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Manfred Zöllmer (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzmarktjongleure haben uns die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beschert. Wir müssen uns noch einmal vor Augen führen, dass im Spätsommer 2008 das internationale Finanzsystem kurz vor dem Zusammenbruch stand.
Ursache der Krise war die Marktgläubigkeit der meisten Wirtschaftswissenschaftler und die Gier vieler Manager in dieser Branche. Geld sollte mit Geld verdient werden, und zwar mit Wetten. 1980 betrug das weltweite Bruttoinlandsprodukt 10,1 Billionen Dollar, die globalen Finanzanlagen 12 Billionen Dollar. 2007 betrug das globale BIP 55 Billionen Dollar, die Finanzanlagen 197 Billionen Dollar.
Daraus geht eines ganz klar hervor: Wir können es diesen Wissenschaftlern und Managern nicht überlassen, diese Krise zu bewältigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Aufgabe ist es jetzt, vom Pumpkapitalismus zur nachhaltigen Marktwirtschaft zu kommen. Es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass solch eine Katastrophe noch einmal passiert.
(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Rot-Grün hat das erst ermöglicht!)
Dabei ist es ganz entscheidend, dass die Lasten der Krise fair verteilt werden. Das heißt, wir müssen in besonderem Maße die Verursacher dieser Krise zur Kasse bitten, und wir müssen Leitplanken für die Finanzmärkte einziehen. Denn es ist ein Skandal, dass zwar der Bau jeder Kleingartenlaube in Deutschland festen Bestimmungen unterliegt und klar geregelt ist, die Finanzmärkte aber unreguliert funktionieren sollen.
(Beifall bei der SPD – Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! Teile sind doch reguliert!)
Inzwischen ist das Finanzmarktsystem stabilisiert, aber nicht reformiert. Wir müssen fragen, warum das so ist. Frankreichs Präsident Sarkozy hat gerade in Davos gelobt, die Perversion des Finanzkapitalismus auszurotten. Ich habe jetzt erfahren, dass die Bundeskanzlerin auch dort war. Nun gut, gehört haben wir von ihr nichts.
(Joachim Poß (SPD): Nein, nur von Herrn zu Guttenberg und Herrn Brüderle!)
‑ Ja, so ist es. Das ist eben typisch für diese Bundesregierung.
Was macht diese Bundesregierung? Diese Frage stellt man sich ja.
(Frank Schäffler (FDP): Was habt ihr denn elf Jahre gemacht?)
Sie redet. Sie findet Vorschläge bedenkenswert. Sie äußert Sympathie für dieses und jenes. Charmante Idee, hörte man. Immer gibt es auch jemanden aus der Regierung, der genau die gegenteilige Meinung äußert. Nichts ist geschehen.
(Beifall bei der SPD ‑ Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Wer hat denn hier den Finanzminister elf Jahre gestellt?)
‑ Ich will noch einmal deutlich sagen: Ohne unseren Finanzminister hätten wir ein riesiges Problem. Sie leben doch heute noch von dem, was Peer Steinbrück damals in die Wege geleitet hat.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der FDP)
Im Koalitionsvertrag finden sich die üblichen Widersprüche. Unter der Überschrift „Der Weg aus der Krise“ folgen dann Maßnahmen von der steuerlichen Klientelbeglückung von Hoteliers bis zu einer Escape-Klausel, mit der die Unternehmen beglückt werden. Nach der Kreativwirtschaft auf Seite 53 des Koalitionsvertrages kommen einige allgemeine Aussagen zu den Finanzmärkten. Das war es dann.
Genau so ist auch die Politik dieser Bundesregierung: Reden ja, Handeln nein. Man versteckt sich hinter den anderen G-20-Ländern; man läuft hinter ihnen her.
Wir Sozialdemokraten haben konkrete Vorschläge gemacht. Ergebnis war: Diese Vorschläge wurden abgelehnt. Es wurde im Übrigen bei der Debatte hier deutlich, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, was zu tun und was zu lassen ist. Es überwiegt die Strategie, Handeln an internationale Gremien zu delegieren.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Das ist überhaupt nicht wahr! Sie haben nicht zugehört!)
Es gibt genügend Vorschläge, was zu tun wäre. Es sind einige genannt worden, zum Beispiel der Vorschlag, den Risikopuffer durch eine größere Eigenkapitalunterlegung der Banken zu vergrößern und damit die Verantwortung der Kapitaleigner zu stärken. Aber Sie dürfen nicht nur allgemeine, sondern müssen auch konkrete Vorschläge machen. Sie müssen die Zahl der Eigengeschäfte der Banken reduzieren, klare gesetzliche Beschränkungen bei Boni und Gehaltszahlungen vornehmen und dürfen nicht nur allgemeine Regelungen erlassen. Über Rettungsfonds haben wir bereits diskutiert.
Leider muss man feststellen, dass bei diesen Fragen der Regulierung der Finanzmärkte und den notwendigen Maßnahmen zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Krise die Liste der Themen, bei denen die Bundesregierung Chaos und Vielstimmigkeit verbreitet, um einen weiteren Punkt ergänzt wird. Da verkündet der CSU-Generalsekretär, man sei für eine Spekulationssteuer. Die Bundesjustizministerin von der FDP plädiert für verschärfte Haftungsregelungen für Manager und Banker im Zivilrecht, will aber von der CSU-Forderung nach Einführung einer Spekulationssteuer nichts wissen. CSU-Chef Seehofer spricht sich für eine internationale Transaktionsteuer aus. Die Bundeskanzlerin sagt, das sei eine charmante Idee.
(Joachim Poß (SPD): Chaos bei Schwarz-Gelb!)
Finanzminister Schäuble sagt: Die Tobin-Steuer ist tot. Der bayerische Finanzminister Fahrenschon sagt, eine solche Bankenabgabe sei prinzipiell auch in Deutschland vorstellbar. Die Justizministerin will von diesem Vorschlag nichts wissen. Der Kollege Schäffler will von alldem nichts wissen; das haben wir inzwischen mehrfach erlebt. Dann kommt der Finanzminister und verkündet, er wolle nun eine Sonderabgabe für Banken installieren. Sehr schön! Dann hören wir hier vom Kollegen Dautzenberg, dass es doch konkrete Überlegungen zumindest in der CDU-Fraktion gebe.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): In der CDU/CSU-Fraktion, bitte schön!)
Von der Bundesregierung ist nur dieser vielstimmige Chor, dieses Chaos zu vernehmen. Wir müssen bereits nach 100 Tagen dieser Wunschkoalition leider einen Grad an Lähmung und Stillstand konstatieren, wie er in 16 Jahren schwarz-gelber Kohl-Ära festzustellen war,
(Beifall bei der SPD)
und all das in der größten Krise der Nachkriegszeit. Diese Regierung hat kein Konzept. Diese Regierung hat keine Strategie. Man wünscht sich, dass diese Bundesregierung nicht nur auf bereits fahrende Züge nach Bedarf aufspringt, sondern selbst den internationalen Diskussionsprozess mitgestaltet. Hierzu ist leider kein Ansatz erkennbar.
Obamas Stabschef, Rahm Emanuel, hat einmal gesagt: „Regel Nummer eins: Verschwende nie eine Krise; sie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun.“ Ich muss feststellen: Diese Bundesregierung ist dabei, die Krise zu verschwenden.
(Beifall bei der SPD)