Peer Steinbrück warf der Kanzlerin die Beschönigung ihrer Europapolitik vor. „Europa ist leider nach wie vor in keiner guten Verfassung“, stellte er fest. Eine schrumpfende Wirtschaft und eine perspektivlose Jugend seien die Konsequenz, wenn „aus Sparen Kaputtsparen wird.“ Die Situation Europas entwickle sich zu einer Gefahr für die politische und gesellschaftliche Ordnung. Aus Repression drohe Depression zu werden. Die Krise sei „eine Gefahr für die gesellschaftliche Ordnung“ und das „wunderbare Zivilisationsmodell Europa“.

Der beschlossene EU-Finanzrahmen sei ein „schädliches Spardiktat“, so Steinbrück, „der andere europäische Länder zunehmend in Depression und Verelendung hineinbringt.“ Merkel müsse ihre „merkwürdige Allianz“ mit dem britischen Premierminister Cameron hinterfragen. „Wer in Zukunft mehr Europa will, der braucht Partner, die ihre Zukunft in Europa sehen“, stellte Steinbrück mit Blick auf die europakritische Haltung des Briten fest.
Die beschlossenen Maßnahmen der europäischen Regierungschefs gegen die Jugendarbeitslosigkeit seien ein „makaberer Etikettenschwindel“. Denn von den vorgesehenen 6 Milliarden Euro würden 3 Milliarden Euro aus Einsparungen in den Sozialfonds finanziert werden. „Das ist das Prinzip linke Tasche, rechte Tasche.“ Der Kanzlerkandidat sieht großen Widerstand gegen den EU-Finanzrahmen im EU-Parlament, denn die Regierungschefs in Europa stellten zu wenig Geld zur Verfügung, um die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Kanzlerin muss endlich Position beziehen

Steinbrück forderte die Kanzlerin auf, endlich aktiv zu werden. Er machte die Unterstützung der SPD bei weiteren Krisenmaßnahmen von der raschen Umsetzung der Finanztransaktionssteuer abhängig, denn sonst wäre die Vertrauensbasis verspielt. Die Einnahmen aus der Abgabe stellten dringend benötigtes neues Geld für Wachstum in Europa dar. Steinbrück: „Wir brauchen diese Steuer!“

Er selbst habe, so Steinbrück weiter, vor sechs Monaten ein vernünftiges Konzept zu den Trennbanken vorgelegt; Schäuble habe genügend Zeit gehabt für ein ausgearbeitetes Gesetz. Dabei herausgekommen sei eine Lösung „Trennbanken light“, den selbst Stimmen aus der Regierungskoalition ablehnen würden.

Die Kanzlerin müsse Position Beziehen und endlich „in die Niederungen“ der Politik begeben. Das gelte für die Regulierung der Finanzmärkte, des ESM, der europäischen Sozialsysteme, aber auch für die Innenpolitik. Lebensleistungsrente, Arbeitnehmerdatenschutz, Lohnuntergrenze, die Energiewende – zu keinem dieser Themen habe die Kanzlerin eine Haltung eingenommen. „Sie, Frau Bundeskanzlerin, sind eine Last-Minute-Kanzlerin“, stellte Steinbrück fest. Denn Merkel habe eine Neigung zum „Nichthandeln, Noch-nicht-Handeln, Später-Handeln“.

Er ergänzte: „Es bleibt nur eine einzige Möglichkeit, nämlich dass andere diese Regierungsverantwortung übernehmen. Dazu ist die SPD bereit.“

 

Rede von Peer Steinbrück in der EU-Debatte

Link zum Video für Apple-Anwendungen

Frühwarnsystem, um Finanzkrisen zu verhindern

In einem Entschließungsantrag (Drs. 17/12387) fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, Aufsichtszuständigkeiten und -befugnisse an die EZB nur für eine Überganszeit zu übertragen und sobald wie möglich diese auf eine eigene Institution auszulagern. Dazu soll die Aufsicht über Kreditinstitute durch die Europäische Zentralbank befristet werden. Des Weiteren soll dafür Sorge getragen werden, dass die gemeinsame Aufsicht bei der EZB bis zur Übertragung auf eine eigene Institution strikt von der Geldpolitik und der Verantwortlichkeit der EZB für die Preisstabilität getrennt wird.

Um zukünftige Krisen zu verhindern fordert die SPD-Fraktion, dass der gemeinsame Aufsichtsmechanismus ein Frühwarnsystem beinhaltet, um eine sektorenübergreifende und ganzheitliche Aufsicht zu schaffen. Neben dem Aufsichtsmechanismus soll ebenfalls ein europaweit einheitliches Restrukturierungs- und Abwicklungsregime eingeführt werden. Denn die Öffentlichkeit muss darauf vertrauen können, dass Banken restrukturiert oder liquidiert werden können, ohne Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu belasten. Bei systemrelevanten Banken soll das über eine europäische Abwicklungsbehörde erfolgen.

Mit Mitteln des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) dürfen aber nach dem Antrag der SPD-Fraktion nicht Banken gerettet werden, das soll nur mit Mitteln eines Bankenhaftungsfonds geschehen. Der soll durch eine Bankenabgabe finanziert und für Restrukturierungen und Abwicklungen herangezogen werden. Sollte aber der ESM zur Bankenrettung dienen, muss dies von einer weitgehend vorrangigen Privatsektor- und Gläubigerbeteiligung abhängig gemacht werden.
Zur Kontrolle soll die gemeinsame Aufsicht einer Fach- und Rechtsaufsicht sowie den nationalen Parlamenten und so auch dem Bundestag unterstellt werden.

 

Martin Mader/Alexander Linden