Mit breiter Mehrheit hat die Bundesversammlung Frank-Walter Steinmeier (SPD) für weitere fünf Jahre als Bundespräsident bestätigt. Mit 1045 Stimmen erhielt er am Sonntag die erforderliche Mehrheit der Delegierten aus Bund und Ländern. SPD, Grüne, FDP und auch die Union hatten sich für seine Wiederwahl ausgesprochen. Der von der AfD ins Rennen geschickte Max Otte sowie die beiden übrigen Gegenkandidaten, Stefanie Gebauer (Freie Wähler) und der von der Linkspartei aufgestellte Bewerber Gerhard Trabert, galten somit als chancenlos.

In seiner Rede benannte Steinmeier klar das Thema, für das er sich in den kommenden Jahren weiter einsetzen will: die Demokratie.

„Nichts leuchtet heller als die Idee der Freiheit und Demokratie in den Köpfen und Herzen der Menschen“, sagte der Bundespräsident. Er werde überparteilich sein. „Aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Demokratie geht. Wer für die Demokratie streitet, der hat mich auf seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben.“

Die rote Linie verläuft bei Hass und Gewalt

Der Auseinandersetzung mit radikalen und gewaltbereiten Gegnern der Corona-Politik will er nicht aus dem Weg gehen. „Denen, die Wunden aufreißen, die in der Not der Pandemie Hass und Lügen verbreiten, die von „Corona-Diktatur“ fabulieren und sogar vor Bedrohung und Gewalt nicht zurückschrecken, gegen Polizistinnen, Pflegekräfte und Bürgermeister, denen sage ich: Ich bin hier, ich bleibe“, kündigte Steinmeier an.

Er werde als Bundespräsident keine Kontroverse scheuen, Demokratie brauche Kontroverse, so Steinmeier. „Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land“, sagte Steinmeier. Er warnte davor, die Herausforderungen für die Demokratie zu unterschätzen. „Gegner der Demokratie, von außen und von innen, säen in der Pandemie Zweifel an unserer Handlungsfähigkeit und unseren Institutionen, an der freien Wissenschaft, den freien Medien.“

Steinmeier betonte aber auch: „Die Pandemie hat tiefe Wunden geschlagen in unserer Gesellschaft. Und ich möchte dabei helfen, diese Wunden zu heilen“. Nach zwei Jahren Pandemie gebe es Frust und Gereiztheit. Es habe Fehler und Fehleinschätzungen gegeben.

„Aber, meine Damen und Herren, man zeige mir ein autoritäres System, das besser durch diese Krise gekommen wäre.“ Der entscheidende Durchbruch im Kampf gegen die Pandemie, die rasche Impfstoff-Entwicklung, sei in der freien Wissenschaft in Deutschland, mit Partnern in Europa und den USA geschehen.

Klarer Appell an Putin

Mit Blick auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine richtete sich Steinmeier direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt“, sagte Steinmeier und fügte hinzu: „Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!".

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte in ihrer Eröffnungsansprache zur Wahl des Bundespräsidenten dazu aufgerufen, angesichts der vielen aktuellen Krisen  nicht den Mut zu verlieren. Nicht alle Krisen ließen sich einfach lösen. „Sie dürfen aber erwarten, dass ich uns Mut mache - und das mache ich aus vollster Überzeugung.“

Bas verwies auf die gesellschaftlichen  Spannungen infolge der Corona-Politik, auf den Klimawandel und auf die Krise um die Ukraine. „Machen wir uns klar, dass Furcht nicht  weiterhilft", sagte Bas. Das Zusammentreten der Bundesversammlung  und die Wahl des neuen Staatsoberhaupts zeigten:  „Unser Staat  funktioniert auch in schwieriger Zeit."

Bärbel Bas wirbt für Respekt für andere Meinungen

Bas warb für einen zivilisierten Ton in der politischen Debatte. Jeder dürfe seinen Unmut äußern, etwa gegen die Corona-Politik oder gegen als unzureichend empfundene Klima-Maßnahmen - dies müsse aber  immer mit Respekt für andere Meinungen erfolgen. „Wer sich an das Recht hält, darf demonstrieren - aber wer sich selbst ein eigenes Recht schafft, das Recht auf die alleinige Wahrheit, der setzt sich ins Unrecht“, sagte die Bundestagspräsidentin.

Bas beendete ihre Rede mit einem Appell: „Halten wir zusammen! Suchen wir das Verbindende! Setzen wir da an, wo wir etwas bewegen können - jede und jeder von uns, zusammen mit dem Staatsoberhaupt, das zu wählen jetzt die Aufgabe aller Anwesenden ist.“

Der 17. Bundesversammlung gehören 1472 Mitglieder an. Sie ist die größte parlamentarische Versammlung in der Bundesrepublik. Das Gremium tritt in der Regel nur alle fünf Jahre zusammen, ihre einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts. Der Versammlung gehören die 736 Abgeordneten des Bundestags sowie die gleiche Anzahl von Vertretern der Länderparlamente an.

Steinmeiers zweite Amtszeit beginnt formell am 19. März.