Am Freitagmittag begann der Kongress mit einem Grußwort des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers und SPÖ-Chefs Alfred Gusenbauer. Er mahnte zur beständigen Zusammenführung von Ökonomie und Politik, um allen Menschen Teilhabe an den Ressourcen und Produktionsmitteln zu ermöglichen.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Thomas Oppermann stellte klar: "Dieses Land hat eine bessere Regierung verdient als Schwarz-Gelb".

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und integrationspolitische Sprecherin der Fraktion Aydan Özoguz warb in ihrer Rede für die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Stabilität - eines der wichtigsten sozialdemokratischen Ziele.

Unter dem Motto "So wollen wir morgen leben" begannen im Anschluss parallel die Foren.

Um 19 Uhr hielt der Chef des deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer eine Rede auf der Fraktionsebene des Reichstagsgebäudes, bevor der Abend im geselligen Beisammensein ausklang.

Die SPD hat eine Haltung

Der Samstag startete um 10 Uhr mit einem Grußwort der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie verwies auf die Zukunftsfähigkeit der SPD-Bundestagsfraktion - nicht zuletzt durch die sorgfältige und abwägende Entwicklung der Themen des "Projekts Zukunft", das eben jene Lösungsmodelle vorstellt, wie ein gerechtes Land aussehen könnte.

Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner zentralen Rede, Deutschland liege innenpolitisch "in Agonie". Der "Schlachtenlärm der Koalition" verdecke die Leere. Ergebnisse des schwarz-gelben Bündnisses? Fehlanzeige. "Die Regierung versetzt das Volk in tägliches Koma", so Steinmeier. Dabei lebten wir alle "von gebrauchter Zeit". Die Koalition "erntet auf Feldern, auf denen sie nie gesät hat". Dem wolle die SPD etwas entgegensetzen - etwas mit Hand und Fuß, Konzepte für das nächste Jahrzehnt.

Er summierte die acht Schwerpunktbereiche des "Projektes Zukunft", die alle etwas gemeinsam hätten: Haltung. Eine Haltung, die dieses Land gestalten will und kann. "Wir wollen vorneweg gehen, nicht als Juniorpartner in einer Großen Koalition", sagte Steinmeier unter großem Beifall. Er ergänzte: "Wir haben die Vision von einem Land, in dem Wohlsatnd für alle möglich ist". In Richtung Publikum rief er: "Lasst uns dafür sorgen, dass aus der gesellschaftlichen Mehrheit für sozialdemokratische Haltungen eine politische Mehrheit wird!"

 

Demografischer Wandel ist eine soziale Revolution

Steinmeier ging auch auf die vergangenen Jahre ein, die nicht leicht für die Sozialdemokratinnen und -demokraten waren. Die Agenda 2010 etwa sei der Versuch einer Antwort auf die Herausforderungen der Mitte des letzten Jahrzehnts gewesen. "Ja, sie war nicht frei von Fehlern, ja wir haben einiges korrigiert; ich weiß, wie schmerzhaft dieser Weg war, aber er hat uns Glaubwürdigkeit gegeben, weil wir gestanden haben. Wir haben das Land neu aufgestellt!" Steinmeier konstatierte, dass Rot-Grün die Koalition für die Zukunft sei, nicht zuletzt, weil sie ihre Kraft zu Erneuerung bereits erfolgreich bewiesen habe. Nun gehe es darum, die Fragen der Zukunft zu beantworten. Er stellte die acht Foren vor, betonte die Bedeutung des demografischen Wandels, der "eine soziale Revolution" sei, die Bildung, eine "Schlüsselfrage" der künftigen Gesellschaft, und mahnte, dass die Krise gezeigt habe: Wir müssen weg von der Abhängigkeit von den Finanzmärkten.

Was hält eine Gesellschaft wirklich zusammen? Banken, weil sie "systemrelevant" sind? Steinmeier postulierte, dass in Wahrheit die soziale Gerechtigkeit eine Gesellschaft zusammenhalte - "sie ist systemrelevant für die Demokratie". Schließlich bestehe Demokratie aus der Zustimmung zu einem Gemeinwesen, in dem Politik immer wieder neu gestaltet werden muss. In diesem Sinne rief er zum Kampf gegen Altersarmut auf, deren Lösung vor allem im Kampf gegen Erwerbsarmut liege.

Im Unterschied zu der Situation vor zehn Jahren, in der die Sozialdemokraten das Land aus einer Schwächesituation heraus refomierten, können sie das nun aus einer Situation der Stärke heraus. Steinmeier: "Dieses Land braucht eine neue Regierung. Wir spielen auf Sieg, nicht auf Platz!"

Der Samstag war geprägt von drei großen Diskussionsrunden zu den Themen Gerechtigkeit, Wohlstand und Demokratie, in denen jeweils hochrrangige Gäste mit SPD-Politikerinnen und -Politikern debattierten.

Verschuldung ist eine Frage der intergenerativen Gerechtigkeit

In einem Rundumschlag gegen Schwarz-Gelb sagte der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, Angela Merkel agiere wie Alice im Wunderland. Ihre Politik verhindere die Spaltung am Arbeitsmarkt nicht, und auch nicht die Flucht der Abgehängten wie der Eliten in Parallelgesellschaften. Insbesondere die Eliten zögen sich aus ihrer Verantwortung immer weiter zurück, weil sie kaum auf öffentliche Güter wie Kultur, Bildung oder Infrastruktur angewiesen seien, also auch wenig Interese an deren Finazierung hätten. Mit Blick auf den demografischen Wandel stellte er die Frage in den Raum: "Wie entwickelt sich eigentlich die Kreativität in einer Gesellschaft, in der mehr Alte als Junge leben?" Die öffentliche Verschuldung sei darum auch eine Frage der "intergenerativen Gerechtigkeit". Steinbrück: "Wir geben den Jungen die Verschuldung wie einen Wackerstein mit auf ihren Weg." Er mahnte, dass solche Krisen wie die Schuldenkrise letztlich auch zu "Legitimationsfragen" führten. Ist die Politik noch Herr der Gestaltung? "Wohlstand definiert sich auch durch Vertrauen, das darf die Politik nicht verlieren."

Steinbrück plädierte für Steuererhöhungen bei sehr Vermögenden, um die Schuldenbremse einzuhalten, die Finanzkraft der Kommunen zu stärken, die öffentliche Infrastruktur auszubauen und die Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Alle Politik der SPD sei letztlich Gesellschaftspolitik. Und die wiederum bilde die Bindekraft der Gesellschaft. "Diese Qualität stellen wir in spätestens zwölf Monaten der CDU/CSU, vor allem aber der FDP entgegen."

Zum Abschluss des zweitägigen Kongresses sprach SPD-Parteichef Sigmar Gabriel unter anderem über die Zukunft Europas, die Finanzkrise und den bevorstehenden Bürgerdialog der SPD: "Im Internet, in Bürgerkonferenzen vor Ort und ganz traditionell per Post bitten wir die Menschen in unserem Land um ihre Meinung. Übrigens mit einer ganz einfachen Frage: Was soll besser werden in unserem Land?"