SPD-Fraktion: BND reformieren und parlamentarische Kontrolle stärken
Der SPD-Obmann machte deutlich, dass es seiner Fraktion darauf ankomme, Konsequenzen aus der NSA-Affäre nicht erst am Ende der Legislaturperiode im Bericht des Ausschusses zu formulieren, sondern noch in dieser Legislaturperiode die notwendigen Reformen gesetzlich zu verankern. „Als einzige Fraktion im Bundestag hat die SPD im Juni dazu Eckpunkte vorgelegt, wie die Auslandsaufklärung auf eine effektive und verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Grundlage gestellt werden kann“, betonte Flisek. Dabei gehe es nicht nur darum, für die Auslandsfernmeldeaufklärung eine Rechtsgrundlage zu schaffen, sondern auch unter Berücksichtigung von Artikel 10 des Grundgesetzes (Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses) strenge normative Vorgaben zu machen, unter welchen Voraussetzungen eine Überwachung durchgeführt werden darf. Außerdem will die SPD-Fraktion einen besonderen Schutz für EU-Bürgerinnen und Bürger erreichen und jede Beteiligung an Wirtschaftsspionage verbieten. Die Kontrolle der Fernmeldeaufklärung des BND soll durch die G10-Kommission erfolgen, die für diese Aufgabe auch personell gestärkt werden muss. „Wir können nicht immer nur auf die USA zeigen, sondern sollten selbst mit klaren rechtlichen Regelungen international ein starkes Signal geben“, sagte Flisek.
Darüber hinaus haben die Abgeordneten der SPD im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig ist, Vorschläge entwickelt, wie das Gremium schlagkräftiger werden kann. Dafür sei ein „Ständiger Bevollmächtigter“ vorgesehen, der als „verlängerter Arm“ des PKGr die strukturelle Kontrolle der Nachrichtendienste gewährleisten soll, erläuterte Flisek. Der Bevollmächtige soll darüber hinaus an der Spitze des Personals von PKGr und G10-Kommission stehen, das mindestens zwei Dutzend qualifizierte Mitarbeiter umfassen soll. „Der Ständige Bevollmächtige ist kein Geheimdienstbeauftragter“, unterstrich Flisek, sondern er sei dem PKGr gegenüber weisungsgebunden und erstatte nur dem Gremium Bericht: „Damit bleiben die Abgeordneten im vollen Umfang für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verantwortlich.“
Sowohl die Eckpunkte zur Reform der Auslandsaufklärung als auch die Stärkung des PKGr befinden sich in der Abstimmung mit der Union. Dazu gibt es auf Arbeitsebene bereits Gespräche mit dem Bundeskanzleramt. Ziel der SPD-Fraktion sei es, so Flisek, zum Jahresende ein Gesetzespaket zu den Nachrichtendiensten zu schnüren, das ihre Vorschläge möglichst umfassend berücksichtige.
Graulich will Ausschuss zur Selektorenliste im November informieren
Kurt Graulich, der seit Juli als unabhängige und sachverständige Vertrauensperson im Bundeskanzleramt Einblick in die Selektorenliste des Bundesnachrichtendienstes erhält, habe die Sommermonate genutzt, um sich intensiv in die komplexe Materie einzuarbeiten, berichtete Flisek: „Dass Herr Graulich kritisch und unabhängig ist und sich nicht instrumentalisieren lässt, hat er mit seinem Aufsatz zur Vorratsdatenspeicherung erst kürzlich bewiesen.“ Der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht war auf Vorschlag des Parlaments von der Bundesregierung für diese Aufgabe eingesetzt worden. Aufgrund der Ergebnisse eines Konsultationsverfahrens mit den USA hatte die Bundesregierung entschieden, den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses selbst keinen Einblick in die Liste zu gewähren. Diese so genannte Selektorenliste enthält unzulässige Suchmerkmale, die der US-amerikanische Nachrichtendienst NSA im Rahmen einer Kooperation mit dem BND zur Terrorismusbekämpfung in dessen Überwachungssysteme eingespeist haben soll. Darunter sollen sich Telefonnummern, E-Mail- und IP-Adressen von Unternehmen und europäischen Regierungen befinden. Graulich prüfe die Liste, um eine umfassende Analyse und Einordnung der Selektoren vornehmen zu können, sagte Flisek. Seine Bewertung werde er dem Ausschuss am 5. November mitteilen. Flisek plädierte dafür, dass dies so weit wie möglich öffentlich erfolge.
Ab Oktober soll Ausschuss zu Komplex „Geheimer Krieg“ ermitteln
Der SPD-Obmann sprach sich außerdem dafür aus, dass sich der NSA-Untersuchungsausschuss ab Oktober mit dem Untersuchungskomplex „Geheimer Krieg“ befassen solle. Dabei soll der Ausschuss laut Einsetzungsbeschluss des Deutschen Bundestages insbesondere folgenden Fragen nachgehen:
- Haben US-amerikanische Stellen auf deutschem Staatsgebiet oder von diesem ausgehend Telekommunikationsüberwachungen, Festnahmen oder gezielte Tötungen durch Kampfdrohneneinsätze durchgeführt oder veranlasst?
- Welche Erkenntnisse lagen Stellen des Bundes zu welchem Zeitpunkt hierüber gegebenenfalls vor?
- Waren deutsche Stellen an der Vorbereitung oder Durchführung derartiger Maßnahmen gegebenenfalls in irgendeiner Form beteiligt oder haben sie gebilligt?
- Welche Reaktionen auf solche Erkenntnisse waren gegebenenfalls geboten und welche wurden ergriffen?
Anja Linnekugel