Sollte im Internet alles kostenfrei für jedermann verfügbar sein, wie es einige vorschlagen?

Nein, auf gar keinen Fall. Hinter der Erstellung von Texten und Bildern stecken Leistungen, die Zeit kosten. Für einen Text wird Recherche betrieben bevor er journalistisch korrekt formuliert wird. Außerdem investieren Journalist_innen und Fotograf_innen auch Geld in ihre Ausbildung. Das alles spricht dafür, dass ihre Leistungen auch angemessen bezahlt werden müssen. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass es nur noch „paid content“-Angebote - also Webinhalte, die nur gegen Gebühren angesehen oder gelesen werden können, geben kann. Denn die Erfahrungen zeigen, dass viele Inhalte von den NutzerInnen dann nicht mehr nachgefragt werden. Zudem setzen die technischen Voraussetzungen zum Angebot von sogenannten Bezahlinhalten auch ein größeres Investment seitens der Anbieter voraus.

Außerdem würde das zu einer Zweiklassengesellschaft im Internet führen, denn wer könnte sich dann noch Recherchen im Internet leisten? Davon wären z.B. auch SchülerInnen betroffen. Ich antworte sowohl als Autorin und Fotografin als auch als Betreiberin des Online-Magazins AVIVA-Berlin . Deshalb bin ich dafür, dass die Inhalte auf einer Website zum Lesen und Ansehen durchaus frei verfügbar sein sollten. Wenn es darum geht, ob alle Inhalte wie Musik, Videos, Texte und Bilder weitergehend genutzt werden dürfen, dann sage ich nein. Wenn z.B. ein Text bei AVIVA-Berlin erscheint, an dem jemand zwei Stunden gearbeitet hat, und dieser Text erscheint einen Tag später ohne Anfrage auf einem anderen Portal, dann darf das nicht sein. Das ist Diebstahl geistigen Eigentums. Wenn ich danach gefragt werde, dann gebe ich den Teaser des Textes zur Veröffentlichung auf einer anderen Website frei, der dann mit dem eigentlichen Text auf der Seite von AVIVA-Berlin verlinkt wird. Texte dürfen nicht einfach kopiert und an anderer Stelle im Netz oder abgedruckt veröffentlicht werden. Leider kenne ich derzeit keine einfache und kostengünstige Möglichkeit, Texte technisch so zu modifizieren, dass sie vor dem Kopieren geschützt sind.

Die SPD-Fraktion will den Urheber im Verhältnis zum Verwerter stärken und das Einkommen des Urhebers fair und angemessen gestalten. Wie kann das am besten geschehen, und wie könnte ein angemessenes Einkommen des Urhebers aussehen?

Die Arbeit, die hinter einer kreativen Leistung steckt, muss abgegolten werden. Allerdings wird ein Zeilenhonorar, das die Verlage meistens an Jounalistinnen bezahlen, der Leistung oft nicht gerecht. Da sich Texte hinsichtlich des Aufwands für die Recherche und ihrer Erstellung sehr stark unterscheiden. Außerdem geht es in der Regel nur um eine einmalige Vergütung, ohne Ansprüche auf Bezahlung bei weitergehender Nutzung. Und auch Pauschalen entsprechen in der Regel nicht dem Wert der kreativen Arbeit. Hier sehe ich einen großen Regelungsbedarf.
Immer wieder übernehmen AnbieterInnen medialer Inhalte Texte und Bilder, ohne den UrheberInnen etwas zu bezahlen oder sie wenigstens zu fragen. Doch die Kreativen können es sich nicht leisten, AnwältInnen damit zu beauftragen, ihre Rechte wahrzunehmen und die Vergütung einzutreiben. Denn das ist viel zu langwierig und vor allem zu teuer. Es gibt leider keine Gewähr gegen das Kopieren. Und wie sollen Urheberinnen z.B. einen wirksamen technischen Schutz der eigenen Werke zur Wahrung des Urheberrechts finanzieren? Oder wie erfahren die UrheberInnen von weiteren Nutzungen ihrer Texte oder Bilder?

Deshalb bin ich dafür, dass eindeutige Richtlinien zu Honoraren geschaffen werden, die im Internet frei zugänglich sind. Denn augenblicklich muss man z.B. bei Mediafon Mitglied sein und Beiträge zahlen, um Einblick in die Honorarmodelle zu bekommen. Dabei lösen die dort veröffentlichten Modelle die von mir genannten Probleme auch nicht. Wir brauchen neue Honorarmodelle, die auch gestaffelt sein müssten, um Aufwand und Verbreitung gerecht zu entlohnen. Da stellt sich die Frage: Wer soll diese Honorarmodelle entwickeln? Dazu müssen meiner Meinung nach die UrheberInnen mit an den Tisch und nicht nur die großen Verlagshäuser. Denn es muss gewährleistet werden, dass die Nutzungshonorare für Bilder und Texte auch bei den ursprünglichen UrheberInnen ankommen. Es sollte klare Vereinbarungen geben, wer bei der Veröffentlichung und Weiterverwertung von Texten und Bildern einen Anspruch auf Vergütung hat.

Die SPD-Fraktion lehnt eine Kulturflatrate als allgemeine Pauschale für jedermann ab, kann sich aber pauschale Vergütungen in Teilbereichen wie bspw. Musik und Film vorstellen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich halte eine Kulturflatrate auch für keine gute Idee. Als Urheberin will ich verfolgen, wo und wie meine Fotos oder meine Texte veröffentlicht werden. Etwas anders verhält es sich im Bereich Musik z. B. mit Bands, die noch nicht so bekannt sind. Sie sind zum Teil drauf angewiesen, dass ihre Songs und sie selbst bekannt werden. Deshalb stellen sie ihre Songs zum Beispiel auf youtube kostenlos zur Verfügung. Aber das entscheiden die Bands für sich. Eine Kulturflatrate klingt für mich unrealistisch. Wie sollte sie berechnet werden? Wer soll die Kulturflatrate bezahlen? Jede/r, die/der das Internet nutzt – also auch SchülerInnen? Und wer soll wieviel aus der Flatrate erhalten und wie soll das bemessen werden? Haben unbekanntere KünstlerInnen überhaupt etwas davon, oder bricht ihr Absatzmarkt dadurch nicht eher zusammen? Aber auch die Berechnung einer Pauschale für die digitale Nutzung von Musik und Filmen stelle ich mir schwierig vor.

Eine Sperrung eines Internetanschlusses bei einer – bewusst oder unbewusst – begangenen Urheberrechtsverletzungen betrachtet die SPD-Fraktion als nicht verhältnismäßig. Wie könnten Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums im Netz aussehen, ohne jedoch Kontrollmechanismen und -strukturen zu etablieren?

Eine Sperrung lehne ich auch ab. Dennoch müssen Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts installiert werden, ohne dass es in einen Überwachungsstaat mündet. Aber wer geistiges Eigentum schützen will, muss auch gewisse Kontrollmechanismen zulassen. Es sollte eine Anlaufstelle geben, die für Betroffene kostenlos tätig wird. Auch die Beratung für UrheberInnen sollte kostenlos sein. Wer durch die Verletzung des Urheberrechts geschädigt wurde, weil ein Verstoß gegen das Recht auf geistiges Eigentum vorliegt, muss in der Regel sehr lange kämpfen, um ihr/sein Recht überhaupt durchzusetzen. Die Anwaltskosten dafür sind hoch. Hier würde eine prozentuale Vergütung an die zu schaffende Anlaufstelle helfen. Doch zurzeit ist es noch unglaublich schwer, im Internet zu kontrollieren, ob etwas kopiert wurde oder nicht. Besonders schwer ist es bei Texten. Bei Bildern ist es etwas leichter vor allem, wenn sie mit einem Wasserzeichen versehen sind. Deshalb müsste die Beratung der Anlaufstelle so aussehen, dass die Betroffenen über eine Hotline oder auch per E-Mail Verstöße unkompliziert melden können und sie Unterstützung erhalten, wie sie ihre Rechte wahrnehmen können. Vielleicht würde eine Anlaufstelle auch Menschen davon abbringen, Inhalte zu kopieren und weiterzuverwerten.

Die Erfahrungen mit den Sharehostern kino.to und megaupload.com zeigen, dass Plattformbetreiber, deren Geschäftsmodelle auf die massenhafte Verletzung geistigen Eigentums ausgerichtet sind, schon heute wirksam bekämpft werden können. Wie sollten dennoch Regelungen zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern neu justiert werden? Sollten die inkriminierten Inhalte entfernt werden?

Ja, inkriminierte Inhalte sollten entfernt werden. Es sollte insgesamt einfacher werden, Urheberrechtsverletzungen anzeigen zu können.

Wie ist Ihre Meinung zu dem Papier „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ der SPD-Fraktion insgesamt? Haben Sie darüber hinaus Anregungen?

Die Thesen klingen erst mal sehr gut. Manches klingt mir noch ein wenig zu allgemein gehalten und zu wenig an der Praxis orientiert. Der Fokus liegt auch sehr stark auf der Musik. Wichtig finde ich den Punkt, dass die SPD auch im Blick hat, andere digitale Inhalte in die Modelle der Lizensierung einzubeziehen. Das ist meines Erachtens auch ganz dringend notwendig. Dabei sind Texte und Fotos unbedingt zu berücksichtigen. Denn ein Foto kann mit einem drei- bis vierstündigen Shooting verbunden sein, wofür auch noch Aufbauten und Requisite organisiert werden müssen. Dazu kommt die gesamte Kommunikation mit dem Auftraggeber/In. Das sollte bei den Lizensierungen berücksichtigt werden, was natürlich auch für den Aufwand für die Recherche und das Verfassen von Texten gilt.

Ein solches Liezensierungsmodell würde auch helfen, es bekannter zu machen, dass auch das Kopieren und Weiterverwerten von Texten und Fotos nicht gestattet ist. Mittlerweile weiß der Großteil der InternetnutzerInnen, dass es illegal ist, Filme und Musik einfach herunter zu laden. Ich glaube in Bezug auf Texte und Bilder wissen es die wenigsten. Die Kampagne „Auch Fotografen haben Namen“ hat auch dort angesetzt. Ziel war dabei, nicht nur die Bildagentur sichtbar zu machen, sondern den Namen der Fotografin oder des Fotografen. Denn dadurch treten sie in den Vordergrund und werden bekannter und erhalten neue Aufträge.

Ich bin auch der Meinung, dass sowohl auf Seiten der Kultur- und Medienschaffenden als auch auf Seiten der InternetnutzerInnen ein großes Unwissen zu Medienrechten und Nutzungsrechten herrscht. Das sollte in die Diskussion um das Urheberrecht miteinfließen. Denn auch vielen RedakteurInnen fehlt Wissen im Bereich der Urheberrechte. Denn so kommt es, dass immer wieder nach kostenlosen Fotos und kostenloser Weiterverwertung von Texten gefragt wird.

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