Weniger Netto statt "Mehr Netto vom Brutto"

Der schwerwiegendste Wortbruch von Schwarz -Gelb ist die Nettolüge – versprochen wurden Milliarden über Milliarden an Steuersenkungen zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen. „Mehr Netto vom Brutto“, hieß der Slogan. Vielfach war die Aussage zu hören: „Wir sind nicht gewählt, um Beiträge zu erhöhen.“ Nach neun Monaten ist klar, dass das Gegenteil geschieht. Die Steuersenkungen wurden nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen beerdigt. Stattdessen steigt die Steuerlast für Unternehmen wie für Bürger. Vor allem aber werden Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner, normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr belastet durch steigende Abgaben und Gebühren. „Weniger Netto“ ist die Folge.

Offenbarungseid in der Gesundheitspolitik

Ein Offenbarungseid ist das vollständige Scheitern in der Gesundheitspolitik. Gesundheitsminister Rösler hat gesagt, wenn ihm die Gesundheitsreform nicht gelinge, wolle ihn als Minister keiner mehr haben. Dieser Fall scheint jetzt eingetreten. Fantasielos, kraftlos, beinah willenlos fügt sich der Gescheiterte in die Regierungsunfähigkeit der Koalition. Monatelanger Streit, die Einsetzung einer Regierungskommission, vollmundige Ankündigungen eines Systemwechsels mit der Kopfpauschale – und alles, was herauskommt, ist die Erhöhung der Beiträge für gesetzlich Versicherte. Auch die Zusatzprämien sollen erhöht werden. Der Deckel bei ein Prozent des Einkommens soll auf zwei Prozent angehoben werden, ginge es nach der Mehr-Netto-Partei FDP soll er sogar ganz entfallen. Das ist unsozial und wird besonders die unteren und mittleren Einkommen treffen. Von einem Sozialausgleich ist gar nicht mehr die Rede. Die Versuche, bei den Arzneimittelkosten zu sparen, kommen spät, sind halbherzig und unausgegoren. Erinnern wir uns: Schon nach 100 Tagen Schwarz-Gelb erhoben etliche Krankenkassen Zusatzbeiträge. Nach einem Jahr Schwarz-Gelb steigen Beiträge und Zusatzprämien. Das Versagen der Koalition wird teuer für Millionen gesetzlich Versicherte.

Haushalt 2011: Dokument des Scheiterns

Seit dem 5.7. liegt der Haushalt 2011 und der Finanzplan bis 2014 im Regierungsentwurf vor. Wieder ein Dokument des Scheiterns, das belegt, wie vor allem die Schwächeren in der Gesellschaft für die schwarz-gelben Steuerprivilegien und Klientelgeschenke zahlen müssen. Union und FDP haben „Steuergerechtigkeit“ versprochen. Was jetzt kommt, grenzt an vorsätzlichen politischen Betrug. Nachdem FDP und CSU im Wahlkampf Mövenpick-Spenden erhalten haben, kam zum Jahresanfang die Umsatzsteuerbegünstigung für Hoteliers. Auch Unternehmen, die besonders kreativ bei der Umgehung ihrer Steuerpflicht sind, sich arm rechnen und Gewinne ins Ausland verlagern, wurden von Schwarz-Gelb erneut begünstigt. Das alles in einem Jahr, in dem der Bund eine historisch noch nie dagewesene Neuverschuldung von mehr als 80 Milliarden Euro aufnehmen musste, die im Haushaltsvollzug nur deshalb auf 65 Milliarden sinkt, weil die Konjunktur etwas besser als erwartet läuft.

Wer für Begünstigung, Privilegien und Klientelpolitik auf Pump zahlen soll, hat die schwarz-gelbe Sparliste offenbart, die in den Haushaltsentwurf eingeflossen ist: Konkret wird die Koalition bei den Einschnitten in die Vermittlung und Förderung von Arbeitslosen, beim Streichen des Elterngelds, der Rentenversicherung und des Heizkostenzuschusses für Arbeitslose. Luftig, unklar und zerstritten bleibt die Regierung aber da, wo es um die Beteiligung der Finanzbranche geht. Eine Finanzmarktsteuer konnte beim Treffen der G20 in Toronto international nicht vereinbart werden. Ob jetzt tatsächlich eine europäische Lösung kommt, ist zweifelhaft. Die Regierung Merkel kann sich nicht entschlossen dafür einsetzen, weil sie nicht geschlossen in dieser Frage ist. Andere Luftbuchungen im Haushaltsentwurf sind die Rückführung der Energiesteuervergünstigungen der Industrie (1,5 Milliarden Euro), die Ticketabgabe im Flugverkehr (1 Milliarde Euro) oder auch der von Finanzminister Schäuble so genannte „Beitrag der Kernenergiewirtschaft“ (2,3 Milliarden Euro). Bei keinem dieser Punkte ist auch nur im Ansatz erkennbar, wie er ausgestaltet und durchgesetzt werden soll. Keiner dieser Milliarden-Posten steht bislang im Gesetzblatt. Deshalb werden wir genau prüfen, wie die Begleitgesetzgebung zum Bundeshaushalt läuft, bei der die Regierung im August und September Farbe bekennen muss. Die erste Lesung des Haushalts Mitte September ist die Stunde der Wahrheit.

Ausstieg aus dem Atomausstieg gegen die Mehrheit der Bevölkerung

Von zentraler Bedeutung ist die Einführung einer Brennelementesteuer. Sie beseitigt ein ungerechtfertigtes Privileg der Atomkraft. Während die Strompreise für den Verbraucher durch die „Einpreisung“ des CO2-Emissionsrechtehandels steigen, bleiben die Kernkraftbetreiber von den Kosten der spezifischen Risiken und Lasten der Atomkraft verschont. Sie fahren daher jedes Jahr erhebliche Mitnahmegewinne ein, die von Experten auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt werden. Dies hat mit der Frage einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken nichts zu tun. Wir verlangen deshalb von der Bundesregierung, unverzüglich ein Gesetz vorzulegen, das zum 1. Januar 2011 eine Verbrauchssteuer auf die Spaltung von Kernbrennstoffen einführt. So lange die Atomkraftwerke laufen, muss sichergestellt sein, dass die Betreiber an den Kosten und Schäden, die sie einschließlich der Endlagerung von Atommüll verursachen, angemessen beteiligt werden. Wir fordern außerdem: Kein Ausstieg aus dem Atomausstieg. Der im Atomkonsens mit den Energieversorgungsunternehmen vor zehn Jahren erreichte Durchbruch darf nicht in Frage gestellt werden. Für eine Verlängerung der Laufzeiten gibt es keine Mehrheit in Deutschland.

Beschleunigter Vertrauensverlust

Nach der Sommerpause wird Deutschland ein Jahr lang nicht mehr regiert. Zu den Negativrekorden der Koalition gehört folgerichtig auch der dramatisch beschleunigte Vertrauensverlust. Im Sommer 2010 hat die Regierung im Meinungsbild der Bevölkerung ihre Mehrheit verloren. Auch die Zustimmung zur Kanzlerin ist massiv eingebrochen. Das Misstrauensvotum gegen das System Merkel eint nahezu 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Die SPD hat sich stabilisiert und ist gemeinsam mit den Grünen bei 47 Prozent an die Schwelle einer neuen Mehrheit für Rot-Grün gekommen. Nicht zuletzt durch den Verlust der schwarz-gelben Bundesratsmehrheit wächst das Gewicht der Opposition. Wir werden mit Tatkraft, Verantwortungsbewusstsein und Gestaltungsbereitschaft unseren Kurs fortsetzen.