Am 28. Juni 1914 wurden der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie Opfer eines Attentats im damals österreichischen Sarajewo in Bosnien-Herzegowina. Was folgte waren eine Reihe von Kriegserklärungen und der bis dahin umfassendste Krieg der Geschichte, der rund 17 Millionen Menschen das Leben kostete.
In Frankreich bleibe der Erste Weltkrieg immer „La Grande Guerre“ (Der Große Krieg), wichtiger noch als der Zweite Weltkrieg, sagte Alfred Grosser in seiner Rede. Deshalb gebe es auch eine wesentlich größere Erinnerungskultur an dieses Ereignis, während in Deutschland die Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt stehe. „Wenn ein Franzose einem Ausländer die Bedeutung des Ersten Weltkrieges für Frankreich zeigen möchte, braucht er ihn nur auf irgendeinen Friedhof in irgendeinem Dorf in Frankreich zu führen.“ Auf den Denkmälern dort stünden unendlich lange Listen mit den Namen der Gefallenen, die des Zweiten Weltkrieges seien wesentlich kürzer. Dabei gebe es in der französischen Erinnerung nur wenige Bezüge auf den Sieg. „Die Trauer war immer allgegenwärtig.“
Erst totale Niederlage führte zu einem anderen Deutschland
Grosser wurde 1925 als Sohn deutsch-jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Die Familie emigrierte 1933 nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nach Frankreich. Alfred Grosser ist seit 1937 französischer Staatsbürger und kämpfte im Zweiten Weltkrieg in der französischen Widerstandsbewegung.
In seiner Rede lobte Grosser die Überwindung des Militarismus in Deutschland und verglich die verschiedenen Entwicklungen Deutschlands nach den beiden Weltkriegen. Die
Besonderheit Deutschlands vor 100 Jahren sei im Vergleich zu anderen Ländern der große Platz des Militärs in der Gesellschaft gewesen, sagte er. Erst der Ausgang des Zweiten Weltkrieges habe Deutschland grundlegend verändert. „Der Unterschied zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg ist, dass die totale Niederlage von 1945 ein total anderes Deutschland hervorgebracht hat.“
Auch die deutsch-französische Freundschaft konnte sich nur entwickeln, weil die Bundesrepublik von Anfang an ein völlig anderer Staat gewesen sei als das Deutschland Adolf Hitlers. Im Unterschied zu 1918 hätten zudem viele Franzosen nach 1945 eingesehen, dass es nicht „die“ Deutschen gab und Beziehungen schnell wieder aufgebaut. Grosser selbst hat sich unmittelbar nach Kriegsende für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt. Er habe relativ früh erkannt: „Eine Kollektivschuld – so zahlreich auch die Mörder und so schwerwiegend auch die Verbrechen waren – gab es nicht.“