Herr Oppermann, wäre ein Elfmeterschießen auch für die Politik eine feine, weil spannende Sache?
Glückwunsch an die Mannschaft! Deutschland hat mit einer großartigen Leistung gegen starke Italiener verdient gewonnen, auch wenn ein Elfmeterschießen immer ein Glücksspiel ist. Das hat aber in der Politik nichts zu suchen.
Wenn die DFB-Nationalmannschaft jetzt schon den „Italien-Fluch“ besiegt hat müsste es doch auch der SPD irgendwann mal gelingen, den Merkel-Fluch zu besiegen. Was fehlt dem Team Gabriel dazu noch?
Weder Italien noch Frau Merkel ist ein Fluch, sie ist unsere Bundeskanzlerin, die SPD hat sie mitgewählt. Aber natürlich ist es unser Ziel, Frau Merkel nach dieser Wahlperiode abzulösen und die Regierung nicht nur inhaltlich sondern auch personell zu führen. Dafür sehe ich auch gute Chancen. Die Parteienlandschaft verändert sich: Bei der Wahl 2013 hat die Union noch fast die absolute Mehrheit der Mandate erreicht. Jetzt liegt sie bei rund 30 Prozent …
… und die SPD bei rund 20.
Ja, aber ich habe schon den Eindruck, dass sehr viele Menschen in diesem Land ganz nah bei den Positionen der Sozialdemokraten sind. Da ist ein großes Potenzial. Wir müssen es schaffen, diese Menschen davon zu überzeugen, dass wir ihre Interessen am besten vertreten können und nicht Frau Merkel.
Wackelt Merkel noch nicht genug?
Innerparteilich steht sie unter großem Druck. Eine Menge Abgeordnete der Union, besonders aus der CSU folgen ihr nur noch zähneknirschend. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob Angela Merkel wieder als Kanzlerkandidatin der Union antritt.
Die Union steht für ein Einwanderungsgesetz nicht bereit. Die SPD will es unbedingt, auch noch trotz der Koalition in diesem Herbst im Bundestag. Wollen Sie es im Bundestag wirklich wissen und über ein Sachthema eine alternative Mehrheit zur Union suchen?
Mit einem Einwanderungsgesetz können wir die Einwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern besser steuern. Das wäre ein Segen für unser Land und es würde die Asylverfahren entlasten. Ich bedauere sehr, dass bei CDU und CSU noch keine klare Haltung existiert und sie das Einwanderungsgesetz deswegen auf die lange Bank schieben. Wir werden in der zweiten Jahreshälfte einen Gesetzentwurf vorlegen und so den Druck auf unseren Koalitionspartner erhöhen.
Wäre eine ernsthaft betriebene Machtalternative Rot-Rot-Grün auch demokratie-praktisch angemessen, schließlich ist Angela Merkel für manche jetzt schon so ein Dauerprodukt wie vor einiger Zeit Helmut Kohl?
Demokratie lebt vom Wechsel. Aber wir werden die Koalition nicht vorzeitig aufkündigen und uns vom Acker machen. Es ist wichtig, dass wir in dieser schwierigen Zeit eine stabile Regierung stellen. Und die Koalition hat sich auch für den Rest der Wahlperiode wichtige Projekte wie die Neuregelung der Leiharbeit und die Besserstellung von Menschen mit Behinderungen durch das Teilhabegesetz vorgenommen. Erst 2017 werden die Karten neu gemischt.
Gilt die Koalitionsräson auch für den Bundespräsidenten?
Für die Wahl des Bundespräsidenten haben wir im Koalitionsvertrag keine Regeln getroffen. Wir werden deshalb mit allen Parteien reden.
Wie wichtig wäre das Signal, wenn sich die größeren Parteien auf einen Konsenskandidaten bei der Gauck-Nachfolge verständigten? Muss der oder die gut reden können?
Ich finde es gut, wenn sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger vom Bundespräsidenten gut repräsentiert fühlen. Das sollte unser Ziel sein. Da geht es weniger um Parteipolitik als um die Person. Die Kraft des Wortes ist das zentrale Mittel eines Bundespräsidenten, deswegen sollte er oder sie gut mit Worten umgehen können und auch etwas zu sagen haben.
Ist die Wunschvorstellung von einer möglichst breiten direkten Demokratie durch die Brexit-Abstimmung dauerhaft entzaubert worden?
In Großbritannien herrscht jetzt Katerstimmung. Die Brexit-Befürworter haben in einer aufgeheizten Debatte uneinlösbare Versprechungen gemacht. Nicht allen war klar, wofür sie stimmen. Das ist aber eher ein Problem einer aufgeheizten, ins populistische abgleitenden Debatte und nicht der direkten Demokratie. Die Debatte um den Brexit sollte für uns eine Mahnung sein, politische Fragen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu diskutieren und die Idee der europäischen Einigung zu schützen. Auch in Deutschland werden innenpolitische Defizite oft in populistischer Art und Weise auf Europa geschoben.