BILD: Wie konn­te SPD-Kanz­ler­kan­di­dat Stein­brück ein sol­cher Fehl­start pas­sie­ren?​

Frank-Wal­ter Stein­mei­er: Die­ses Ge­re­de ist doch Un­sinn. Na­tür­lich hat sich vor al­lem Peer Stein­brück den Start an­ders vor­ge­stellt. Doch man­cher Vor­wurf aus den Re­gie­rungs­par­tei­en ist wirk­lich un­ver­schämt. Das zeigt nur, wie ner­vös die sind. Peer Stein­brück hat auf Hel­ler und Pfen­nig al­les of­fen ge­legt. Sei­ne Kri­ti­ker aus Uni­on und FDP ha­ben fei­ge ge­knif­fen, als wir die­se Re­geln für al­le Ab­ge­ord­ne­ten be­schlie­ßen woll­ten.​

BILD: Vor­trä­ge für 1,25 Mil­lio­nen Eu­ro, Gra­tis-Fahr­ten mit der Bahn - vi­ele SPD-An­hän­ger fin­den das frag­wü­dig ...​

Stein­mei­er: Ich er­le­be et­was an­de­res. Die Ver­an­stal­tun­gen mit Stein­brück sind voll. Sein Buch ver­staubt im Ge­gen­satz zu an­de­ren Po­li­ti­ker­bü­chern nicht in den Re­ga­len. Die Men­schen wol­len wis­sen, was er zu sa­gen hat. Das zei­gen auch die über 240 Ver­an­stal­tun­gen in Bür­ger­zen­tren, Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten, bei de­nen er selbst­ver­ständ­lich ho­no­rar­frei Po­li­tik er­klärt hat.​

Und um das al­les und noch viel mehr un­ter ei­nen Hut zu brin­gen, ha­ben al­le Ab­ge­ord­ne­ten ei­ne Jah­res­kar­te der Bahn. Un­se­ren An­hän­gern sa­ge ich: Lasst uns über die wirk­lich wich­ti­gen Din­ge re­den, näm­lich darüber, wie wir Deutsch­land fit ma­chen für die Zu­kunft. Da hat die Re­gie­rung Mer­kel rein gar nichts zu bie­ten.​

BILD: Sie kann aber gu­te Wirt­schafts- und Ar­beits­markt­da­ten vorweisen.​

Stein­mei­er: Aber sie macht schlech­te Po­li­tik! Der Ver­trau­ens­ver­lust in Schwarz-Gelb ist im­mens, wie so­gar in­ter­ne Re­gie­rungs­stu­di­en zei­gen. Es ist ei­ne Schan­de, dass Schwarz-Gelb es nicht ge­schafft hat, trotz Re­kord­steu­er­ein­nah­men ei­nen aus­ge­gli­che­nen Haus­halt vor­zu­le­gen. Das wä­re das ein­zig rich­ti­ge Wahl­ge­schenk ge­we­sen!​

Vor­sor­ge für die Zu­kunft fin­det nicht statt. Statt­des­sen wer­den Mil­li­ar­den für das un­sin­ni­ge Be­treu­ungs­geld aus­ge­ge­ben – nur weil der Pol­ter­geist der Ko­ali­ti­on, CSU-Chef Horst See­ho­fer, das so will. Dass CDU und FDP die­se bil­dungs­po­li­ti­sche Ka­ta­stro­phe mit­tra­gen, ist ein Skan­dal.​

BILD: Die Popularität der Kanzlerin als Managerin der Euro-Kise ist aber unge brochen ...​

Steinmeier: Ich komme gerade aus Brüssel. Die Spatzen pfeifen es dort schon von den Dächern: Griechenland braucht wieder Geld, und zwar noch in diesem Monat. Nur Merkel und ihr Finanzminister Schäuble tun so, als wüssten sie von nichts.​

Diese Herumtrickserei schadet Europa und anständig mit den Menschen in Deutschland ist es auch nicht. Die haben es aber verdient, dass ihre Regierung ehrlich zu ihnen ist. Diese Woche ist Haushaltsdebatte. Da muss die Wahrheit auf den Tisch. Wir wol len endlich wissen, welche Belastungen auf Deutschland noch zu kommen!​

BILD: Am Ende stimmt die SPD doch sowieso wieder zu …​

Steinmeier: Die entscheidende Frage lautet, ob Frau Merkel für ihre Kehrtwen den und Täuschungen noch eine eige ne Mehrheit in der Koali tionbe kommt. Die Kröten, die die schwarz-gelben Truppen schlucken müssen, werden ja immer größer. Und alle roten Lini­en, die sie aus geg ben hat, hat sie drei Monate später überschritten. Wir haben deshalb immer unabhängig entschieden. Dabei blei­ben wir auch.​

BILD: Die SPD setzt im Wahl kampf voll auf Rot-Grün. Er warten Sie von Ihrem Wunschpartner, dass er ein Bündnis mit der Uni­on von vornherein ausschließt?​

Steinmeier: Ich formuliere keine Erwartungen an die Grünen. Aber Deutschland ist heute stark, weil Rot-Grün den Mut zu Reformen hatte, den andere nicht hatten. Rot-Grün ist ein Erfolgsmodell. Das wissen auch die Grünen und deshalb wollen wir es wiederholen. Außerdem bin ich ganz sicher: Die grüne Basis will mit dieser CDU nichts zu tun haben.​

BILD: Die Hamas beschießt Tel Aviv mit Raketen.  Steht die SPD fest an der Seite Israels?​

Steinmeier: Israel hat jedes Recht, sein Territorium und seine Bevölkerung gegen den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zu schützen. Die neuerliche Eskalation der Gewalt zeigt aber auch, wie dringend wir einen neuen Anlauf im Nahostfriedensprozess brau­chen.  ​

Mit den Veränderungen in großen Teilen der arabischen Nachbarschaft ist Israels Lage nicht einfacher geworden; die Gefahr, dass aus regional begrenzter Gewalt ein nicht beherrschbarer Flächenbrand im gesamten Nahen und Mittleren Os en wird, ist ungleich größer als früher!

​BILD: Soll­te Deutsch­land Pa­tri­ot-Ra­ke­ten an die tür­kisch-sy­ri­sche Gren­ze schi­cken?​

Stein­mei­er: Die Tür­kei hat als Na­to-Part­ner An­spruch auf Un­ter­stüt­zung, wenn ihr Staats­ge­biet und sei­ne Men­schen an­ge­grif­fen und ernst­haft be­droht sind. Ob das der Fall ist, darf in der hoch­ge­fähr­li­chen La­ge im Na­hen und Mitt­le­ren Os­ten nicht leicht­fer­tig ent­schie­den wer­den. Es darf­ kein Öl ins Feuer gegossen werden. Des­halb soll­te die Bun­des­re­gie­rung in die­ser heik­len Fra­ge nicht in der Öf­fent­lich­keit her­um­schwa­dro­nie­ren. Son­dern sie muss ge­gen­über dem Bun­des­tag of­fen­le­gen, wel­che An­for­de­run­gen der Tür­kei vor­lie­gen und wie sie eine Sta­tio­nie­rung in der Gesamtlage be­ur­teilt. Nur der Bun­des­tag kann dies dann ver­ant­wort­lich ent­schei­den.