Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sagte am Mittwochmittag im Bundestag, worum es geht: „Überwinden wir die Flüchtlingskrise gemeinsam, auf einem europäischen Weg oder zerfällt Europa in einzelne, nationale Entscheidungen?“

Kanzlerin Merkel will auf dem Gipfel am Donnerstag und Freitag weiter verhandeln über eine gemeinsame Position der Staats- und Regierungschefs, um mit der Türkei zu einer Einigung zu kommen. Auf dem Tisch liegt der Vorschlag, dass die Türkei alle Flüchtlinge aus Griechenland zurücknimmt. Im Gegenzug übernimmt die EU aber feste Kontingente und gewährt der Türkei finanzielle Unterstützung sowie weitere Erleichterungen, etwa Visafreiheit.

Für Oppermann gehören zu einem Verhandlungsergebnis:

  • Ein Rücknahme-Abkommen zwischen der EU und der Türkei,
  • eine Vereinbarung über Flüchtlingskontingente, mit denen wir die Türkei entlasten und wir unsere humanitären Verpflichtungen erfüllen können,
  • die europäische Unterstützung für Griechenland,
  • und ein klares Signal, dass wir die Fluchtursachen entschieden bekämpfen.

Oppermann ist wichtig, „dass alle Flüchtlinge wissen: Wer mit Schleppern über die Ägäis kommt, muss damit rechnen, wieder zurückgeschickt zu werden.“ Denn erst dann würden die Flüchtlinge aufhören, den Schleppern ihre Ersparnis anzuvertrauen, „und wir können den kriminellen Banden in der Ägäis endlich das Handwerk legen.“

Ihm sei dabei klar, verdeutlichte Oppermann, dass dieses Vorgehen auch auf Kritik stoße. Deshalb müsse der EU-Gipfel Lösungen finden, die Rückführungen menschenwürdig und rechtskonform durchzuführen, um die Zusammenarbeit mit der Türkei zu ermöglichen.

Abermals betonte er, dass die Sicherung der europäischen Außengrenzen unverzichtbar sei, weil es sonst überall in Europa zu einer nationalen Grenzschutzpolitik komme – was gerade für Deutschland als Exportnation wirtschaftlich verheerend wäre. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt an der Exportwirtschaft.

Außerdem: „Syrische Flüchtlinge sind in der Türkei sicher. Die Türkei gibt mehr Syrern Schutz als alle europäischen Staaten zusammen“, sagte Oppermann.

Gleichwohl ist ihm bewusst, dass es in der Türkei massive Menschrechtsverletzungen gibt, ebenso erhebliche Demokratiedefizite. „Erdogan geht brutal gegen die kritische Op-position vor, lässt Proteste niederknüppeln und bekämpft die Kurden mit rücksichtslosen Militäreinsätzen“, so Oppermann. Deshalb stehe für die SPD-Fraktion außer Frage: „Dieser Umgang mit Opposition und Meinungsfreiheit in der Türkei ist einer Demokratie unwürdig!“ Neue Verhandlungskapitel mit der Türkei über einen EU-Beitritt böten daher aber auch Chancen, denn mit reiner Kritik sei nichts erreicht.

Den Riss in der Gesellschaft kitten

Wie verhindern, dass sich die Gesellschaft weiter spaltet? Dieser Frage widmete sich der Fraktionschef ebenfalls in seiner Rede. Der Erfolg der Partei AfD zeige, dass es eine Spaltung gebe.

Er zählte auf, welche jetzt die richtigen Aufgaben für die Politik sind:

  1. Wir müssen den Riss, der in der Flüchtlingspolitik mitten durch unsere Gesellschaft verläuft, wieder kitten und die Zahl der Flüchtlinge auf ein vernünftiges Maß reduzieren.
  2. Wir brauchen ein kraftvolles Integrationsgesetz mit klaren Regeln und Angeboten.
  3. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, mit dem wir Deutschland als Einwanderungsland gestalten und Einwanderung von Fachkräften steuern. 
  4. Wir müssen den Staat wieder zum unbestrittenen Garanten der öffentlichen Sicherheit machen.
  5. Aber vor allem müssen wir die soziale Spaltung der Gesellschaft stoppen.

Für Oppermann ist ganz klar, dass es nun eines Solidarprojektes bedarf, damit die Spaltung der Gesellschaft nicht größer wird. Dazu gehöre eine anständige Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen, Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, Bekämpfung der Altersarmut, die weitere Entlastung der Kommunen und die Reform der Eingliederungshilfe für Behinderte, die dafür sorgt, dass sie selbständig ihr Leben gestalten können.

Oppermann sagte: „Keines dieser Probleme ist durch die Flüchtlingskrise weniger wichtig geworden. Deshalb müssen wir den Menschen zeigen, dass wir da dran bleiben und dass die Politik jetzt umsetzt, was vereinbart wurde.“ Gerade die Ärmsten, die Arbeitslosen und die Migranten, die schon hier leben, seien die ersten, die zu Flüchtlingen in Konkurrenzsituationen geraten – oder die zumindest das Gefühl hätten, dass das passieren könnte.

In den kommenden Haushaltsverhandlungen müsse klar sein, dass die Projekte für mehr soziale Gerechtigkeit jetzt ernst genommen werden, mahnte er an. Sein Appell an die Union: „Lassen Sie uns gemeinsam in der Koalition daran jetzt arbeiten.“

 

Das Wichtigste zusammengefasst:

Anlässlich eines EU-Gipfels zur Flüchtlingspolitik debattierte auch der Bundestag. Um die weitere Spaltung der Gesellschaft (AfD) zu verhindern und den Zusammenhalt zu stärken, fordert die SPD-Fraktion ein Solidarprojekt. Sie besteht darum auf den weiteren Umsetzungen der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

Alexander Linden