Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung: Herr Oppermann, finden Sie Angela Merkel sympathisch?

Thomas Oppermann: Die Frage habe ich mir noch nie gestellt. Ich komme aber mit ihr persönlich gut zurecht.

Ihr Parteichef Sigmar Gabriel lobt, dass Merkel als „Gegenbild zu Christian Wulff“ keine „Sucht nach Öffentlichkeit und dem scheinbaren Glamour der Welt der Reichen“ zeige. Das sei ihm sympathisch. Dann macht die Kanzlerin doch alles richtig, oder?

Nein. Das wäre eine optische Täuschung. In einer schlechten Regierung kann auch eine mittelmäßige Kanzlerin stark erscheinen.

Aber Dreiviertel der Bevölkerung attestieren Merkel, sie mache einen guten Job. Die SPD stagniert trotz Wulff-Affäre und Euro-Krise bei Umfragen oder verliert sogar.

Hartes Holz wächst langsam. Wir sind von 23 Prozent im Herbst 2009 gekommen und kontinuierlich gestiegen. Jetzt liegen wir bei 30 Prozent, und ich bin zuversichtlich, dass wir in den verbleibenden zwei Jahren die Zustimmung weiter ausbauen.

Bekommt die Wulff-Affäre durch die Razzia bei dessen langjährigem Vertrauten Olaf Glaeseker eine neue Wendung?

Ja. Nach den ausweichenden Antworten der Landesregierung ermittelt jetzt die Justiz. Das Trauerspiel um Christian Wulff wird wohl nicht so schnell beendet sein.

Glaeseker wird der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Organisation des Nord-Süd-Dialogs in Hannover verdächtigt. Schirmherr der Mega-Party war Wulff. Ist es vorstellbar, dass er von den Machenschaften nichts wusste?

Es ist bedrückend, wenn der engste Vertraute des Bundespräsidenten jetzt unter dem Verdacht der Bestechlichkeit steht. Ich vertraue auf die Justiz, dass sie diesen schlimmen Verdacht restlos aufklärt. Über mögliche Weiterungen möchte ich nicht spekulieren.

Sehen Sie Parallelen zwischen den Vorwürfen gegen Glaeseker und Wulff?

Herr Glaeseker wollte wohl wie sein Chef auch mal kostenlos Urlaub machen.  Beide haben jedes Gefühl dafür verloren, was erlaubt ist.

Muss es in Niedersachsen einen Untersuchungsausschuss geben?

Jetzt ist erst einmal der Staatsanwalt am Zug. Der Untersuchungsausschuss bleibt ultima ratio.

Ein schwacher Bundespräsident kann der Kanzlerin aber eigentlich nur lieb sein.

Kurzfristig schadet Christian Wulff der Kanzlerin vielleicht nicht. Aber mittelfristig wird es – wie schon die Affäre Guttenberg – das Verhältnis der Union zu den werteorientierten Wählern stark belasten.

Dafür könnte die Regierungschefin bei linken Wählern mit der von ihr neuerdings befürworteten Einführung der Finanztransaktionssteuer im Euroraum punkten.

Nein. Der Gipfel-Aktionismus der Kanzlerin zeigt in der Euro-Krise bislang keinerlei dauerhaften Erfolg. Damit kann sie bei Niemandem punkten. Wenn Merkel sich jetzt für die Finanztransaktionssteuer ausspricht, ist das ein wichtiger politischer Erfolg der SPD. Wir kämpfen seit dem Ausbruch der Krise dafür. Eine Steuer auf Finanzgeschäfte gibt den demokratischen Staaten die Möglichkeit, ihre Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, Wachstumsprogramme zu finanzieren und die Schuldenkrise zu bewältigen. Das ist von enormer Bedeutung. Bloße Lippenbekenntnisse helfen dabei nicht weiter. Die Kanzlerin muss jetzt liefern. Sie kann sich nicht wegducken: Wenn Frau Merkel wirklich will, sind wir jederzeit bereit, die Finanztransaktionssteuer mit der Union zu beschließen.

Sie erwarten, dass die Kanzlerin ihren Koalitionspartner übergeht?

Dazu dürfte es nicht kommen, weil die FDP am Ende einknicken wird. Sie hat nicht die Kraft und nicht das Recht, als Zwei-Prozent-Partei eine von der großen Mehrheit der Deutschen befürwortete Finanztransaktionssteuer zu blockieren. Aus Angst vor Neuwahlen ist die FDP in der Koalition gefangen und der Union hilflos ausgeliefert.

Im Saarland hat die CDU-Ministerpräsidentin dem FDP-Koalitionspartner einfach den Stuhl vor die Tür gesetzt. Damit rechnen Sie in Berlin nicht?

Verdient hätte es die FDP in Berlin auch. Aber: Angela Merkel fehlt hierzu der Mut, weil sie ein rot-grüne Mehrheit nach Neuwahlen fürchten muss. Ich rechne damit, dass Merkel sich an die Macht klammert und die Koalition bis 2013 hält.

Nach dem Bruch der Jamaika-Koalition in Saarbrücken sah es zunächst nach dem Eintritt der SPD in eine große Koalition aus. Nun gibt es Neuwahlen. Was ändert das?

Nach so einer missglückten Regierung ist es gut, dass jetzt die Wähler das Wort haben. Sie können entscheiden, wer Ministerpräsidenten wird.

Aber es wäre gut möglich, dass am Ende doch eine große Koalition unter Führung der CDU herauskommt. Können Sie dazu nach den Erfahrungen im Bund raten?

Wir kämpfen dafür, dass Heiko Maas Ministerpräsident wird.

Wäre nicht Rot-Rot mit einer derzeit eher schwachen Linkspartei eine denkbare Alternative?

Lafontaine legt eine Leimspur aus. Aber in Wirklichkeit ist die Linke weder gewillt noch fähig, im Saarland Regierungsverantwortung zu übernehmen.