Schwarz-Gelb trat 2009 an als „bürgerliche“ Koalition. CDU, CSU und FDP posierten als Repräsentanten des leistungsorientierten Bürgertums. Die Fassade fiel schnell in sich zusammen: Regierungschaos, Klientelpolitik, Steuerprivilegien, FDP-Parteileute, die ohne jede Scham reihenweise Staatsämter als Beute kassieren. Und eine große Scheinheiligkeit, wo es um Anstand und Moral geht. Dieses Muster zeigt sich jetzt wieder in der Debatte um die Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Zuerst spuckten die Generalsekretäre große Töne, Peer Steinbrück müsse alle Einkünfte aus seinen Reden offen legen, dann aber fiel auf, dass Union und FDP schon die Verschärfung der Transparenzregeln durch Rot-Grün, die heute gelten, 2005 abgelehnt hatten. Noch 2010 hat sich Schwarz-Gelb unserem Vorstoß widersetzt, die über 7.000 Euro hinausgehenden Nebeneinkünfte genauer erkennbar zu machen. Die Scheinheiligen von Schwarz-Gelb werden wir uns jetzt zur Brust nehmen.
Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften verschärfen
Wir schlagen diese Woche eine weitere Verschärfung der Offenlegungspflichten vor: Alle Nebeneinkünfte sollen in den konkreten Summen und mit den konkreten Auftraggebern oder Vertragspartnern gemeldet werden, und zwar nicht nur dem Bundestagspräsidenten, sondern öffentlich einsehbar für jeden, der es wissen will. So kommen auch Nebenverdienste von 300.000, 400.000 oder 500.000 Euro auf den Tisch. Doch wen wundert’s: Union und FDP mauern wieder, weil es um ihre eigenen Leute geht, die den Schatten suchen und das Licht der Öffentlichkeit scheuen.
Im Übrigen, um Scheinheiligkeit und Täuschung geht es auch bei der Serie von erschlichenen Doktortiteln in den Reihen von CDU, CSU und FDP. Der Betrüger zu Guttenberg ist nur einer von zwölf Fällen, die in den letzten Jahren bekannt wurden. Zum Fall Guttenberg sagte Wissenschaftsministerin Annette Schavan: „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich.“ Heute muss sie Fragen zu ihrer eigenen Doktorarbeit beantworten, der ein von der Universität Düsseldorf bestellter Gutachter eine durchgehende Täuschungsabsicht bescheinigt. Sie sollte es rasch und rückhaltlos tun.
Strompreise – Merkel: „No risk, no fun.“
Wie Angriffe von Schwarz-Gelb auf SPD und Grüne nach hinten los gehen, zeigt auch die Auseinandersetzung um steigende EEG-Umlage und Strompreise. Rot-Grün soll die Schuld an den heutigen Preissprüngen zugeschoben werden. Das soll wohl von dem beispiellosen energiepolitischen Versagen der Regierung Merkel ablenken. Tatsache aber ist, was Bundesumweltminister Altmaier am Wochenende zugab: „Das EEG hat zehn Jahre gut funktioniert.“ Richtig, anders wäre die erfolgreiche Markteinführung der Erneuerbaren Energien, die heute einen Anteil von 25 Prozent ausmachen, gar nicht möglich gewesen. Durch die schwarz-gelbe Planlosigkeit allerdings sind die Probleme entstanden. Die Entlassung Röttgens durch Merkel war rabiat, aber kein Zufall. Nur hat das nicht viel gebracht. Das Chaos in der Bundesregierung treibt die Energiepreise nach oben. Ein Beispiel: Die Befreiung energieintensiver Betriebe von der EEG-Umlage, die im internationalen Wettbewerb stehen. Unter Rot-Grün waren ursprünglich rund 400 Betriebe befreit. Heute sind es bereits doppelt so viele und für 2013 haben sogar über 2.000 Unternehmen einen Antrag auf Befreiung gestellt. Schwarz-Gelb hat ein industriepolitisch sinnvolles und von uns gezielt eingesetztes Instrument massiv ausgeweitet, überdehnt und diskreditiert. Viele Unternehmen nehmen diese Ausnahmen heute zu Unrecht in Anspruch. Weder sind sie energieintensiv, noch stehen sie im internationalen Wettbewerb. In den Medien kursieren täglich die absurdesten Beispiele – von Bäckereien bis zu Golfplätzen. Solche mit der Gießkanne breit ausgeteilten Subventionen lassen die EEG-Umlage erheblich steigen. Sie tragen zur Verteuerung für den privaten Verbraucher bei. Darunter sind Menschen mit geringem Einkommen besonders verwundbar. Für sie sind die prognostizierten 60 Euro mehr im Jahr kein Pappenstiel. Die Angst vor Überlastung wächst.
Merkel hat darauf bei einer CDU-Veranstaltung am Wochenende nur eiskalt geantwortet: „no risk, no fun!“ – Merkels Spaß an einem Strompreisrisiko, das sie selbst heraufbeschworen hat, wird kaum jemand mitempfinden, der betroffen ist. Nicht die deutsche Industrie, die für Hunderttausende hochwertiger Arbeitsplätze steht. Nicht die Arbeitnehmer, die auf jeden Euro achten müssen. Wir sagen: Strom darf kein Luxusgut werden, nur weil sich eine Kanzlerin den Luxus der wirtschaftlichen und sozialen Verantwortungslosigkeit leistet!
Bundesregierung bleibt energiepolitisch unbelehrbar
Schwarz-Gelb ist energiepolitisch unbelehrbar. Das galt schon zu Oppositionszeiten, als CDU, CSU und FDP immer wieder versprachen, den Atomkonsens aufzukündigen und den Atomausstieg rückgängig zu machen. Und es gilt seit drei Jahren in verschärfter Weise. Die Regierung Merkel begreift nicht, dass das Qualitätssiegel der deutschen Energiepolitik immer die Verlässlichkeit, die Planungssicherheit und die vorausschauende Investitionstätigkeit war. Wer regierungsamtlich immer neues Chaos anrichtet, der zerstört immer neu das Vertrauen, das für langfristige Investitionen erforderlich ist. So bleibt unklar, wo die Kraftwerke sind, die Reservekapazitäten vorhalten. So wurden Investitionen in Stromspeicher verschleppt. So wurde der Netzausbau verschleppt. So gerät die Netzanbindung von Offshore-Windanlagen in Gefahr. Und am Ende wird jetzt auch die Haftung für dieses Risiko durch eine neue Umlage auf die Verbraucher abgewälzt. Wir brauchen eine solide Ordnung des Strommarktes. Der Netzausbau muss mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien synchronisiert werden, und bei einem hohen und wachsenden Anteil der Erneuerbaren an der Energieversorgung müssen sie auch einen entsprechenden Beitrag zur Netzstabilität leisten. Wir müssen die Frage nach den notwendigen Reservekapazitäten beantworten. Wir müssen die unausgeschöpften Chancen, durch Effizienzgewinne Kosten zu senken, wieder stärker nutzen und entsprechende Investitionen auf den Weg bringen. Das ist der Weg in die Zukunft! Die Erneuerbaren zu verteufeln und ihren Ausbau fantasielos lahmzulegen, wie Schwarz-Gelb es will, das ist der Weg zurück in die Vergangenheit.
Europa – neues Wachstum und Industriepolitik müssen auf die Agenda
Zum Europäischen Rat in dieser Woche sehen wir ein leider vertrautes Bild: Längst ist doch klar – die IWF-Chefin Lagarde hat es ausgesprochen –, dass Griechenland in der Rezessions-Schulden-Spirale steckt und den im letzten Rettungspaket zugrunde gelegten Pfad finanzieller Gesundung nicht fristgemäß erreichen kann; längst ist auch klar, dass Spanien sein Bankenproblem und die rezessionsbedingt ausfallenden Privatschulden nicht im Griff hat. Die Regierung Merkel aber windet sich, statt die Wahrheit auszusprechen. Das gilt auch für die Rolle der EZB, die angekündigt hat, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen. Zu keiner dieser brennenden Fragen gibt Merkel eine Antwort. In keiner ihrer Regierungserklärungen von diesem Jahr hat sie die EZB auch nur mit einem Wort erwähnt! Uns ist seit langem klar, dass Hilfskredite zwar nötig sind, aber allenfalls Zeit kaufen, um die Probleme der Eurozone an der Wurzel zu packen. Wenn wie heute jeder Vierte in den Krisenländern arbeitslos ist und jeder zweite Jugendliche keine Perspektive auf einen Job hat, dann ist mit der Krisenpolitik in den letzten drei Jahren etwas furchtbar schief gegangen. Deshalb haben wir bei den Verhandlungen über den Fiskalpakt im Juni gegen den Widerstand der schwarz-gelben Koalition durchgesetzt, nicht mehr abzuwarten, sondern bei der Finanztransaktionssteuer gemeinsam mit anderen gleichgesinnten Euroländern voranzugehen. Sie hilft, das Verhältnis zwischen aufgeblasenen Finanzmärkten und notleidender Realwirtschaft in eine neue Balance zu bringen. Mit dem Aufkommen dieser Steuer können wir höhere Investitionen in neue Wertschöpfung und Beschäftigung finanzieren. Der Kurswechsel zu dieser Investitionsstrategie gehört jetzt auf die Agenda. Wir haben im Juni einen Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa auf die Tagesordnung gesetzt. Dass auf dem EU-Gipfel in dieser Woche erstmals prominent das Thema „Industriepolitik“ steht, hat mit unserer Beharrlichkeit zu tun.
Europäisches Industrieforum der SPD-Bundestagsfraktion
Am Samstag dieser Woche findet das hochrangig besetzte „Europäische Industrieforum“ der SPD-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag statt. Mit dem französischen Finanzminister Pièrre Moscovici, der bei uns sein wird, haben wir einen Vorstoß für eine europäische „Allianz zur industriellen Erneuerung“ verabredet. Wir sagen: Rettungsschirme sind notwendig. Aber sie nützen auf Dauer nichts, wenn Europas Wirtschaft und Industrie nicht auf die Beine kommen. Vor zehn Jahren haben wir Deutschland aus einer Krise geholt. Mit Strukturreformen und mit Investitionen in die industrielle Zukunft unseres Landes. Unsere gemeinsame Aufgabe in Europa ist heute ein Turnaround für unseren gesamten Kontinent – mit geregelten Staatsfinanzen, gesunden Finanzmärkten, einer modernen Wirtschaft und starken Industrie.