aktive Sterbehilfe weiterhin strafbar bleibt.

  1. Der Gesetzentwurf will geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid von Sterbehilfeorganisationen und Einzelpersonen, die auf Wiederholung angelegt ist, strafrechtlich verbieten.
  2. Der Entwurf will Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte schaffen, die Hilfe bei der Selbsttötung leisten. 
  3. Der Entwurf will Hilfe bei der Selbsttötung explizit erlauben, und zwar auch für organisierte und nicht kommerzielle Sterbehilfe sowie kommerzielle Sterbehilfe unter Strafe stellen. 
  4. Der Entwurf will Hilfe beim Suizid per Strafgesetzbuch untersagen.

1. Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

„Wir legen einen Weg der Mitte vor“, sagte Kerstin Griese, Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Fraktion, in der Plenardebatte. Der Gesetzentwurf „sagt ein klares Nein zu Vereinen und Einzelpersonen, die wiederholt und als Geschäft Sterbehilfe betreiben“. Und er sichere gleichzeitig, dass die bestehenden ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten erhalten blieben, erläuterte Griese. Zudem bleibe es eine Gewissensentscheidung des Arztes im Dialog mit dem Patienten und nur mit seinem Einverständnis. „Wir wollen kein Geschäft mit dem Tod“, unterstrich sie. Assistierter Suizid solle keine „Dienstleistung“ werden, die unter bestimmten Bedingungen abrufbar sei. „Wir haben Sorge, dass dann der Druck auf Menschen in verzweifelten Situationen steigt und dass aus der Angst, jemandem zur Last zu fallen, zu schnell der Wunsch nach dem Tod wird, wenn eigentlich Hilfe möglich wäre“, stellte Griese klar.

Die Vizepräsidentin des Bundestages Ulla Schmidt (SPD) machte deutlich, dass neben der Wahrung von Autonomie und der Selbstbestimmung „für uns alle gelten sollte, dass am Lebensende die Vermutungsregel „pro Leben“ stehe“. Deswegen müssten die Angebote der Palliativmedizin und Hospize ausgebaut werden. Sie unterstütze diesen Gesetzentwurf, weil es „Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wird kein Gesetzgeber bis zur letzten Gewissheit rechtssicher regeln können.“ Aber Rechtssicherheit für Ärzte, die sich für den Patienten entscheiden, werde gebraucht. Es müsse akzeptiert werden, dass der Patient selbst entscheiden kann, wie er den Sterbeprozess gestalten wolle, „schlafend oder aktiv bis zum letzten Atemzug“, sagte Schmidt.

„Sterbende müssen einen würdigen Platz in unserer Gesellschaft finden“, sagte der SPD-Abgeordnete René Röspel. Er lobte die Arbeit der Hospize. Zugleich aber fragte er, wie die Gesellschaft mit kommerziell arbeitenden Sterbehilfevereinen umgeht. Denn die machten die Gesellschaft nicht besser, sondern schlechter. Skeptisch sieht Röspel den Vorschlag, einen Katalog im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern, der regelt, wann Beihilfe zum Suizid strafbar wäre. Seine Befürchtung ist, dass dadurch die Zahl derer steigt, die sich vermeintlich in den Kriterien wiederfinden. Dadurch würden diese immer weiter geöffnet.

Der Inhalt des Gesetzentwurfs: Insgesamt stehen neben Kerstin Griese neun Initiatorinnen und Initiatoren hinter dem Gesetzentwurf (Drs. 18/5373): Eva Högl (SPD), Michael Brand, Michael Frieser, Claudia Lücking-Michel, Ansgar Heveling (alle CDU/CSU), Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak (beide Linke), Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe (beide Grüne). Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, dass der assistierte Suizid nicht zu einer „gesundheitlichen Dienstleistung“ wird. Dadurch, dass zunehmend Einzelpersonen oder Vereine, die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Bereitstellung oder Beschaffung eines tödlichen Medikaments regelmäßig anbieten würden, drohe eine gesellschaftliche „Normalisierung“ oder ein „Gewöhnungseffekt“ gegenüber organisierten Formen des assistierten Suizids, heißt es im Gesetzentwurf. Insbesondere alte und/oder kranke Menschen könnten sich gedrängt fühlen, von diesen Angeboten Gebrauch zu machen. Deshalb sollen auch nichtkommerzielle, aber geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Handlungen strafrechtlich verboten werden. Dafür soll ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch eingeführt werden, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Suizidhilfe, die „im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, wird nicht kriminalisiert, unabhängig davon, ob die Suizidhelfer Angehörige, Ärztinnen und Ärzte oder andere Personen sind. Insbesondere sind individuelle ärztliche Entscheidungen am Lebensende auch weiterhin möglich. Ein vollständiges strafbewehrtes Verbot wird abgelehnt, weil es „politisch nicht gewollt“ und mit den „verfassungspolitischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren“ sei.

2. Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung

Viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern hätten bestätigt: „Die Menschen wollen nicht, dass der Staat mit neuen Verboten in den sensiblen Bereich zwischen Leben und Tod eingreift“, berichtete die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann, die gemeinsam mit anderen einen weiteren Gesetzentwurf vorgelegt hat. Sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, „wie viel Leid und Kontrollverlust sie ertragen müssen“. Mit dem Gesetzentwurf werde das Regelungschaos der 17 Ärztekammerbezirken beseitigt und Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten geschaffen. Die klare Botschaft sei: „Niemand muss ins Ausland fahren, niemand muss sich an medizinische Laien und selbsternannte Sterbehelfer wenden“. Es werde ermöglicht, dass sich Menschen in großer Not ihrem Arzt anvertrauen können, weil er den Patienten kenne und fachlich am besten informieren könne – dazu gehöre auch die Palliativmedizin, stellte Reimann klar. Deshalb stelle der Gesetzentwurf das Arzt-Patienten-Verhältnis ins Zentrum. Das schade Sterbehilfevereinen mehr als Strafrechtsparagraphen.

„Viele Menschen haben Angst vor dem Sterben – nicht vor dem Tod“, sagte Karl Lauterbach. Der Gesetzentwurf habe die Menschen im Blick, denen auch die Mittel der Palliativmedizin nicht helfen würden und die ihren bevorstehenden Tod nicht als würdevoll empfinden würden. Es müsse eine gesetzliche Lösung „für viele Menschen“ gefunden werden und nicht eine gegen wenige Anbieter der Sterbehilfe, betonte Lauterbach.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Burkhard Lischka machte mit Blick auf Suizidbeihilfe den Konflikt in der Gesellschaft deutlich, wie mit Todkranken umgegangen werden soll. Alle Ansichten dazu müssten ihren Platz haben. Für Lischka ist aber klar: „Wie ein würdiges Ende auszusehen hat, sollte nicht die Politik entscheiden.“ Vor allem dürfe nicht mit dem Strafrecht gedroht werden. Das sei „das untauglichste Mittel, Todkranken vorzuschreiben, wie sie zu sterben haben.“ Lischka fühlt sich denjenigen nahe, die kommerzielle Sterbehilfevereine verbieten wollen. Dabei dürften aber nicht die Ärzte getroffen werden. „Wir wollen Menschen nicht in die Illegalität treiben“, betonte Lischka. Eine Gesellschaft müsse auch die Kraft aufbringen, bei Qualen, die nicht zu beheben seien, Sterben zu lassen.

Die SPD-Abgeordnete und Rechtspolitikerin Katharina Barley stellte klar, dass „jeder von uns in Würde sterben will“. Deshalb müsse man sich Gedanken machen über diejenigen, bei denen am Lebensende auch Palliativmedizin nicht mehr hilft. Verwandte blieben bis dato straffrei, wenn sie bei einem Suizid helfen; deshalb sei es „absurd“, dass das durch das Standesrecht der Ärzte bei denen nicht gelte. Barley: „Wir brauchen Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte“. Denn Ärzte könnten bei einem Suizid Todkranker am ehesten Hilfe leisten. Die Menschen dürften nicht allein gelassen werden, denn das wäre die größte Tragödie.

Der Inhalt des Gesetzentwurfs: Weitere Initiatorinnen und Initiatoren des Gesetzentwurfes (Drs. 18/5374) sind neben Reimann, Lauterbach und Lischka die vier Unionsabgeordneten Peter Hintze, Katherina Reiche, Kristina Schröder und Dagmar Wöhrl. Sie wollen das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis vor rechtlichen Sanktionen schützen. Derzeit besteht eine Rechtsunsicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Patientinnen und Patienten, weil das ärztliche Standesrecht in 10 von 17 Ärztekammerbezirken jede Form der Hilfestellung beim selbstvollzogenen Suizid ihrer Patienten untersagt. Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern, dass ein „volljähriger und einwilligungsfähiger Patient, dessen unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt (…) zur Abwendung eines krankheitsbedingten Leidens die Hilfestellung eines Arztes bei der selbst vollzogenen Beendigung seines Lebens in Anspruch nehmen“ kann. Dies soll jedoch nur dann möglich sein, wenn der Patient es ernsthaft und endgültig wünscht, eine ärztliche Beratung über andere Behandlungsmethoden und über die Suizidassistenz stattgefunden hat, die Erkrankung unumkehrbar ist und wahrscheinlich zum Tod führt – was ebenso wie der Patientenwunsch und seine Einwilligungsfähigkeit durch einen zweiten Arzt bestätigt werden muss. Die Hilfe durch den Arzt muss freiwillig sein. Die Entscheidung über den Zeitpunkt, die Art und den Vollzug seines Suizids muss der Patient treffen. Der Vollzug muss unter medizinischer Begleitung erfolgen. Mit dieser Regelung wollen die Initiatoren des Gesetzentwurfs Sterbehilfevereinen und Personen, die Sterbehilfe anbieten, die Grundlage entziehen.

3. Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung

Ein weiterer Gesetzentwurf stammt von Renate Künast, Kai Gehring (beide Grüne) und Petra Sitte (Linke). Dieser schreibt explizit fest, dass Hilfestellung bei der Selbsttötung nicht strafbar ist.

Wenn ein Mensch selbstbestimmt und in freier Entscheidung beschlossen habe, seinem Leben ein Ende zu setzen, wenn Heilungsmöglichkeiten aufgezeigt worden seien und versucht worden sei, doch noch Lebensmut zu wecken, dürfe man den Menschen nicht allein mit seinem Vorhaben lassen, sagte der SPD-Abgeordnete Detlef Müller als Unterstützer dieses Gesetzentwurfes. „Es geht nicht darum, einem Menschen die Entscheidung darüber zu erleichtern, ob er sich das Leben nehmen soll: Es geht darum, ihm zu erlauben, ihm in seiner letzten Stunde menschliche Zuwendung zu zeigen“, betonte er. Mit dem Gesetzentwurf werde dem Missbrauch vorgebeugt, und es würden nicht diejenigen bestraft, die den Leidenden ehrlich, aufrichtig und uneigennützig helfen wollten.

Der Inhalt des Gesetzentwurfs: Dieser Gesetzentwurf (Drs. 18/5375) will Rechtsunsicherheiten in der Bevölkerung und bei Ärztinnen und Ärzten beseitigen. Gewerbsmäßige, „also auf Gewinnerzielung ausgerichtete Hilfe zur Selbsttötung“ wird verboten. Wer dagegen verstößt, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt. Hilfe zur Selbsttötung z. B. durch einen Sterbehilfeverein soll nur dann angeboten werden dürfen, wenn dafür lediglich die Kosten erstattet werden sollen. Ärzte und Vereine, die um Hilfe bei einem Suizid gebeten werden, müssen den sterbewilligen Menschen in einem umfassenden und ergebnisoffenen Gespräch über seinen Zustand aufklären, Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – aufzeigen, weitere Beratungsmöglichkeiten empfehlen und auf Folgen eines fehlgeschlagenen Suizidversuchs hinweisen. Die Beratung ist zu dokumentieren. Zwischen dem Beratungsgespräch und der Durchführung des Suizids müssen mindestens 14 Tage liegen. Voraussetzung zur Hilfe bei der Selbsttötung ist, dass der oder die Sterbewillige volljährig ist und freiverantwortlich handeln kann. Ärzte sollen explizit Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, ohne dass ihnen Nachteile entstehen. Verstöße gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten können jedoch wiederum strafrechtlich sanktioniert werden.

4. Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung

Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg (beide CDU/CSU) wollen mit ihrem Gesetzentwurf (Drs. 18/5376) für die Suizidhilfe einen Straftatbestand schaffen: „Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahren bestraft.“ Nur in „extremen Einzelsituationen, bei denen z. B. keine Schmerztherapie hilft und großes Leiden besteht“ soll mangels Schuld von einer Bestrafung abgesehen werden.

So sieht aktuell die rechtliche Situation in Deutschland aus

  • Die passive Sterbehilfe (Sterbenlassen durch Unterlassen oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen) ist erlaubt, wenn sie dem erklärten Willen des Patienten entspricht.
  • Indirekte Sterbehilfe (Inkaufnahme eines verfrühten Todes aufgrund einer schmerzlindernden Behandlung im Einverständnis mit dem Betroffenen) ist zulässig.
  • Assistierter Suizid (Hilfe bei der Selbsttötung etwa durch Bereitstellen eines Mittels, das der Patient selbst zu sich nimmt) ist nicht verboten, kann aber strafbar sein als Mitwirkung an einem nicht freiverantwortlichen Suizid. Ein Strafbarkeitsrisiko besteht zum Beispiel, wenn der Arzt die Rettung eines handlungsunfähig gewordenen Sterbenden unterlässt.
  • Die aktive Sterbehilfe (Töten auf Verlangen zum Beispiel mithilfe einer tödlichen Substanz) ist als Tötung auf Verlangen strafbar. Sie ist weltweit nur in wenigen Ländern erlaubt, etwa in Belgien.

Anja Linnekugel / Alexander Linden