Bei unserer Klausur am vergangenen Donnerstag und Freitag haben uns neben den abscheulichen Ereignissen am Kölner Hauptbahnhof und der Frage einer guten Integration der Flüchtlinge zwei weitere Themen beschäftigt: die gerechte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen. Das sind für uns ganz zentrale Projekte. Denn wir wollen nicht, dass angesichts der großen Herausforderungen, die die Flüchtlinge für unser Land darstellen, die Sorgen der hier bereits lebenden Menschen in Vergessenheit geraten.

Wir kämpfen deshalb auch in diesem Jahr für ganz konkrete Verbesserungen und mehr Gerechtigkeit: für gleichen Lohn für Männer und Frauen, für bezahlbaren Wohnraum und bessere Mieterrechte, für mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung durch ein Bundesteilhabegesetz sowie für ein gerechteres Steuersystem durch die Reform der Erbschaftssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Manche dieser Anliegen stoßen auf Widerstände aus den Reihen unseres Koalitionspartners. Wir werden aber nicht zulassen, dass diese Koalition hinter die Vereinbarungen, die sie im Koalitionsvertrag getroffen hat, zurückfällt.

Starker, handlungsfähiger Staat für mehr Sicherheit

Für die widerwärtige Gewalt gegen Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hautbahnhof und in anderen Großstädten darf es kein Pardon geben. Ebenso wenig für die jüngsten Attacken auf Ausländer am vergangenen Sonntagabend. Der Rechtsstaat muss mit aller Härte klar machen: In Deutschland gibt es keine rechtsfreien Räume! Alle, die in Deutschland leben, müssen sich an unser Recht und an unsere Gesetze halten. Wer dagegen verstößt, muss, unabhängig von seiner Herkunft und Nationalität, mit Konsequenzen rechnen.

Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen setzen uns für einen starken, handlungsfähigen Staat ein, der die Sicherheit und Freiheit aller, die in Deutschland leben, bestmöglich schützt. Wir lassen nicht zu, dass Sicherheit zum Privileg derer wird, die sich privaten Schutz leisten können! Im Kampf gegen den Terror haben wir deshalb bereits 2015 unser Strafrecht deutlich verschärft. Und in dieser Woche verabschieden wir das Datenaustauschgesetz, mit dem die einheitliche und lückenlose Registrierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden umgesetzt wird. Damit ist es in Zukunft nicht mehr möglich, dass Asylbewerber, wie beim Angreifer auf eine Pariser Polizeiwache geschehen, in Deutschland unter unterschiedlichen Identitäten Aufnahme beantragen.

Die schlimmen Vorfälle in der Kölner Silvesternacht müssen nun rasch aufgeklärt und geahndet werden. Täter aus dem Ausland sind, wo immer möglich, auszuweisen. Die gesetzliche Schwelle dafür wurde bereits zum 1. Januar 2016 so abgesenkt, dass ausländische Straftäter schon ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgewiesen werden können. Ob weitere rechtliche Änderungen notwendig sind, darüber muss gesprochen werden. Unser Hauptproblem in Deutschland sind aber nicht unzureichende Gesetze. Was wir jetzt in erster Linie brauchen, ist das entschlossene Durchgreifen der zuständigen Behörden und die Anwendung der bestehenden Gesetze – zum Schutz der Opfer, aber auch zum Schutz der großen Mehrheit der Flüchtlinge und Asylsuchenden, die friedlich in unserem Land leben!

Gesetze allein führen nicht zu mehr Sicherheit. Entscheidend ist deren konsequenter Vollzug. Dafür braucht es Sicherheitsbehörden, die personell und technisch gut ausgestattet sind. Die SPD hat in der Großen Koalition bereits 3.000 zusätzliche Stellen für die Bundespolizei durchgesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert Bund und Länder auf, die Personaldecke der Polizei bis 2019 massiv um insgesamt 12.000 neue Stellen zu verstärken, um 6.000 bei den Landespolizei, und um 6.000 – also um 3.000 Stellen mehr als bisher beschlossen –  bei der Bundespolizei. Mit der Einrichtung eines europäischen Terrorabwehrzentrums, einer verstärkten Videoüberwachung auf neuralgischen öffentlichen Plätzen sowie verstärkten Präventivmaßnahmen gegen Extremismus setzen wir uns darüber hinaus für weitere konkrete Maßnahmen zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit ein.

Ein Integrationsplan für Deutschland

Eine der großen Aufgaben, die 2016 vor uns liegt, ist die Integration der vielen Flücht-linge, die im Laufe der letzten Monate zu uns gekommen sind. Wenn wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen wollen, müssen wir dabei klotzen statt kleckern. Wir brauchen einen Integrationsplan für Deutschland, der mit konkreten Maßnahmen unterlegt ist, mit Investitionen in Kitas und Schulen, in Ausbildungs- und Arbeitsplätze, in Sprach- und Integrationskurse und natürlich in den Wohnungsbau. Dieser Integrationsplan muss im Rahmen des geplanten Asylpakets III verabschiedet werden. Unsere Bundesministerinnen und Malu Dreyer haben dafür bereits im letzten Jahr ein aus-führliches Konzept vorgelegt. Wir wollen 5 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, um neue Erzieherinnen und Lehrkräfte einzustellen und um Menschen in Arbeit zu bringen. Von diesen Anstrengungen werden nicht nur die Zuwandererinnen und Zuwanderer profitieren, sondern wir alle.

Zu einem Integrationskonzept gehören aber auch klare Regeln und eine Vorstellung, wie unser gemeinsames Zusammenleben gelingen kann. Unser Leitbild für die Ein-wanderungsgesellschaft ergibt sich aus dem Grundgesetz: Wer zu unserer Gesellschaft gehören möchte, der hat Andersgläubige zu respektieren, die Rechte von Frauen, Kindern und sexuellen Minderheiten zu achten und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung abzulehnen. Diese Regeln gelten für alle Menschen in diesem Land gleichermaßen. Für Einwandererinnen und Einwanderer ebenso wie für Alteingesessene. Jeder Verstoß gegen diese Regeln muss mit der nötigen Härte des Gesetzes geahndet werden.

Von Menschen, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, erwarten wir zu Recht, dass sie unsere Sprache erlernen und sich mit den gesellschaftlichen Umgangsformen vertraut machen. Schon zu Zeiten von Rot-Grün haben wir deshalb für Asylbewerberinnen und -bewerber eine Pflicht zur Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen eingeführt. Wer die Teilnahme verweigert, muss mit Sanktionen rechnen. Die von unserem Koalitionspartner geforderte sanktionsbewehrte Teilnahmepflicht ist also längst umgesetzt. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass auch genügend Integrationskurse bereit stehen. Was wir demgegenüber nicht brauchen, sind individuelle Vereinbarungen zwischen dem Staat und den Neuankömmlingen darüber, dass sie die Gesetze in unserem Land auch respektieren wollen. Dass ausgerechnet von Konservativen diese Forderung vorgebracht wird, verwundert mich. Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, dass die Einhaltung unserer Gesetze künftig davon abhängig gemacht wird, ob  jemand eine entsprechende Vereinbarung unterschreibt.

Solidarische Finanzierung von Gesundheitsleistungen

Wir wollen, dass Gesundheit in Deutschland nicht vom Geldbeutel abhängt. Alle Menschen in Deutschland sollen den gleichen Zugang zu medizinisch notwendigen Gesundheitsleistungen haben. Eine Besserstellung privat versicherter Patientinnen und Patienten ist für uns nicht akzeptabel. Das haben wir mit einem Beschluss auf der Fraktionsklausur zum Ausdruck gebracht, in dem wir uns gegen eine Novellierung der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) aussprechen. Die zurzeit diskutierte Novelle der GOÄ hätte eine Steigerung der privatärztlichen Honorare zur Folge. Dadurch würde es für Ärzte noch attraktiver, Privatpatienten statt Kassenpatienten zu behandeln. Vor allem aber würden die steigenden Beihilfeansprüche von Beamten die öffentlichen Haushalte und damit alle Steuerzahlerinnen und -zahler zusätzlich belasten. Deshalb fordern wir den Bundesgesundheitsminister und die Länder auf, eine GOÄ-Novelle zu verhindern.

Außerdem wollen wir, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wieder zu gleichen Teilen von den Versicherten und den Arbeitgebern getragen werden. Zurzeit werden die kassenindividuellen Zusatzbeiträge – und damit mögliche Beitragssteigerungen – alleine den Versicherten aufgebürdet. Als Schwarz-Gelb seinerzeit die paritätische Finanzierung der GKV aufgegeben hat, ging es darum, die Lohnnebenkosten zu senken, um die Arbeitgeber in Zeiten der Wirtschaftskrise zu entlasten. Doch mittlerweile haben sich die Rahmenbedingungen fundamental gewandelt: Die deutsche Wirtschaft brummt und die Beschäftigtenzahlen liegen auf Rekordniveau. Deshalb müssen Ausgabensteigerungen, die aufgrund des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts unweigerlich entstehen werden, zukünftig wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden.

Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen bekämpfen

Gute Arbeit braucht klare Regeln. Nach Einführung des flächendeckenden Mindest-lohns werden wir 2016 den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit gesetzlich eindämmen. Werkverträge und Leiharbeit sind in unserer hochflexiblen Wirtschaft notwendig, um Auftragsspitzen zu bewältigen oder Personalausfälle zu überbrücken. Aber es darf nicht sein, dass hierdurch Stammbelegschaften verdrängt werden oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer quasi als Beschäftigte zweiter Klasse jahrelang mit Leih- oder Werkverträgen oder als Scheinselbständige in einem Betrieb arbeiten.

Mit einem Positionspapier haben wir auf unserer Jahresauftaktklausur deutlich gemacht: Wir erwarten, dass die Union die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags mit uns eins zu eins umsetzt. Das bedeutet: Wer in einem Betrieb gemeinsam arbeitet, soll gleich verdienen und gleich behandelt werden. Deswegen soll künftig eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt werden. Und nach spätestens neun Monaten sollen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaft. Ausnahmen können nur dort gemacht werden, wo durch einen Branchentarifvertrag der Schutz aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer garantiert ist.

Außerdem müssen wir endlich mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von Werkverträgen und Leiharbeitsverhältnissen schaffen. Dafür wollen wir die Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung gesetzlich festschreiben. Außerdem sollen Betriebsräte das Recht bekommen, über die Anzahl und die vertraglichen Vereinbarungen der im eigenen Betrieb eingesetzten Werkvertragsnehmerinnen und Werkvertragsnehmer informiert zu werden.