Das ist keine Steuerreform, sondern dreiste Wahlhilfe mit Steuergeld. Zu Recht erntet Angela Merkel dafür beißende Kritik von allen Seiten, nicht zuletzt von den Ministerpräsidenten der CDU, aus deren Kreis von einer „irren“ Debatte gesprochen wird. Haushaltsrisiken wie ein Nachlassen der Wirtschaftsdynamik, die angedrohte Klage gegen die Brennelementesteuer, die Schuldenkrise im Euro-Raum, die Bundeswehrreform oder steigende Zinsen werden ignoriert. Zudem verstößt es gegen die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenregel, aus konjunkturellen Mehreinnahmen strukturelle, also bleibende Eingriffe in den Haushalt zu bezahlen. Deutschland hat einen Schuldenstand von 85 Prozent des BIP und verletzt die Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes, vor allem weil der Staat die Bankenausfälle übernommen hat. Die Neuverschuldung ist noch immer zu hoch. Sie muss in den kommenden Jahren um mehr als 20 Milliarden Euro zurückgeführt werden, um die Schuldenregel einzuhalten. Die Haushaltslage der Länder und Kommunen bleibt angespannt. Nichts ist so unseriös, wie in dieser Lage schuldenfinanzierte Steuersenkungen anzukündigen.

Atomausstieg und Energiegesetze

Am Donnerstag entscheidet der Deutsche Bundestag in abschließender Lesung über Atomausstieg und Energiegesetze der Bundesregierung. Union und FDP beenden damit mehr als zehn Jahre aggressiver Polemik gegen Ausstieg und Energiewende. Wir begrüßen, dass Schwarz-Gelb auf den Kurs des rot-grünen Ausstiegs umschwenkt und werden der Atomgesetznovelle zustimmen. Der von uns beschlossene Ausstieg allerdings war im Konsens mit der Wirtschaft verhandelt und rechtsstaatlich einwandfrei umgesetzt worden. Er wurde nicht angefochten und nicht vor Gerichten beklagt. Diese Rechtssicherheit hat Angela Merkel im Herbst 2010 zerstört. Jetzt geht die Bundesregierung Klagerisiken ein, da sie die unterschiedlichen Abschaltdaten der AKW nicht präzise genug begründet. Das bleibt ein Manko schwarz-gelber Gesetzgebung. Vor allem aber verschlechtert die Koalition das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), droht damit das erfolgreichste Instrument der Energiewende zu beschädigen und den Ausbau der Erneuerbaren zu bremsen. Wir lehnen deshalb die EEG-Novelle ab. Hinzu kommt, dass die Regierung die deutsche Industrie und damit eine lebenswichtige Wertschöpfungskette mit Millionen von Arbeitsplätzen vernachlässigt. Schon bald werden die Energiekosten ein herausragendes Thema. Wir fordern bezahlbaren Grundlaststrom für energieintensive Unternehmen. Und wir wollen einen substanziellen sozialen Ausgleich für Menschen, die kaum finanziellen Spielraum für höhere Energiepreise haben. Ein Doppelschlag von steigenden Stromrechnungen und Mieterhöhungen nach Modernisierungen spaltet die Gesellschaft in Gewinner und Verlierer der Energiewende. Wer öffentlich gefördert wird, um energetisch zu sanieren und sein Immobilieneigentum aufzuwerten, darf die Kosten nicht auch noch auf Mieter abwälzen. Außerdem brauchen wir einen Effizienzfonds, der auch einkommensschwache private Haushalte dabei unterstützt, den Stromverbrauch zu senken. Schwarz-Gelb will das belastende Erbe der Atomkraft abschütteln. Aber die Koalition hat keinen Kompass und keine Kompetenz für die industriellen und die sozialen Dimensionen der Energiepolitik.

Afghanistan

Orientierungslos bleibt auch die deutsche Außenpolitik. Das zeigt sich im Mittelmeerraum und gegenüber der arabischen Demokratiebewegung ebenso wie in Afghanistan. In der vergangenen Woche hat Präsident Obama seine mit Spannung erwartete Entscheidung über die Reduzierung der US-Truppen in Afghanistan bekannt gegeben. Obama macht seine Ankündigung aus dem Jahr 2009 wahr: Der Rückzug der US-Truppen beginnt noch in diesem Sommer. Bis Ende des Jahres sollen 10.000 Soldaten abgezogen werden, bis Mitte kommenden Jahres weitere 23.000. Damit ist klar: Das international vereinbarte Zieldatum 2014 für die Beendigung von Kampfeinsätzen internationaler Truppen in Afghanistan ist unumkehrbar. Wir erwarten jetzt auch von Bundesregierung konkrete Entscheidungen. Das Lavieren muss ein Ende haben. Spätestens bis zur Bonner Afghanistan-Konferenz im Spätherbst dieses Jahres müssen Merkel, Westerwelle und de Maiziere Pläne für einen schrittweisen Rückzug der Bundeswehr bis 2014 vorlegen.

Bei meinem Besuch in Afghanistan in der vergangenen Woche konnte ich mich davon überzeugen, dass alle Beteiligten – die afghanische Regierung, die internationale Schutztruppe ISAF, UNAMA, die EU und alle anderen maßgeblichen Akteure – daran arbeiten, dass die afghanische Regierung bis 2014 in der Lage ist, die Sicherheitsverantwortung selbst zu übernehmen und schrittweise wieder die volle Souveränität über ihr Land gewinnt. Dennoch bleibt viel zu tun.

Der Abzug ist beschlossen. Das Abzugsdatum steht. Wir müssen jetzt weiter nach vorn denken, die Zeit nach 2014 und die Zukunft Afghanistans in den Blick nehmen. Entscheidend ist die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Nur wenn Afghanistan wirtschaftlich auf die Beine kommt, werden die positiven Entwicklungen, welche die internationale Gemeinschaft angestoßen hat, von Dauer sein. Das Land verfügt über vielfältige Ressourcen und Bodenschätze. Die afghanische Regierung muss rechtzeitig dafür Sorge tragen, dass diese dem ganzen afghanischen Volk, dem Zusammenhalt des Landes zugute kommen und nicht zur Beute von Warlords oder ausländischen Wirtschaftsinteressen werden. Deutschland kann hier mit Know-how, Beratung und Ausbildung wertvolle Hilfe leisten. Der zivile und wirtschaftliche Aufbau ist der Schlüssel für eine friedliche Entwicklung.