Equal Pay: Diskriminierungsformen haben sich verheimlicht

Christel Humme, gleichstellungspolitische Sprecherin, ist es leid: Jedes Jahr aufs Neue beklagen Menschen deutschlandweit den deutlichen Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern. Geändert hat sich seit dem Ersten Equal Pay Day im Jahr 2008 nichts. Prof. Heide Pfarr, frühere Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, erstellte schon 1980 für die Regierung Helmut Schmidt eine Studie zur geschlechtsspezifischen Entgeltdiskriminierung. Nach über dreißig Jahren sagt sie: „Seither haben sich die Diskriminierungsformen verheimlicht. Gleichzeitig hat sich die Rechtslage folgenlos verbessert.“


Kein Unternehmen beseitigt freiwillig Lohnungleichheit

Wie also das rechtlich verankerte Entgeltgleichheitsgebot in die Praxis umsetzen - das Entgeltgleichheitsgesetz der SPD-Bundestagsfraktion, das Ende Mai in den Bundestag eingebracht wurde, ist die Antwort darauf. „Wir müssen mit dem Gesetz eine breite Basis schaffen für Transparenz: Wie wird bezahlt? Wie sind die Strukturen in den Unternehmen?“, sagt Christel Humme. Denn die Erfahrung zeige: „Niemand macht das freiwillig.“ Das sei unter anderem daran abzulesen, dass nur wenige Betriebe vom freiwilligen Lohnmessverfahren LogibD des Bundesfrauenministeriums Gebrauch machten.

Aufwertung von typischen Frauenberufen - mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn

Die schlechte Entlohnung von Frauen manifestiert sich vor allem in typischen Frauenberufen. Um hier etwas zu ändern, glaubt Heide Pfarr an den Effekt eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Die Geschichte der Erwerbstätigkeit habe gezeigt: Dringen Männer in Frauenberufe, steigen die Löhne. Dringen Frauen in Männerberufe, sinkt die Reputation. „Es läuft also über Geld.“ Deshalb werde ein gesetzlicher Mindestlohn auf die Aufwertung von typischen Frauenberufen erheblich wirken - „und zwar nicht nur für die ganz unten“, sondern für alle Berufe, in denen vor allem Frauen zu finden seien.
Die ungleiche Behandlung von Frauen zieht sich aber auch an anderen Stellen wie ein roter Faden durch den Arbeitsmarkt. So trifft auch prekäre Beschäftigung vor allem Frauen: in Minijobs ebenso wie in schlecht bezahlter Teilzeitarbeit. Auch hier will die SPD-Bundestagsfraktion Gerechtigkeit herstellen. Dazu gehört eine Reform der Minijobs, denn längst hat sich die Befürchtung der SPD-Frauen bewahrheitet: Dass Minijobs Frauen ins berufliche Abseits manövrieren – und ein Befreiungsschlag aus der Beschäftigungsfalle nur selten möglich ist.

Von der Leyen ist gleichstellungspolitisch ein Ausfall

Über die von der Bundesregierung geplante Anhebung der Minijobgrenze auf 450 Euro kann die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, nur den Kopf schütteln. Zwar habe Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) neuerdings die Bekämpfung der Altersarmut als Thema entdeckt. Gleichzeitig bringe sie den Gesetzentwurf zur Ausweitung der Minijobs auf den Weg. „Daran kann man merken, dass sie es nicht ehrlich meint und dass sie gleichstellungspolitisch ein Ausfall ist“, so Marks.


Reform der Minijobs: SPD will Arbeit wieder sozial absichern

Anders als die Bundesregierung will die SPD-Bundestagsfaktion die geringfügige Beschäftigung eindämmen und wieder für sozial abgesicherte Arbeit sorgen. Eine Projektgruppe des SPD-Parteivorstands arbeitet deshalb gegenwärtig gemeinsam mit der Bundestagsfraktion Lösungsvorschläge für eine Reform der geringfügigen Beschäftigung aus. „Wir wollen die Minijobs zunächst einschränken, aber die Abschaffung bleibt das Ziel. Jeder und jede sollte die Chance auf ein Einkommen haben, das existenzsichernd ist“, sagte Humme. Denn natürlich wollen auch Frauen finanziell auf eigenen Beinen stehen.

Keine neuen Ungerechtigkeiten

Damit Frauen überhaupt ungehindert am Arbeitsmarkt teilhaben können, müssen noch dicke Brocken aus dem Weg geräumt werden: Ein Hindernis auf dem Weg zur Gleichstellung ist das Ehegattensplitting, das, wie Caren Marks anmerkte, vor allem gut verdienende Alleinverdienerhaushalte bevorzuge. Die SPD wolle deshalb eine Individualbesteuerung einführen, dabei die Unterhaltsansprüche der EhepartnerInnen wahren und früher geschlossene Ehen von der Neuregelung ausnehmen.
Die Ökonomin Heide Härtel-Herrmann ist ebenfalls der Ansicht: „Das Ehegattensplitting muss komplett abgeschafft werden. Es muss eine Individualbesteuerung her.“ Doch fordert die Inhaberin des Frauenfinanzdienstes hier einen radikalen Wechsel: ohne Vertrauensschutz und ohne Anrechnung der Unterhaltsansprüche. „Sonst ändert sich in dreißig Jahren noch nichts.“
Christel Humme hält den Bestandschutz von Alt-Ehen allerdings schon aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten, aber nicht nur: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht neue Ungerechtigkeiten schaffen. Es gab Lebenssituationen und Rahmenbedingungen für Frauen, wo die Berufstätigkeit nicht so einfach war.“