Der Ausschuss habe daraufhin am 18. Juni einen entsprechenden Beschluss gefasst, der Grundlage für die Untersuchung sein wird. Ihm sei es vor allem darauf angekommen, dass „erstens das Parlament bestimmt, wer die Person ist. Zweitens der Untersuchungsausschuss festlegt, mit welchem Auftrag die Vertrauensperson tätig wird und drittens, dass die Person dem Untersuchungsausschuss umfassend Bericht erstattet.“ Der Untersuchungsausschuss behalte sich weitere Ermittlungsmaßnahmen vor, doch zunächst gebe es eine belastbare Geschäftsgrundlage zwischen Bundesregierung und Untersuchungsausschuss zur Arbeit der Vertrauensperson. Flisek wies darauf hin, dass er auch – bisher erfolglos - versucht habe, die Opposition „mit ins Boot zu holen“.

 

Ehemaliger Bundesverwaltungsrichter soll Selektorenlisten einsehen

In der Obleuterunde am 1. Juli wurde Dr. Kurt Graulich als geeignete Person, die für den Untersuchungsausschuss die Selektorenlisten einsehen soll, vorgeschlagen. Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht sei bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, berichtete Flisek. Graulich sei deshalb fachlich sehr gut geeignet, da er beim Bundesverwaltungsgericht langjährig dem 6. Senat angehörte, der sich auch mit dem Recht der Nachrichtendienste befasst. Zudem gelte er als „kritischer Geist“, der viele Aufsätze und Kommentare zum Thema verfasst habe und entsprechende wissenschaftliche Reputation genieße. Er solle im Sommer Einblick in die Selektorenlisten nehmen und dem Untersuchungsausschuss nach der Sommerpause seine Erkenntnisse berichten.

Kurt Graulich solle Zugang zu allen Selektoren erhalten und bei denen, die in der Zuordnung unklar seien, Unterstützung durch BND-Mitarbeiter bekommen, erläuterte Flisek. Denn es gelte auch zu klären, wie die Selektoren auf die Liste kamen und welche Bedeutung sie haben. Graulich solle als unabhängige und sachverständige Person weisungsfrei tätig werden. Seine Einsetzung durch die Bundesregierung erfolge nur formal und habe keinen Einfluss auf seine Berichterstattung gegenüber dem Ausschuss.

Ausspionieren französischer Präsidenten überrascht nicht mehr

Über die Wikileaks-Veröffentlichungen, die kürzlich öffentlich machten, dass die US-amerikanische National Security Agency (NSA) offensichtlich auch die drei französischen Präsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und Francois Hollande abgehört habe, könne „man nicht mehr überrascht sein“, sagte der SPD-Obmann. Es erinnere an die Überwachung des Handys der Bundeskanzlerin. Auch die Reaktion der USA auf das bekanntgewordene Ausspionieren von Frankreich sei sehr ähnlich wie die damalige Reaktion der Amerikaner nach Bekanntwerden des Abhörens von Angela Merkel: „Es gibt gegenwärtig keine Spionage gegen den Präsidenten, und es wird auch in Zukunft keine Spionage geben – ohne Aussage zu dem was war.“ Das sei eine implizite Bestätigung, so Flisek.

Die Tatsache, dass auch französische Unternehmen Abhörziele waren, lege zudem den Verdacht nahe, dass von US-Seite Wirtschaftsspionage betrieben worden sei.
Ebenso ist durch die neuen Wikileaks-Veröffentlichungen bekannt geworden, dass Verhandlungen über No-Spy-Abkommen zwischen Frankreich und den USA im Jahr 2010 scheiterten. In diesem Zusammenhang sei interessant, „ob Ronald Pofalla (CDU-Kanzleramtschef von 2009 bis 2013, die Red.) als „Motor“ eines deutsch-amerikanischen No-Spy-Abkommens davon gewusst hat“, betonte Flisek. Dazu werde er im Untersuchungsausschuss Pofalla befragen.

Anja Linnekugel