Die Koalition hat die Fortentwicklung des Mautsystems nicht auf der Agenda. Das zeigen ihre Antworten auf die Große Anfrage der SPD. Sie haben keine Prognosen zur Mautausweitung, kein Konzept und keine Idee für mehr Kostengerechtigkeit.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sinn dieser Großen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion war es, etwas über die Pläne der amtierenden Bundesregierung zur Zukunft des Mautkonzeptes in Erfahrung zu bringen. Uns liegt nach sechs Monaten des Wartens jetzt eine Antwort vor. Ich hoffe nur, dass sie auch der Bundesverkehrsminister als Person gelesen hat.

In der Rubrik „Neues aus dem Sommerloch“ sind Sie, Herr Minister, mit verschiedensten Initiativen fest gebucht. Aber diesmal, denke ich, geht es um den jährlichen Ruf der CSU nach Einführung einer Pkw-Maut, dem, so erscheint es mir, mit der Antwort der Bundesregierung zumindest für diese Legislaturperiode endgültig eine Absage erteilt wird.

Es wird auch mit einer zweiten Mär aufgeräumt, die Sie immer wieder in die deutschen Lande streuen, nach der Melodie: Hätten wir doch eine Vignette, könnten wir für eine Kompensation für inländische Autofahrer sorgen. Auch da heißt es in der Antwort der Bundesregierung nicht Ihres Hauses, sondern der gesamten Bundesregierung , dass dies einen Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot darstellen könnte.

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Um es einmal klarzustellen: Auch hier haben Sie eine kurzfristige mediale Lufthoheit gehabt; aber verantwortliche Politik sieht anders aus. Ich denke, eine verantwortliche Politik kümmert sich um die Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland. Das aber vermissen wir bei Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Beenden Sie diese Geisterdebatten; sonst werden Sie irgendwann einmal der letzte Pkw-Maut-Dino.

Was ich gut finde allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt, dass Sie sich hier ein Hintertürchen offenhalten , ist, wenn Sie sagen: In meinem Hause gibt es keine Denkverbote. – Ich bin der Meinung: Das ist schon einmal gut. Entweder muss der Minister denken oder das Haus. Aber wenn Sie Aufträge erteilen, dann bitte ich um Folgendes:

Erstens. Lassen Sie doch einmal darüber nachdenken, wie Sie die teilweise selbst verursachten enormen Mindereinnahmen durch das Mautmoratorium abstellen. Die Addition der Mindereinnahmen von 2009 bis Mitte 2012 betragen überschlägig mehr als 500 Millionen Euro. Hier ist Handlungsbedarf, Herr Minister. Darauf komme ich noch zurück.

Zweitens. Lassen Sie doch bitte einmal darüber nachdenken, wie Sie eine Lkw-Maut auf allen Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen mit welchem technischen, mit welchem elektronischen System, ob nun mit Toll Collect oder nicht, realisieren können.

Drittens. Lassen Sie doch einmal darüber nachdenken, mit welchen rechtlichen Vereinbarungen Sie nach August 2015 mit Toll Collect oder anderen weiterarbeiten wollen.

Viertens. Lassen Sie doch einmal darüber nachdenken, wie Sie und vor allem wann Sie endlich die durch die EU-Wegekostenrichtlinie empfohlene Anrechnung externer Kosten des Straßengüterverkehrs auch in Deutschland im Rahmen der Nutzerfinanzierung einführen wollen. Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage haben Sie über all das bisher nicht nachgedacht. Denn auf unsere Frage, ob eine mögliche „Anlastung externer Kosten des Verkehrs Teil der Vertragsverhandlungen mit der Mautbetreiberfirma“ war, antwortet die Bundesregierung mit einem schlichten Nein.

Was mich beim Lesen Ihrer Antworten fassungslos gemacht hat, ist, dass Sie überhaupt keine Prognosezahlen haben, was denn wäre, wenn zum Beispiel alle Straßen bemautet werden. Dazu gibt es in Ihrem Haus keine Zahlen. Ich finde das abenteuerlich. Ich muss ganz ehrlich sagen: So wird die Fortentwicklung des Mautsystems von Ihnen ausgebremst. Wenn Sie am Ende dieser Legislaturperiode abtreten, sind das vier verlorene Jahre.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich möchte an dieser Stelle die Koalition wirklich darum bitten, im letzten Jahr vielleicht noch ein wenig Kraft aufzubringen, um bei der Frage der Infrastrukturfinanzierung endlich in die Spur zu kommen. Die Ausweitung der Maut, ob auf andere Fahrzeugklassen oder andere Strecken, ist bei Ihnen nicht gut aufgehoben. Die entsprechenden Voraussetzungen hierzu erfüllen Sie nicht. Die Koalition hat die Fortentwicklung des Mautsystems offenkundig gar nicht auf der Agenda. Außerdem haben Sie keine Prognosen zur Mautausweitung, kein Konzept und keine Idee für Kostengerechtigkeit. Damit haben Sie im Grunde die Zukunftsfragen dieser Republik in diesem Themenfeld missachtet. Greifen Sie dem Minister endlich ins Steuer, sofern Sie das noch können! Ansonsten fährt der Minister weiter in die falsche Richtung.

Der ADAC spottet: Populismus bayerischer Provinzpolitik. – Das ist das Ergebnis und die Summe dessen, was wir hier erfahren haben.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Hier finden Sie die entsprechende Anfrage und die zugehörige Antwort.