Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ihnen vorgelegten Bundeshaushalt werden wichtige wirtschaftliche und politische Weichenstellungen getrof­fen. Wir sorgen in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs und hoher Steuereinnahmen dafür, dass die staatlichen Defizite nicht weiter ansteigen. Man kann dem Bundes­finanzminister zu diesem Bundeshaushalt nur gratulieren und sozusagen in sozialdemokratischer Freundlichkeit sagen: Sie sind wirklich ein wahrer Keynesianer. – Denn der Gedanke „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ steckt hinter dem Ganzen. Ich finde es wirklich ein groß­artiges Zeichen für unser Land, dass wir es schaffen, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Ich glaube, das sollte alle hier im Parlament freuen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Angesichts dessen, dass man dem Finanzminister zu diesem großen Erfolg wirklich gratulieren muss, möchte ich anmerken, dass die Grundlagen zu diesem Haushalt viele gelegt haben – die Bundeskanzlerin hat gestern schon darauf hingewiesen: Es sind vor allem Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die mit ih­rer Leistungsfähigkeit den wirtschaftlichen Aufschwungtragen, der uns zu diesen hohen Steuereinnahmen ver­hilft. Ohne die wirtschaftlichen Bemühungen, ohne das Engagement von Industrie und verarbeitendem Gewerbe, von Dienstleistungen, von Mittelstand, von kleinen Un­ternehmen und ohne den Tourismus nach Deutschland, der übrigens immer stärker wächst, wäre dies überhaupt nicht erreichbar.

Aber auch die Politik hat richtige Rahmenbedingun­gen gesetzt. Es begann unter SPD und Grünen, als sie den verhängnisvollen Weg anderer europäischer Länder, zu glauben, man müsse nur noch auf Finanzmärkte und Internet setzen und könne verarbeitendes und produzie­rendes Gewerbe und Industrie vernachlässigen, nicht mitgegangen sind. Das ist der Grund, warum wir heute in Deutschland besser dastehen als viele andere Länder in Europa. Wir sind ein Land, das nicht über Reindus­trialisierung reden muss. Das ist die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolges.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Aber auch andere Koalitionen haben mit ihrer Politik eine Menge dafür getan. Dass wir gemeinschaftlich in der letzten großen Koalition den Vorschlag einer Schul­denbremse des damaligen Finanzministers in die Verfas­sung aufgenommen haben, war richtig. Es zeigt sich, dass wir diese auch brauchen, um allen Versuchungen zu widerstehen. Auch die letzte Bundesregierung hat diesen Konsolidierungskurs und die Schuldenbremse im Blick gehabt und das Land wirtschaftlich leistungsfähig orga­nisiert. Noch einmal: Es ist ein Ergebnis vieler unter­schiedlicher Partner in Wirtschaft, Gesellschaft, Ge­werkschaften und auch hier im Hause. Deswegen sollte das Haus insgesamt, wie ich finde, stolz darauf sein, dass dieses Land diesen Konsolidierungskurs eingehalten hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ganz nebenbei: Es ist weder wirtschaftlich vernünftig noch sozial gerecht, wenn hart erarbeitete Steuergelder zu einem immer größeren Teil für Zinsen aufgewandt werden müssen. Wir konsolidieren den Haushalt aber nicht nur, sondern fahren zugleich die Investitionen hoch. Dass wir da noch besser sein könnten, ist völlig unstrittig

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Viel bes­ser! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Ihr Umverteiler!)

– viel besser; das ist keine Frage, Herr Kollege Bartsch –,aber dass wir in dieser Legislaturperiode 5 Milliarden Euro zur Stärkung der Verkehrsinfrastruktur und 9 Mil­liarden Euro mehr für Bildung und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, ist jedenfalls keine Kleinigkeit. Auch das ist, wie ich finde, bemerkenswert an diesem Haushalt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Mein Damen und Herren, mit den politischen Ent­scheidungen dieser Koalition sichern wir die Energie­wende und schützen zugleich industrielle Arbeitsplätze. Wir beleben mit dem Bundeshaushalt die Binnennach­frage und stärken die Tarifautonomie. Gute Löhne sind kein Zeichen der Schwäche, sondern sind ein Zeichen der Stärke unseres Landes. Wer Menschen nach jahr­zehntelanger Arbeit ohne Rentenkürzung in die Rente gehen lässt, der gefährdet nicht künftige Generationen, sondern benimmt sich schlicht anständig gegenüber den eigenen Eltern.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Weder gute Löhne noch gute Renten sind etwas, für das sich das Land schämen muss. Sie sind Zeichen des Zu­sammenhalts und der Gerechtigkeit in unserem Land.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Rentenniveau sinkt!)

– Dass es Menschen gibt, deren Renten nicht ausreichen, ist kein Argument dafür, dass Ihre Fraktion dagegen stimmt, Menschen nach 45 Versicherungsjahren ohne Abzüge in die Rente gehen zu lassen. Eigentlich müssten Sie dafür sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir beide können ja einmal Leute besuchen, die 45 Jahre Schichtarbeit hinter sich haben, und Sie erklä­ren ihnen, warum Sie Rentenabzüge für gerechtfertigt halten. Das können wir einmal machen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie das mal den Er­werbsgeminderten!)

– Die Erwerbsminderungsrente verbessern wir in diesem Haushalt übrigens auch.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erklären Sie das mal den Er­werbsgeminderten!)

– Sie scheinen sich ja getroffen zu fühlen. Das verstehe ich. Aber Sie brauchen einfach nur zuzustimmen, dann nimmt die Betroffenheit ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, nicht ich fühle mich getroffen, sondern die Leute!)

Etwas mehr als 100 Tage nach dem Amtsantritt be­weist die Bundesregierung mit diesem Haushalt Hand­lungsfähigkeit. Noch wichtiger ist: Die Menschen stehen hinter den zentralen Projekten dieser Regierung. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wollen solide Haushalte und abnehmende Verschuldung. Die Bürge­rinnen und Bürger stehen mit überwältigender Mehrheit hinter dem Mindestlohn, ebenso hinter der abschlags­freien Rente nach 45 Beitragsjahren. Sie stehen ebenso hinter der Anerkennung von Erziehungsleistungen der Mütter bei der Rente, wie sie es richtig finden, dass wir mehr Geld für Kindertagesstätten, Bildung und Hoch­schulen ausgeben.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Noch mehr!)

Unsere Bürgerinnen und Bürger wollen auch eine bes­sere Finanzausstattung der Kommunen. Sie wollen die Energiewende, aber eine Energiewende, die nicht mehr im Treibsand politischer Verantwortungslosigkeit ver­sinkt und nicht mehr im Nebeneinander und Gegenei­nander von Interessen- und Lobbyistengruppen feststeckt,sondern politisch vorangetrieben wird, eine Energie­wende, die uns wieder Planungs- und Versorgungs­sicherheit gibt und bei der Kostenexplosionen nicht ignoriert werden.

Alle diese Forderungen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes finden Sie in der Politik dieser Regie­rung während der ersten drei Monate und auch im Bun­deshaushalt wieder. Sicher: Viele Fragen sind noch of­fen, nicht alles ist fertig. Wie sollte es das auch sein? Aber nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt hat diese Regierung inzwischen mehr geleistet als andere Regie­rungen in einer vollen Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh!)

– Sie konnten diese Erfahrung nicht machen, weil Sie noch in keiner Regierung waren; aber dafür sorgen Sie ja ständig selber.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hauptsache, das bleibt auch so! –Volker Kauder [CDU/CSU]: Das bleibt so!)

– An mir soll es nicht liegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Über den Rest, Herr Kollege Kauder, reden wir dann aber auch noch einmal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kom­pass, der uns leitet, ist die soziale Marktwirtschaft, nicht eine angeblich neu definierte, sondern die alte und im­mer noch aktuelle Idee, dass sich Arbeit für alle lohnen soll, dass Leistung und Solidarität ebenso zusammenge­hören wie Freiheit und Verantwortung. Nach mehr als zwei Jahrzehnten öffentlicher Diskreditierung hat sich die soziale Marktwirtschaft wieder als das eigentliche deutsche Erfolgsmodell herausgestellt. Jetzt wollen wir dafür sorgen, dass diese soziale Marktwirtschaft für die Menschen in unserem Land wieder etwas bedeutet. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen sich unternehmerisches Engagement und Selbstständigkeit lohnen, damit der Mittelstand seine Innovationskraft und Flexibilität erhalten und die Globalisierung nutzen kann. Deshalb wollen wir starke Gewerkschaften und Arbeit­geberverbände, die gute Löhne und gute Arbeitsbedin­gungen aushandeln. Aber weil das in den letzten Jahr­zehnten oft anders war, wollen wir Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, auch vor Altersarmut in ei­nem reichen Land schützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards und Karl Schillers ist unsere eigentliche Stärke. Wer sie unter dem Etikett „neu“ abschaffen will, der wird, glaube ich, in unserem Land scheitern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Pro­gnosen für unser Land sind gut. Die Zunahme der Aus­rüstungsinvestitionen und eine deutlich gestiegene Bin­nennachfrage sind dafür verantwortlich. Mit den im Haushalt des Wirtschaftsministeriums veranlagten Pro­grammen wie dem Zentralen Innovationsprogramm Mit­telstand oder der Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ fördern wir diese Entwicklung. Beide Programme beinhalten übrigens nach wie vor ei­nen starken Förderanteil für die ostdeutsche Wirtschaft, was angesichts der immer noch existierenden Struktur­schwäche der ostdeutschen Bundesländer auch wichtig ist.

Aber es gibt auch Risiken für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Eines davon ist natürlich der Konflikt um die Ukraine. Ich jedenfalls glaube, dass es richtig ist, der russischen Regierung und dem russischen Präsidenten klarzumachen, dass Europa mehr ist als irgendeine öko­nomische Zweckgemeinschaft. Aber ich finde es ge­nauso richtig, dass die Bundeskanzlerin und allen voran der Bundesaußenminister sich darum bemühen, jede Möglichkeit zur Deeskalation zu nutzen.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)

Das Gegenteil, Spekulieren über Militärstärke oder stän­diges Rufen nach Wirtschaftssanktionen, befördert je­denfalls weder die Entwicklung des Friedens in Europa noch die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und im Rest Europas.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich finde, es ist eine kluge Politik, auf der einen Seite zu zeigen, dass wir uns unsere Werte nicht abkaufen lassen, und auf der anderen Seite immer wieder Einladungen, zu Verhandlungen zurückzukehren, auszusprechen.

In unserem Land stehen wir aber auch vor genügend Schwierigkeiten und Herausforderungen. Das ist der Fachkräftemangel, und das ist die Energiepolitik. Wir haben in Deutschland ein weltweit einmaliges Experi­ment begonnen, nämlich die Transformation unserer Energieversorgung vom fossilen und nuklearen Zeitalter in das Zeitalter erneuerbarer Energien. Keine Frage, wir sind mit 25 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt und Hunderttausenden neuen Arbeits­plätzen in diesem Bereich sehr erfolgreich auf dem Weg. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir die Komplexität der Herausforderungen unterschätzt haben.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie vielleicht, wir nicht! – Gegen­ruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: O Gott, alles immer richtig gemacht!)

– Ich kann niemanden zwingen, sein eigenes Handeln zu überprüfen. Das müssen Sie selbst tun.

Dass alle Parteien, die dafür waren, die Erneuerbaren auszubauen – dazu gehört Ihre Partei genauso wie meine, Herr Hofreiter –, „je schneller, desto besser“ und nicht „je planbarer, desto besser“ als Leitmotiv hatten, war ein Fehler in der Vergangenheit. Das sollten wir auch offen sagen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das Herrn Seehofer, das mit der Planungssicherheit!)

Nicht „je schneller, desto besser“ ist richtig, sondern „je planbarer und berechenbarer, desto besser“.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie Herrn Seehofer? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Planen Sie überhaupt?)

Diese Bundesregierung hat die Politik der letzten Jahre nur zum Teil zu verantworten. Wenn wir heute feststel­len, dass die Stabilität der Netze von den Übertragungs­netzbetreibern unter Hinzurechnung von Kernkraftwer­ken im Ausland, die wir seit Jahren abgeschaltet sehen wollen, sichergestellt wird, dann müssen wir zugeben, dass es ein Problem in der Art unserer Energiewende gibt.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich gibt es große Pro­bleme!)

Wer da wegschaut und erklärt: „Alle anderen sind schuld“, und nicht erkennt, dass er selber einen Teil zur Neustrukturierung beitragen muss, wird für Planbarkeit und Berechenbarkeit nicht sorgen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Problem ist zu lösen!)

Das zu ändern, dem dient das neue Erneuerbare-Ener­gien-Gesetz mit berechenbaren Ausbaukorridoren, neu justierter und durchaus auch gekürzter Förderung und Schritten hin zur Marktintegration auf dem Weg zu Aus­schreibungen. Ich bin sehr froh, dass alle Bundesländer, unabhängig von der jeweiligen politischen Konstella­tion, also nicht nur die Länder, die von Parteien regiert werden, die die Bundesregierung tragen, erklärt haben, dass sie diesen Weg für richtig halten und dieses Gesetz im Bundesrat nicht aufhalten werden. Das ist ein großer Fortschritt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dass wir zeitgleich die Gespräche mit der EU-Kom­mission zu einem erfolgreichen Abschluss bringen und die deutsche Wirtschaft vor unzumutbaren Belastungen schützen konnten, ist nicht irgendein Nebeneffekt, son­dern die Voraussetzung dafür, dass wir die Unterstützung in der Bevölkerung für die Energiewende behalten. Wer glaubt, die Gefährdung Hunderttausender Industrie­arbeitsplätze habe keine Auswirkungen auf die Unter­stützung der Energiewende, irrt sich gewaltig. Nur wenn wir zeigen, dass industrieller Erfolg, Klimaschutz und Energiewende zusammenpassen, erhalten wir in unserer Bevölkerung die Zustimmung. Nur dann bekommen wir im Ausland Unterstützung für unseren Weg. Wir wollten doch beispielhaft sein und keinen deutschen Sonderweg gehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Damit deutlich wird, dass wir hier nicht über Indus­trielobbyismus von irgendwelchen Großkonzernen reden, sondern über das Überleben vieler Mittelständler, möchte ich ein paar Beispiele nennen. Eine Papierfabrik mit 250 Mitarbeitern zahlte bisher 65 000 Euro an EEG-Um­lage. Nach Auffassung der EU-Kommission hätte das auf über 400 000 Euro steigen sollen. Ein Unternehmen der Verpackungsindustrie zahlte bisher 135 000 Euro und sollte nun 1,5 Millionen Euro zahlen. Beide Unterneh­men hätten ihre Finanzkraft in den kommenden Jahren nicht mehr in die Entwicklung ihrer Unternehmen und erst recht nicht in gute Löhne stecken können, sondern wären gezwungen gewesen, Programme zur massiven Kostensenkung aufzulegen. Die Zeche hätten die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen gezahlt. Diese wären uns für die Energiewende mit Sicherheit verloren gegangen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auch in der Industrie sieht es nicht anders aus. Ein Chemieunternehmen zahlte bisher bereits 735 000 Euro EEG-Umlage und sollte nach Auffassung der EU-Kom­mission in Zukunft 15 Millionen Euro jährlich zahlen. Das Unternehmen hätte schlicht das Land verlassen müssen, wenn es nicht seine wirtschaftliche Existenz hätte einstellen wollen. Nur diese wenigen Beispiele – von denen gibt es Dutzende; nach den ersten Vorschlä­gen der Kommission hätte es Hunderte davon gegeben – machen deutlich: Was wir hier geschafft haben, ist nicht die Sicherung von nur ein paar großen Unternehmen, sondern von vielen Hundert mittelständischen Unterneh­men in unserem Land. Das war dringend geboten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Was in den 80er- und 90er-Jahren die Arbeitskosten waren, sind in Zukunft Energie- und Rohstoffkosten. Diese bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit dieses Lan­des. Das war der Grund, warum wir monatelang um den Erhalt der Arbeitsplätze gerungen haben. Ich danke aus­drücklich – ich sage es einmal in der umgekehrten proto­kollarischen Reihenfolge – dem nicht anwesenden Chef

 

des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, und der deut­schen Bundeskanzlerin, dass sie uns nachdrücklich und von Anfang an unterstützt und begleitet haben. Ohne die Zusammenarbeit in der Regierung wäre das mit Sicher­heit nicht gelungen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Jetzt wird eingewandt, den Preis dafür zahle der Ver­braucher. Dazu muss man wissen, dass von den 450 000 deutschen Unternehmen gerade 2 000 eine teilweise oder völlige Befreiung erhalten. Die Wirtschaft insge­samt trägt mit mehr als 7 Milliarden Euro fast genauso viel zur EEG-Umlage bei wie die privaten Verbraucher. Wenn wir nun die gesamte Befreiung für die deutsche Wirtschaft aufgegeben hätten – manche haben das gefor­dert –, würde sich die Entlastung eines Dreipersonen­haushalts bei circa 40 Euro im Jahr bewegen. Einmal ab­gesehen davon, dass Sie hier in Berlin im Zweifel weit mehr sparen können, indem Sie den Stromanbieter wechseln: Was hilft es uns eigentlich, wenn wir 40 Euro pro Haushalt sparen, aber diejenigen, die den Haushalt durch ihr Erwerbseinkommen finanzieren, zu Hundert­tausenden ihren Arbeitsplatz in Deutschland verlieren?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Außerdem lenkt die Debatte von dem eigentlichen Problem ab. Die Debatte über die Verteilung der EEG-Umlage lenkt von dem Problem ab, dass sie inzwischen zu einer massiven Belastung geworden ist. Wir können doch nicht so tun, als ob die Steigerung der EEG-Um­lage in den letzten Jahren kein Problem gewesen wäre. Das hat vielmehr etwas mit mangelnder Berechenbarkeit zu tun, und das hat etwas mit mangelnder Planung zu tun. Deswegen glaube ich nicht, dass die Industriebefrei­ungen das Problem sind, sondern eine in den letzten Jah­ren drastisch gestiegene EEG-Umlage. Deswegen müs­sen wir diese Entwicklung jetzt durchbrechen, und die ersten Schritte dafür haben wir getan.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sicher, vieles fehlt noch. Der Netzausbau geht zu langsam voran, der Emissionshandel in Europa liegt am Boden. Deswegen haben wir in Deutschland viel zu hohe Braunkohleemissionen. Wir brauchen ein neues Strommarktdesign, und wir müssen dringend die Frage nach der Zukunft des konventionellen Kraftwerksparks und der Stadtwerke beantworten. All das steht jetzt auf der Tagesordnung.

Eine der großen Herausforderungen der Energie­wende bleibt dabei die Steigerung der Energieeffizienz. Seit Jahren reden wir von ihrer Verdoppelung, und seit Jahren schaffen wir das nicht. Auch wenn der Energie- und Klimafonds in diesem Haushalt steht, er ist wegen des am Boden liegenden Emissionshandels unsicher und viel zu gering ausgestattet. Gerade im Bereich der Ein­sparung von Wärme, Raumwärme und Warmwasser, lie­gen eigentlich die großen Chancen für Verbraucher und Wirtschaft. Deshalb werden wir in den kommenden Jah­ren hier wesentlich mehr schaffen müssen. Investitionen in die Energieeffizienz sind genauso wichtig wie Zukunftsinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur. Auch wenn wir in diesem Haushalt erste Schritte nach vorne machen –

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Wo steht das?)

– lesen Sie ihn einfach, dann werden Sie es merken –,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

die Investitionen, die wir tätigen, gerade im Bereich der Energieeffizienz, sind wesentlich zu gering.

Wer diese Herausforderung kennt, ärgert sich übri­gens vor allen Dingen über diejenigen, die sich der Soli­darität in unserem Land für solche Aufgaben entziehen, indem sie zwar alles mitnehmen, was das Gemeinwesen zu bieten hat, aber für Steuergerechtigkeit nur Hohn und Spott übrig haben. Der erste Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit ist nicht die Erhöhung des Spitzensteuersat­zes, sondern, dafür zu sorgen, dass die, die in diesem Land eigentlich Steuern zahlen müssten, es auch tatsäch­lich tun.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Damit das auch von meiner Seite aus einmal klar ge­sagt wird: In dieser Legislaturperiode wird es nicht nur, weil es in unserem Koalitionsvertrag steht, keine Steuer­erhöhung geben, sondern auch, weil es kein Mensch in Deutschland verstehen würde, wenn wir angesichts spru­delnder Steuereinnahmen öffentlich erklärten, wir hätten zu wenig und müssten die Staatseinnahmen erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der SPD)

– Ich hoffe, Sie von der Union klatschen gleich auch noch.

(Heiterkeit bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das kommt darauf an!)

Was aber auch niemand versteht, ist, dass wir in ei­nem Gemeinwesen wie Europa seit Jahren tatenlos zuse­hen, dass jeder Bäckermeister in Deutschland höhere Steuersätze zahlt als große multinationale Unternehmen, nur weil sie sich in Europa eine Steueroase aussuchen können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Da haben wir gar kein Problem! Super!)

Mit Blick auf die kommende Europawahl sage ich: Ich glaube, dass eine zentrale Aufgabe ist, dem entgegenzu­wirken.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuergerechtigkeit! – Volker Kauder [CDU/CSU], zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Ihr müsst noch lernen, wir haben es kapiert!)

– Herr Kauder, damit Ihnen Ihr Lachen bleibt, erspare ich Ihnen den Hinweis darauf, wie unterschiedlich sich die beiden Spitzenkandidaten zu dieser Frage positionie­ren.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, kann man ruhig drüber reden!)

– Der eine hat das Modell, das ich kritisiere, zum Ge­schäftsmodell seines Landes gemacht, und der andere will es verändern.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über Steuergerechtigkeit reden und wenn wir über mehr Mittel reden, die wir für die Infrastruktur, für Energieeffizienz und Bildung brauchen, dann müssen wir dafür sorgen, dass Schritt für Schritt dort, wo die Wertschöpfung entsteht, auch Steuern gezahlt werden, und wir müssen verhindern, dass große Konzerne durch Verschiebung ihres Sitzes in Steueroasen innerhalb der Europäischen Union nicht einmal 10 Prozent Steuern zahlen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns das vorneh­men, dann werden wir es auch schaffen, die in allen Tei­len des Hauses als problematisch angesehene kalte Pro­gression auch wirklich zu beseitigen. Vor der Wahl haben Sie Vorschläge zur Beseitigung der kalten Pro­gression gemacht. Wir haben gesagt: So etwas machen wir nur, wenn die Steuern erhöht werden. Jetzt haben wir sozusagen fast die umgekehrte Lage. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir es nicht schafften, auch im Zusammenhang mit dieser Debatte in Europa nach Lösungen zu suchen, die berechtigte Kritik des DGB-Vorsitzenden an der kalten Progression aufzugreifen und dafür Sorge zu tragen, dass die Binnennachfrage gestärkt wird. Ich glaube, dass uns das im Laufe der Legislatur­periode gelingen muss. Wir werden dazu jedenfalls be­reit sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es bleibt also genug zu tun: Investitionen in die Infra­struktur, Fachkräftemangel, Energieeffizienz, Energie­wende und immer wieder der Erhalt der Wettbewerbsfä­higkeit auch in einer digitalen Ökonomie. Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt und auch mit den Debat­ten, die wir um solche schwierigen Themen wie Energie­effizienz, Steuergerechtigkeit und kalte Progression füh­ren, in dieser Legislaturperiode einen ersten Schritt tun.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)