Am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, diskutierte der Bundestag über die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. 

Hilfen aus einer Hand 

„Ja, wir brauchen den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen. Er gibt uns die Gelegenheit nachzudenken, was für eine inklusive Gesellschaft noch zu tun ist“, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele. Es solle künftig selbstverständlich werden, dass Menschen mit Behinderungen Hilfen aus einer Hand bekämen. Leistungen sollten von einem Ansprechpartner und von einer Behörde kommen. Die Akten müssten sich bewegen und nicht die Menschen den Akten hinterherlaufen, betonte sie. Bentele forderte außerdem, dass Menschen mit Behinderungen möglich sein müsse, mehr als 2.600 Euro anzusparen, auch wenn sie Eingliederungshilfe beziehen. „Auch Menschen mit hohem Assistenzbedarf müssen das Recht haben, für eine Ausbildung ihrer Kinder oder einen Urlaub zu sparen“, sagte sie. 

Das System ändern, damit alle teilhaben können 

Die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Fraktion, Kerstin Tack, erinnerte daran, dass die UN-Behindertenkonvention vor fünf Jahren in Deutschland ratifiziert wurde. Dies sei ein Meilenstein für Menschen mit Behinderungen. Es habe einen Paradigmenwechsel hin zur Inklusion gegeben. Bei der Integration sei es darum gegangen, was der einzelne Mensch tun kann, um in ein bestehendes System integriert zu werden. Inklusion bedeute, dass sich „die Systeme ändern, damit alle teilhaben können“, bekräftigte Tack. Sie machte deutlich, wie wichtig es ist, dass die Politik mit dem Bundesteilhabegesetz und weiteren gesetzlichen Maßnahmen den Handlungsrahmen setzt. Allerdings sei es auch notwendig, in der Gesellschaft ein anderes Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Schließlich hätten einer aktuellen Studie zufolge immer noch 50 Prozent der Bevölkerung Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderungen, erläuterte Tack. 

UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen 

Menschen mit Behinderungen wollen gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können und am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Doch in ihrem Lebensalltag sieht das ganz anders aus. Deshalb ist es wichtig, die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland im Jahr 2009 rechtskräftig unterzeichnet (ratifiziert) hat, umzusetzen. Insgesamt haben sich 153 Staaten auf die UN-Behindertenrechtskonvention als internationale Rechtsgrundlage verpflichtet. 

Die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU hat 20 Handlungsaufträge in den Koalitionsvertrag aufgenommen, die das Leben von Menschen mit Behinderungen verbessern sollen. Dazu gehören die Bereiche Bildung und Arbeit, Gesundheit und Pflege, Tourismus und Verkehr sowie Kultur und Sport. Vor allem wird es darum gehen, Barrieren, die Menschen mit Behinderungen daran hindern, gleichberechtigt am Leben teilzuhaben, abzubauen. Außerdem will die Große Koalition die Schwerbehindertenvertretungen in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung stärken. Gleiches gilt für die Werkstatträte. In den Werkstätten für behinderte Menschen soll es künftig auch Frauenbeauftragte geben. 

Bundesteilhabegesetz erarbeiten 

Eines der größten Projeket der Großen Koalition im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderungen ist die Reform der Eingliederungshilfe. Leistungen der Eingliederungshilfe sollen Menschen mit einer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Behinderung dabei unterstützen, ihre Möglichkeiten zu nutzen und behinderungsbedingte Nachteile bestmöglich auszugleichen beziehungsweise abzumildern, damit sie ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen können. Mit dem geplanten Bundesteilhabegesetz soll die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass das Bundesteilhabegesetz noch in dieser Wahlperiode in Kraft tritt. So wurde es auch mit der Union im Koalitionsvertrag vereinbart. 

Getreu dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ wurde unter der Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Arbeitsgruppe gegründet, in deren Rahmen sich alle relevante Verbände und Akteure über die notwendigen Anforderungen an ein Bundesteilhabegesetz austauschen. Dazu gehören zum Beispiel Werkstatträte, Verbände der Menschen mit Behinderungen, Krankenkassen und Sozialverbände. 

Anforderungen an ein Bundesteilhabegesetz 

Die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Bundestagsfraktion,  Kerstin Tack, hat nun ein Eckpunktepapier mit denen aus ihrer Sicht bestehenden Anforderungen an ein Bundesteilhabegesetz formuliert:

  • Der Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe soll im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) verankert werden und somit aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe (SBG XII) herausgeführt werden. 
  • Im Bundesteilhabegesetz soll das so genannte Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen als Grundlage gelten. Sie sollen nach Möglichkeit sebst entscheiden können, wo sie wohnen und arbeiten und welche weiteren Teilhabeleistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Das ist eine Voraussetzung, um individuelle und bedarfsgerechte Teilhabeleistungen bereitstellen zu können. 
  • Leistungen für Menschen mit Behinderungen sollen sich künftig nicht mehr am Bedarf der Einrichtungen, zum Beispiel Wohnheimen, orientieren, sondern sie sollen individuell auf den Bedarf der Personen ausgerichtet werden.
  • Die Einführung eines Bundesteilhabegeldes soll geprüft werden. 
  • Außerdem sollen bundeseinheitliche Kriterien entwickelt werden, wenn es darum geht, den Unterstützungsbedarf von Menschen mit Behinderungen zu ermitteln. 
  • Teilhabeleistungen sollen künftig unabhängig von Einkommen und Vermögen an Menschen mit Behinderungen gezahlt werden. Das bisherige Schonvermögen von 2.600 Euro soll angehoben werden, damit Menschen mit Behinderungen ermöglicht wird, künftig mehr Geld als bisher anzusparen. 
  • Es soll klare Regeln für den Anspruch auf persönliche und tierische Assistenz geben. Vor allem die persönliche Assistenz erfüllt das Bedürfnis nach Selbständigkeit und Selbstbestimmung. 
  • Gleichzeitig soll auch der Anspruch auf Assistenz für Eltern mit Behinderung – die so genannte Elternassistenz – gesetzlich geregelt werden. 
  • Die Zuständigkeiten nach den unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern sollen besser untereinander abgestimmt werden. So sollen zum Beispiel Eingliederungshilfen für Kinder mit Behinderungen grundsätzlich über die Jugendhilfe geleistet werden. 
  • Die Übergänge zwischen Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und regulärem Arbeitsmarkt sollen durchlässiger werden. Auch jetzt schon sollen die WfbM den Wechsel in einen Betrieb auf dem regulären Arbeitsmarkt fördern. Das geschieht in der Praxis aber nicht ausreichend. Deshalb soll eine Pflicht zur Förderung gesetzlich festgeschrieben werden. Zudem sollen Menschen mit Behinderungen vom regulären Arbeitsmarkt wieder in eine WfbM zurückkehren können. Diese Übergänge dürfen keine sozialrechtlichen Nachteile, z. B. bei der Rente, bedeuten. Integrationsfirmen und Arbeitsassistenzen sollen auf dem Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt weiterentwickelt werden. Aber die WfbM sollen in jedem Fall erhalten bleiben, denn Menschen mit Behinderungen sollen wählen können, wo sie arbeiten wollen. Zudem solle geprüft werden, ob das bislang pilotweise in einigen Bundesländern eingeführte Budget für Arbeit generell eingeführt werden sollte.