Schon jetzt ist es für viele Arbeitgeber schwer, Fachkräfte zu gewinnen: Die Zahl offener Stellen ist auf einem Rekordhoch, die Suche nach Fachkräften dauert immer länger und führt oft nicht zum Erfolg. In vielen Bereichen funktioniert unser Land nicht optimal, weil Fachkräfte fehlen: Handwerkertermine sind schwer zu bekommen, Betreuungspersonal und Pflegekräfte fehlen, Busse fallen aus.

Zugleich wächst der Bedarf an Fachkräften, etwa in Folge der Digitalisierung und des Klimaschutzes. Die Situation wird sich gerade in den nächsten zehn Jahren noch verschärfen, wenn deutlich mehr Menschen in den Ruhestand gehen werden als junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachkommen.

Genau hier setzt die Ampel-Koalition mit dem überarbeiteten Fachkräfteeinwanderungsrecht an und schafft neue Möglichkeiten. Dabei wird sicher gestellt, dass diese neuen Wege nicht zu Lohndumping oder Ausbeutung genutzt werden. Das Gesetz wurde am Donnerstag erstmals vom Bundestag beraten.

Menschen, die als Fach- und Arbeitskräfte nach Deutschland kommen wollen, bringen ganz Unterschiedliches mit. Dieser Vielfalt wird mit den neuen Regeln Rechnung getragen, denn sie bieten künftig auch neue Wege der Fachkräfteeinwanderung:

1. Qualifikation

Ein in Deutschland anerkannter Abschluss eröffnet schon heute die Möglichkeit, als Fachkraft nach Deutschland zu kommen. Das bleibt auch zukünftig der wichtigste Weg. Er umfasst wie bisher:

  • die Blaue Karte EU für Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen aus Drittstaaten sowie
     
  • die nationale Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit einem deutschen oder in Deutschland anerkannten Abschluss (Hochschulabsolventen oder beruflich Qualifizierte).

Neu ist: Wer einen Abschluss hat, kann künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Damit wird  mehr Flexibilität geschaffen, und auf den Wandel der Arbeitswelt reagiert.

Für die Blaue Karte EU werden  die bestehenden Gehaltsschwellen abgesenkt und attraktivere Bedingungen für Berufsanfänger:innen geschaffen. Außerdem wird IT-Kräften mit Berufserfahrung auf akademischem Niveau der Zugang zur Blauen Karte EU ermöglicht.

2. Erfahrung

Der zweite Weg fokussiert auf Berufserfahrung. Damit wird Arbeitskräften die Einwanderung ermöglicht, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Land des Erwerbs staatlich anerkannten Berufsabschluss haben. Dass sie langfristig eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben, wird mit einer angemessenen Gehaltsschwelle sicher gestellt. Damit muss ihr Abschluss künftig nicht mehr in Deutschland anerkannt sein – das bedeutet weniger Bürokratie und damit kürzere Verfahren.

Wer die notwendige Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss auch weiterhin in Deutschland anerkennen lassen. Bislang sind Anerkennungsverfahren aus dem Ausland zu beantragen und erst anschließend ist es möglich, nach Deutschland zu kommen. Das ist aufwendig und komplex, kostet Zeit und nicht wenige Menschen brechen den Prozess wieder ab.

Damit die Anerkennungsverfahren den Arbeitsbeginn nicht verzögern, wird die Möglichkeit einer Anerkennungspartnerschaft zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geschaffen: Das Anerkennungsverfahren kann starten, während die Person bereits in Deutschland beschäftigt ist. Im Gegenzug verpflichtet sich der Arbeitgeber, die Arbeitskraft für möglicherweise notwendige Qualifizierungen freizustellen. So ist vom ersten Tag an eine existenzsichernde Beschäftigung möglich.

Zudem werden weitere Verbesserungen für IT-Kräfte geschaffen, die bereits jetzt aufgrund ihrer Berufserfahrung einwandern können: Für diese Berufe wird die Gehaltsschwelle gesenkt, die Einschätzung von notwendigen Deutschkenntnissen wird dem Arbeitgeber überlassen.

3. Potenzial

Der dritte Weg hat das Potenzial der Menschen im Blick. Dabei geht es um diejenigen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben. Es wird eine Chancenkarte zur Arbeitssuche eingeführt, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den Auswahlkriterien können Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartnerinnen- oder partner gehören.

Mit der Chancenkarte wird die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich erleichtert und Probearbeiten und Nebenbeschäftigung ermöglicht: Schon während der Arbeitsplatzsuche ist eine Arbeit von bis zu 20 Wochenstunden erlaubt, ebenso wie die Probebeschäftigung bei einem zukünftigen Arbeitgeber für bis zu zwei Wochen in Vollzeit.

Martin Rosemann, arbeitsmarktpolitischer Sprecher:

Heute wurde im Bundestag in erster Lesung das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung debattiert. Das Gesetz ist eine zentrale Säule zur Bewältigung des Fach- und Arbeitskräftemangels in Deutschland.

„Mit dem Gesetz wird es für Menschen aus EU-Drittstaaten leichter, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen und auch langfristig hier zu bleiben. Wir erleichtern die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Arbeitserfahrung. Mit diesen Neuregelungen machen wir den deutschen Arbeitsmarkt attraktiver für Pfleger, Handwerkerinnen oder Erzieher aus dem europäischen Ausland. Damit diese Arbeitskräfte sich in Deutschland wohl fühlen und auch hier Fuß fassen möchten, werden außerdem die Angebote und Förderung für Sprachkurse ausgebaut.

Auch für Arbeitgeber, die EU-Ausländer:innen anwerben und anstellen, gibt es durch das Gesetz mehr Planungssicherheit. Der Fach- und Arbeitskräftemangel und der fortschreitende Strukturwandel erfordern es, alle Potenziale zu heben. Die Ampelregierung verfolgt hier einen breiten Ansatz, der inländische, aber mit der Fachkräfteeinwanderungsstrategie auch ausländische Potenziale nutzt.“