Seit mehr als hundert Jahren fordern Frauen auf der ganzen Welt die gleichen Rechte wie Männer ein. Der Internationale Frauentag am 8. März steht symbolisch für diesen Kampf. Heute führen Frauen Ministerien, Fraktionen oder Regierungen an. Erkämpft haben das Frauen wie Annemarie Renger, die heute vor zehn Jahren gestorben ist. Man könnte sagen: Sie war eines der ersten politischen Rollenvorbilder für Frauen in der jungen Bundesrepublik. Eine, die sich erfolgreich gegen Männer – auch in ihrer eigenen Partei – durchgesetzt hat.

37 Jahre Bundestag

Schon als Kind hat die 1919 in Leipzig geborene Renger, die aus einem sozialdemokratischen Elternhaus kommt, einen klaren Berufswunsch: „Parteisekretärin“. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet sie zunächst als Privatsekretärin beim SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher. Bald ist sie zudem Krankenschwester, Haushälterin und engste Vertraute Schumachers. Nach dessen Tod startet Annemarie Renger ihre eigene politische Karriere. 1953 wird die ausgebildete Verlagskauffrau in den Deutschen Bundestag gewählt. Sie bleibt dort insgesamt 37 Jahre lang Abgeordnete. 1969 wird sie Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und ist damit die erste Frau überhaupt im engeren Fraktionsvorstand der Sozialdemokraten.

Erste Frau im zweithöchsten Staatsamt

Der Höhepunkt ihrer politischen Laufbahn aber folgt 1972: Die SPD stellt erstmals die stärkste Fraktion im Bundestag, und Annemarie Renger wird als erste Frau zur Präsidentin des Deutschen Bundestages gewählt. Eine Frau im zweithöchsten Staatsamt – das ist für viele damals noch eine Provokation. Durchsetzen muss sie sich auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen. Sie habe sich in ihrer Fraktion selber für das Amt vorgeschlagen, sagte Renger später in einem Interview. „Glauben Sie, man hätte mich sonst genommen?“

In ihrer Zeit als Bundestagspräsidentin wird sie zu einer der beliebtesten und bekanntesten Politikerinnen des Landes. Und ebnet den Weg für mehr Gleichstellung in der Politik. „Ich habe in dieser Zeit erreicht, was ich wollte. Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann“, sagte sie im Anschluss an ihre Amtszeit.

Als die Union nach den Wahlen 1976 wieder die stärkste Fraktion stellt, wird Annemarie Renger zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Und bleibt es bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 1990. Zu diesem Zeitpunkt gilt die Mitbegründerin des Seeheimer Kreises längst als Grande Dame der Sozialdemokratie, die sich auch ehrenamtlich engagiert. Ihr gesellschaftliches Engagement setzt sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag fort.

Am 3. März 2008 verstarb Annemarie Renger im Alter von 88 Jahren.