Die SPD-Fraktion hat als Reaktion auf die Havarie des Kreuzfahrtschiffes im vergangenen Frühjahr einen umfassenden Antrag im Deutschen Bundestag und Vorschläge vorgelegt, um die Umsetzung der sicherheitsrelevanten Standards und die Abläufe an Bord zu verbessern.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Endstation Schiffsfriedhof. Auf den Weltmeeren sind im vergangenen Jahr 106 Schiffe bei einem Unglück gesunken oder so schwer beschädigt worden, dass sie unrettbar gestrandet sind – auf Kosten der Umwelt und der Verkehrssicherheit.

Spektakulärstes Beispiel war im Jahr 2012 die Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ mit 32 Todesopfern.

Auch wenn die Zahlen der Schiffsverluste seit Jahren erfreulicherweise zurückgehen:

Der Trend zu immer mehr und größeren Schiffen bleibt eine Herausforderung für die Seeschifffahrt – und die Beseitigung der Wracks ein Problem, vor allem die Küstenanrainer.

Das jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Vertragsgesetz, das den Beitritt zum Internationalen Übereinkommen von Nairobi ermöglichen soll, ist längst überfällig.

Die International Maritime Organization IMO hat 2007 – mit Unterstützung Deutschlands – Regelungen vereinbart, um die internationale Seesicherheit und insbesondere den Schutz der Küstenstaaten vor Gefahren für die Schifffahrt und die Umwelt besser zu schützen.

Die meisten verunglückten Schiffe sind Frachtschiffe – mehr als 700 waren es laut Statistik einer großen deutschen Versicherung in den Jahren 2000 bis 2010 weltweit. Hinzu kommen 121 „verlorene“ Tanker – allein diese Zahl zeigt die immensen Gefahren für die Meeresumwelt.

Ganz zu schweigen von den Containerverlusten auf dem Meer, die nicht nur auf unsachgemäßes Beladen oder Verstauen zurückzuführen sind, sondern eben häufig auch auf gestrandete Schiffe oder Kollisionen. Die Schätzungen schwanken zwischen 2.000 und 10.000 verlorenen Containern, die jährlich über Bord gehen.

Schiffsunglücke ereigneten sich 2012 besonders häufig in Südchina, Indochina, Indonesien und den Philippinen; zweitgefährlichste Region sind das östliche Mittelmeer und das Schwarze Meer.

Aber Schiffsfriedhöfe gibt es auch in Europa – ob nun im Ärmelkanal, an Teilen der isländischen Küste, in der Deutschen Bucht oder am Kap Skagen in der Ostsee.

Das zeigt, wie wichtig die Regelungen auch für Deutschland sind.

Mit der internationalen Vereinbarung wird der Schutz der deutschen Nord- und Ostseeküste weiter verbessert; das Abkommen greift in erster Linie in der dem Küstenmeer vorgelagerten Ausschließlichen Wirtschaftszone.

Erstmals wird mit dem Übereinkommen zudem das Verursacherprinzip durchgesetzt und das Seevölkerrecht an dieser Stelle entscheidend weiterentwickelt.
Bisher hatten die Küstenanrainer nur eingeschränkte Möglichkeiten, gegen Wracks und Schifffahrtshindernisse vorzugehen und den Eigentümer eines Schiffes zur Beseitigung und Kostentragung heranzuziehen.

Künftig werden Schiffseigner hingegen verpflichtet, ein Wrack, das die Meeresumwelt oder die Schifffahrt gefährdet, auf eigene Kosten zu beseitigen.

Droht Gefahr oder handelt der Schiffseigentümer nicht, kann auch der betroffene Küstenstaat tätig werden – und seine Kostenforderungen hinterher an den Eigner richten.

Denn das Übereinkommen sieht erstmals eine Versicherungspflicht der Schiffseigner und eine Direktklagebefugnis der Küstenländer vor.

Damit gehen die Kosten für Beseitigungsmaßnahmen von Wracks nicht länger zu Lasten des Bundeshaushaltes, und das ist richtig so.

Auch wenn Schiffsverluste durch neue Technologien, bessere Ausbildung, fortschreitende Regulierung und Sicherheitsinitiativen der Schifffahrtsbranche selbst rückläufig sind, lässt doch eines aufhorchen:

Menschliches Versagen, das hat die erwähnte Studie der Versicherung erneut gezeigt, bleibt die Hauptursache für Seeunglücke. Dahinter stehen Übermüdung, Kostendruck oder eine unzureichende Ausbildung.

Hier ist die Bundesregierung dringend aufgefordert zu handeln, damit sich die Frage der Kosten für Mensch und Umwelt gar nicht erst stellt.

Denn auch die fortschrittlichste Technik ist nur so gut, wie die Qualifikation derer, die sie bedienen.

Unglücke wie der Untergang der Costa Concordia müssen deshalb, so bitter das klingt, auch genutzt werden, um die Sicherheit zu verbessern.

Die SPD-Fraktion hat als Reaktion auf die Havarie des Kreuzfahrtschiffes im vergangenen Frühjahr einen umfassenden Antrag im Deutschen Bundestag und Vorschläge vorgelegt, um die Umsetzung der sicherheitsrelevanten Standards und die Abläufe an Bord zu verbessern.

Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen der Seeleute an Bord, die mit dem Inkrafttreten der bereits 2006 verabschiedeten „Maritime Labour Convention“ in diesem Jahr weiter verbessert werden sollen.

Auch die IMO arbeitet nach dem Costa-Concordia-Unglück daran, die bestehenden Sicherheitsbestimmungen zu fassen. Hier ist die Bundesregierung gefordert, sich im internationalen Rahmen für eine verbesserte Sicherheitsvorsorge und die Einhaltung der Standards einzusetzen.
Auch das Thema Containerverluste auf See muss das Bundesverkehrsministerium bei der IMO auf die Agenda setzen.

Doch auch vor der eigenen Haustür gibt es in punkto maritime Sicherheit für die Bundesregierung einiges zu tun:

Dringend notwendig sind etwa verstärkte Sicherheitsvorkehrungen in der Bauphase der festen Fehmarnbelt-Querung, um das Gefährdungspotenzial für die Ostsee zu verringern – schließlich wächst der Schiffsverkehr mit dem zunehmenden Ostseehandel und dem wachsenden Tankerverkehr von und nach Russland stürmisch.

Wie wichtig verstärkte Sicherheitsvorkehrungen sind, hat gerade in dieser Woche die Schiffskollision in der Deutschen Bucht gezeigt, wo ein Offshore-Tender mit dem Standfundament einer Windenergieanlage im Offshorefeld „Bard I“ kollidiert ist.

Angesichts der Ausbaupläne für den Offshore-Bereich in der deutschen Nordsee besteht auch hier dringender Handlungsbedarf.

Notwendig ist eine koordinierte Strategie von Bund, Ländern und Windparkbetreibern für Sicherheit im Offshore-Bereich. Auch dazu liegen unsere Forderungen auf dem Tisch.

Die Bundesregierung ist gut beraten, die Segel für mehr Sicherheit im Schiffsverkehr zu setzen.

Hinweis: Diese Rede wurde zu Protokoll gegeben.