Die Menschen ärgerten sich, dass Missstände in der Bildung von der Politik zwar besprochen, aber nicht beseitigt würden, sagte Steinmeier am Donnerstag. „Und am wenigsten verstehen sie, dass sich Bund und Länder auch noch gegenseitig verbieten, gemeinsam an der Beseitigung der Missstände zu arbeiten.“

Der Hintergrund: Seit der Föderalismusreform 2006 ist es dem Bund verfassungsrechtlich nicht möglich, die Länder vor allem bei Verbesserungen im Schulsystem durch Finanzhilfen zu unterstützen. Die SPD-Fraktion fordert deshalb in einem Antrag eine Neuregelung im Grundgesetz, die dauerhafte Bildungsinvestitionen des Bundes ermöglicht, ohne die Bildungshoheit der Länder einzuschränken. „Wir wollen mit einem neuen Grundgesetzartikel Finanzhilfen für Bildung zielgenau ermöglichen“, erläuterte der stellvertretende bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Schulz. Die Vorschläge werden auch von den SPD-geführten Ländern unterstützt.

Rede des Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier am 26.01.2012

Kooperationsverbot war ein Fehler

Steinmeier nannte das Kooperationsverbot, das im Paket der Föderalismusreform beschlossen worden sei, einen Fehler. „Wir haben es mitgetragen, weil wir die Föderalismusreform insgesamt nicht gefährden wollten. Aber ich sage es auch für mich persönlich: Es war falsch und es muss bereinigt werden.“

Er sei nicht der Meinung, dass Bundespolitik in Bildungsfragen klüger ist als Landespolitik, stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende klar. Es gehe auch nicht darum, die Zuständigkeit der Länder in Frage zu stellen. „Beim Kooperationsverbot geht es darum, das wir per Verfassung verbieten, dass Bund und Länder ihre Kräfte bündeln, um objektiv erkannte Probleme in der Bildungslandschaft endlich gemeinsam anzugehen. Das kann nicht der richtige Weg sein.“

Erfolgreiches Ganztagsschulprogramm wäre nicht mehr möglich

Steinmeier erinnerte an das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm, das die SPD-geführte Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder ins Leben gerufen hatte und zu einem enormen Ausbauschub bei den Ganztagsschulen geführt hatte. Durch mehr Ganztagsschulen würden Möglichkeiten für Kinder geschaffen, die auf solchen Schulen besser lernen, aber auch Möglichkeiten für Eltern, die aufgrund eigener Berufstätigkeit auf Ganztagsangebote angewiesen seien.

Heute wären solche Anstöße in der Bildung durch den Bund nicht mehr möglich, kritisierte Steinmeier. „Es sollte niemand damit rechnen, dass Kinder, Eltern oder Lehrer dafür Verständnis aufbringen.“

Steinmeiers Appell: „Lassen Sie uns doch endlich anfangen, über die jeweils besten Lösungen zu reden statt nur über Zuständigkeiten. Wir brauchen keine Fortsetzung des Kompetenzgerangels, sondern mehr Zusammenarbeit und mehr Bildungsinvestitionen.“

Rede des stellvertretenden bildungspolitischen Sprecher, Swen Schulz, am 26.01.2012

Falsche Weichenstellungen

Steuersenkungen oder das geplante Betreuungsgeld, seien dagegen die falschen Weichenstellungen, kritisierte Steinmeier mit Blick auf die Vorhaben der schwarz-gelben Koalition. Die SPD-Fraktion fordert seit langem, das Geld stattdessen in die Bildungsinfrastruktur zu investieren und damit echte Zukunftschancen für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

„Bildung ist der Schlüssel. Mehr Kooperation und mehr Investitionen – das sind die Instrumente,“ stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende klar. Die Politik könne insgesamt an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, so Steinmeier, „wenn wir einmal gemeinsam die Kraft hätten, zu sagen: Wir haben uns geirrt, das Kooperationsverbot ist Blödsinn, es muss weg.“

Rede der Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Ulla Burchardt am 26.01.2012