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Manfred Zöllmer (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab von der Bundesregierung mehrfach die Ankündigung, nun wolle man den Finanzmärkten endlich Daumenschrauben anlegen. Der Kollege Brinkhaus hat eben ja versucht, das noch einmal zu unterstreichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er nicht nur versucht, das hat er gemacht!)

‑ Er hat es versucht.

Mit der vorliegenden Richtlinie zu Banken- und Kapitaladäquanz können Sie in der Tat für sich in Anspruch nehmen, die Daumenschrauben mal vorgezeigt zu haben. Ob sie auch angelegt werden, wollen wir uns jetzt einmal gemeinsam anschauen.
Zuerst das Lob: Mit diesem Gesetzentwurf wird ein überfälliger Schritt gemacht, um Verantwortlichkeit zu stärken, Transparenz zu verbessern, einheitliche Standards zu implementieren und damit Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Der Kollege Brinkhaus hat das hier im Detail erläutert. Ich werde es mir schenken, auf Einzelheiten einzugehen, und nur einen Punkt ausführlicher mit Ihnen diskutieren, und zwar den Punkt Verbriefung.

Der grundlegende Ansatz, den Sie gewählt haben, den Investor in den Mittelpunkt der Regulierung zu stellen, ist richtig und nachvollziehbar. Wir begrüßen das. Denn er muss sich jetzt intensiv mit den Produkten auseinandersetzen und ein entsprechendes Risikomanagement implementieren. Ich hoffe, dass damit die Zeiten vorbei sind, in denen es in den USA hieß: Diese Produkte werden an ein paar „stupid Germans“ verkauft ‑ die würden alles nehmen.

Nun gibt es aber einen ganz wichtigen Dissens zwischen uns, den Sie auch schon angesprochen haben. Es geht dabei um den Selbstbehalt bei Verbriefungen. Sie haben eben erläutert, was Verbriefungen sind: Banken kaufen und verkaufen inzwischen Risiken. Dies hat bei der Finanzkrise als auslösender Faktor eine ganz wichtige Rolle gespielt. Verbriefungen und Wiederverbriefungen führten schließlich dazu, dass Bankvorstände nicht einmal die leiseste Ahnung davon hatten, was sie im Portfolio hatten. Sie hatten sich nur auf die Bonitätsnoten der Ratingagenturen verlassen. Und da die Ratingagenturen klotzig daran verdient haben, haben sie immer Bestnoten vergeben.

Nun hatten wir im Finanzausschuss eine Anhörung zu diesem Thema. Diese Anhörung hat sehr deutlich gemacht, dass der Vorschlag der Bundesregierung, bei der Verbriefung der Kredite einen Selbstbehalt von nur 5 Prozent vorzusehen, keine Verbesserung der Regulierung bedeuten würde; es wäre nur eine Festschreibung des Status quo.

(Beifall bei der SPD)

Die Sachverständige Frau Dr. Metzger vom Berliner Institut für Finanzmarktforschung brachte es in der Anhörung auf den Punkt, als sie formulierte, es gebe nur sehr wenige Verbriefungen, bei denen der Selbstbehalt des Forderungsverkäufers weniger als 5 Prozent betrage. Das bedeutet, wenn Sie einen Selbstbehalt von 5 Prozent im Gesetz festschreiben, dann gibt es keine Veränderung gegenüber der derzeitigen Praxis.

Sie haben eben deutlich gemacht, dass Sie die 5 Prozent nur für zwei Jahre festschreiben und dann auf 10 Prozent anheben wollen. Wenn aber 10 Prozent nach zwei Jahren nach Ihrer Auffassung die richtige Größe sind, Herr Brinkhaus, frage ich Sie, warum das jetzt nicht der Fall sein soll. Das können Sie nicht plausibel erklären.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Ansatz hat wohl mehr mit koalitionsinternen Problemen als mit ökonomischer Vernunft zu tun.

(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Schon wieder diese Leier! - Gegenruf des Abg. Dr. Carsten Sieling (SPD): Das ist doch wahr!)

- So dünnhäutig sind Sie inzwischen geworden? Das tut mir aber leid.

Man konnte nämlich im Vorfeld der Presse entnehmen, dass die CDU 5 Prozent und die FDP 10 Prozent wollte. Dann hat man sich offenkundig auf diesen Kompromiss mit der Zeitschiene verständigt. Kompromisse sind wichtig, doch dies ist offensichtlich ein fauler Kompromiss zulasten der Finanzmarktstabilität. Hier hat sich offenkundig die Finanzmarktlobby wieder einmal durchsetzen können.

Meine Damen und Herren, Daumenschrauben anlegen sieht anders aus. Wir als Sozialdemokraten beantragen 20 Prozent Selbstbehalt, weil wir nicht bereit sind, Praktiken zu unterstützen, die dazu geführt haben, dass ein ganzes Finanzsystem in Richtung Abgrund geführt wurde und nur mit Hilfe von Milliarden an Steuergeldern gerettet werden konnte. Dies ist nicht hinnehmbar, Herr Kollege Brinkhaus. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten.
(Zuruf von der FDP: Buh!)

Nächstes Stichwort: Basel III. Sie haben erläutert, was der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht macht. Ich stimme Ihnen zu: Es geht wirklich um den Kern einer angemessenen Regulierung, die die Stabilität der Finanzinstitutionen deutlich erhöht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir haben uns in unserem gemeinsamen Antrag darauf verständigt, die Bundesregierung aufzufordern, dafür zu sorgen, dass gemäß den G-20-Forderungen künftig jedes Produkt, jeder Akteur und jeder Finanzmarkt reguliert und einer Aufsicht unterstellt wird.

Bezüglich der Frage, ob es eine sogenannte Leverage Ratio, eine Schuldenbremse für Banken, geben soll, gibt es unterschiedliche Akzentuierungen. Ich glaube, es war richtig, dass wir in dem Antrag fordern, erst einmal die Ergebnisse abzuwarten und dann zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, ob eine solche Schuldenbremse für Banken als zusätzliches verpflichtendes und begrenzendes Element der richtige Weg ist. Das wird in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man alle Forderungen des gemeinsamen Antrages eins zu eins umsetzen würde, dann hätten wir den Finanzmarktakteuren in der Tat Daumenschrauben angelegt.

Der nächste Punkt ist die Finanzmarkttransaktionsteuer. Für uns Sozialdemokraten war es immer wichtig, die Verursacher der Krise auch an deren Kosten zu beteiligen. Verursacher sind die Spekulanten und Zocker, die das Finanzmarktkasino betrieben haben. Deshalb sollen sie herangezogen werden. Jedes Gut, das wir in Deutschland kaufen, ist mit einer Mehrwertsteuer belegt, nur Finanzprodukte sind es nicht. Finanzprodukte werden daher in Deutschland durch die Steuerfreiheit letztlich subventioniert. Riskante Finanzspekulationen haben uns in die Krise geführt, die dann nur mit Steuermitteln bekämpft werden konnte, und eine Subventionierung dieser Produkte ist zutiefst ungerecht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns deshalb sehr gefreut, dass Finanzminister Schäuble in einer Rede im Deutschen Bundestag deutlich gemacht hat, dass er eine solche Steuer jetzt auch europaweit durchsetzen will. Herr Kollege Brinkhaus, ich habe mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass Sie für die CDU/CSU-Fraktion erklärt haben, dass dies auch deutschlandweit, also national, eingeführt wird. Ich betone das extra für das Protokoll. Sie haben es jedenfalls hier so gesagt.
In der Anhörung ist deutlich geworden, dass es ein ganz wichtiges Signal wäre, wenn der Deutsche Bundestag eine solche Forderung parteiübergreifend unterstützen würde.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben alle Oppositionsfraktionen jeweils einen fast wortgleichen Antrag eingebracht, in dem sie die Aussage des Bundesfinanzministers bekräftigen und unterstützen. Nur die Koalitionsfraktionen haben keinen Antrag eingebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nicolette Kressl (SPD): Komisch!)

Was bedeutet das politisch? Der Minister steht im Regen. Es gibt keine Einigkeit zwischen den Regierungsfraktionen. Das ist leider die Realität der Politik dieser Bundesregierung: Streit und Konflikt, wohin man schaut. Vielleicht wird das Wort „Neustart“ zum Unwort des Jahres.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte überlegen Sie, ob Sie den Anträgen der Opposition zustimmen können. Es wäre ein wichtiges Signal, ein Signal der Unterstützung des Finanzministers und ein richtiges Signal in Richtung Finanzmärkte, dass wir die Daumenschrauben nicht nur vorzeigen, sondern sie ihnen auch anlegen wollen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)