Das ist gut für Europa, und es ist gut für Deutschland, das in hohem Maße vom Schicksal der Nachbarn abhängt. Die ungelösten Probleme Spaniens und zuletzt das Zerbrechen der Regierung in den Niederlanden sind Zeichen dafür, dass Europa nach wie vor in einer schweren Krise steckt. Das starke Abschneiden des rechtsnationalistischen Front National bei den französischen Wahlen zeigt zudem, dass das Spiel mit nationalen Vorurteilen und Schuldzuweisungen Wasser auf die Mühlen der Extremisten ist und die europäische Idee zerrüttet. Wir brauchen in Europa einen Neuanfang von Mut und Hoffnung. Er kann von Frankreich und Deutschland ausgehen. Der vorliegende Entwurf eines Fiskalpaktes reicht nicht aus. Wir müssen und wir werden ihn ergänzen um ein Programm, das Europas Qualitäten als Vorreiter eines nachhaltigen Wachstumsmodells stärkt. Wir müssen und wir werden zu einer gerechteren Besteuerung und Regulierung der Finanzbranche kommen, um zu verhindern, dass die Staaten am Gängelband der Kapitalmärkte immer weiter in die Verschuldung geraten. Ich glaube, dass diese politische Zeitenwende in der Luft liegt und in den vor uns liegenden Wahlen Gestalt annehmen wird.

Union steht ohne eigene Machtperspektive da

Klar ist deshalb: Diese Wahlen sind kein Spiel. Es geht jetzt auch in den Bundesländern um eine folgenreiche Entscheidung über die Richtung der Politik. In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen kämpfen wir mit sehr guten Chancen für rot-grüne Mehrheiten. Die FDP wird trotz allem Backenaufblasen rund um ihren Parteitag als Machtfaktor ausfallen. Zu schwer hängt ihr das marktradikale Erbe an, das restlos diskreditiert ist. Die Union steht damit ohne eigene Machtperspektive da. Der CDU-Kandidat Röttgen weiß das offenbar, denn bei seiner Bewerbung in Düsseldorf hat er sich ein Rückfahrticket nach Berlin gesichert. Hannelore Kraft hat mit dem grünen Partner in knapp zwei Jahren Regierungsverantwortung gezeigt, wie man mit klaren Zielen und gerader Linie gestalten kann. Studiengebühren wurden abgeschafft. Kitagebühren werden gestrichen. Die Kommunen bekommen mehr Geld. Ein Tariftreuegesetz für öffentliche Aufträge ist verabschiedet. Die Menschen spüren, dass gehalten wird, was versprochen war.
Beim Betreuungsgeld zieht ein Fehler den nächsten nach sich

Der endlose Streit um das irrsinnige Betreuungsgeld – eine 2-Milliarden-Euro Prämie dafür, dass Frauen vom Beruf und Kinder von der Bildung wegbleiben – ist ein weiteres Beispiel dafür, wie man sich blamieren kann. Wer in den Regierungsfraktionen seine Sinne noch einigermaßen beieinander hat, müsste das verhindern. Stattdessen konnten wir gestern erleben, wie ein Fehler den nächsten Fehler nach sich zieht. Die Ankündigung von Volker Kauder, die Rentenanwartschaften von Eltern anzuheben, deren Kinder älter als 20 Jahre sind, hat mit dem Betreuungsgeld in der Sache nichts zu tun. Der Unsinn der Fernhalteprämie bleibt Unsinn. Vielmehr hat Kauder den kostspieligen Versuch unternommen, Baldriantropfen zu verabreichen, um die Aufregung der CDU-Frauen um das Betreuungsgeld einzuschläfern und vor den Landtagswahlen für Ruhe im eigenen Laden zu sorgen. Das aber ist mächtig nach hinten los gegangen: Zum Streit um das Betreuungsgeld kommt jetzt noch ein handfester Rentenkrach. FDP und CDU-Wirtschaftspolitiker protestieren. Die Bundesregierung lässt erklären, da sei gar nichts entschieden. Tatsache ist: Die Anhebung der Rentenanwartschaften kostet aufwachsend mindestens 7 Milliarden Euro. Und sie schafft neue Ungleichbehandlung, wenn nur künftige Rentnerinnen und Rentner profitieren sollen. Sollen heutige und künftige Eltern im Ruhestand einbezogen sein, steigert das die Kosten auf mehr als 13 Milliarden Euro im ersten Jahr. Kauder und Merkel müssen sagen, wie sie das bezahlen wollen. Soll der Bund das, wie bei Familienleistungen geboten, aus Steuermitteln zahlen? Oder werden die Arbeitnehmer mit höheren Abgaben belastet? Bevor solche elementaren Dinge nicht geklärt sind, führt die CDU die Leute an der Nase herum. Unseriöse Ankündigungen und politische Täuschungsmanöver sind typisch für die Regierung Merkel.

Schwarz-Gelb bewältigt Herausforderungen des demografischen Wandels nicht

Ebenso bei dem, was die Bundesregierung vollmundig als „Demografie-Strategie“ präsentiert. Deutschlands Zukunft ist vom demografischen Wandel geprägt. Die Zahl der Menschen, die nicht mehr arbeiten, nimmt zu. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter nimmt ab. Sozialversicherte Arbeitsplätze und Steuerzahler sind mit steigenden Abgaben belegt, wenn Leistungen nicht gestrichen werden sollen. Zudem fehlen schon heute Fachkräfte, zum Beispiel für den Kita-Ausbau und für die Pflege, aber auch bei Ingenieuren in der Industrie. Die Herausforderungen sind riesig, und sie sind nicht bewältigt. Vor diesem Hintergrund will Schwarz-Gelb

  • 2 Milliarden Euro für eine Prämie vergeuden, die der Beschäftigung von Frauen und der Chancengleichheit von Einwandererkindern entgegen wirkt.
  • Zugleich verschließt Merkel die Augen vor den Problemen der Kommunen, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter dreijährige Kinder bis 2013 erfüllen zu können – sparen wir uns das Betreuungsgeld, ließen sich 166.000 Kita-Plätze finanzieren!
  • Schwarz-Gelb will die Rentenkasse noch einmal mit zusätzlichen 7 bis 13 Milliarden Euro belasten.
  • Schwarz-Gelb nimmt durch Steuersenkungen für Gutverdiener Ländern und Kommunen das Geld weg, das gebraucht wird, um die soziale Gesellschaft und das Miteinander der Generationen vor Ort zu organisieren.
  • Schwarz-Gelb legt ein Pflege-Gesetz vor, das nichts als Flickschusterei ist, die Finanzierungsfragen offen und die Pflegerisiken einer wachsenden Zahl von Betroffenen und Angehörigen ohne Lösung lässt.

Das alles, während in Sachen Demografie der Ausbau der Kita-Betreuung, die Sicherung der Fachkräftebasis, Vorsorge für das Alter und tragfähige öffentliche Finanzen postuliert werden. So verspielt man politische Glaubwürdigkeit.

Wir legen mit unserem „Projekt Zukunft – Miteinander der Generationen im demografischen Wandel“ ein Konzept vor, das diesen Namen verdient und das konsistent unsere Forderungen nach einer sozialen Gesellschaft mit starken Kommunen, nach Chancengleichheit für Frauen, Integration von Einwanderern und nach Ausschöpfung unseres Fachkräftepotenzials bündelt. Wir bringen Vision und Politik zusammen. Wir wollen klug investieren in Bildung, Betreuung und Beratung. Wir wollen Teamgeist fördern und Partnerschaft entwickeln – zwischen Bund, Ländern und Kommunen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Jungen und Älteren. Wir sagen: Teilhabe der Menschen bringt Sicherheit im Wandel. Einigkeit macht stark – das ist sozialdemokratisches Credo und deshalb wird die SPD dringend gebraucht, damit eine Gesellschaft, die bunter und älter wird, auch menschlich bleibt.

Ausweitung der Antipiraterie-Mission birgt große Risiken

Seit Dezember 2008 beteiligt sich Deutschland an der Antipiraterie-Mission ATALANTA vor der Küste Somalias. Das bislang geltende Mandat wurde unter SPD-Regierungsbeteiligung erarbeitet. Wir haben diesen Einsatz in der Opposition bislang mit großer Mehrheit unterstützt, denn er war und ist politisch sinnvoll und in der Wahl der militärischen Mittel vernünftig. Das gilt für die jetzt geplante Ausweitung des Einsatzgebietes auf einen zwei Kilometer breiten Küstenstreifen Somalias eindeutig nicht. Der militärische Nutzen ist mehr als zweifelhaft, denn die Piraten werden leicht vor den Angriffen ausweichen können. Die Gefahr aber steigt, dass unbeteiligte Zivilisten ins Visier geraten und der Konflikt eskaliert. Aus guten Gründen hat die NATO, die mit einer eigenen Mission am Horn von Afrika ist, ihr Einsatzgebiet ausdrücklich nicht ausgeweitet.

Die Zweifel über die Sinnhaftigkeit des neuen Mandats reichen bis tief hinein in die Koalition. Zu Recht, denn die Erweiterung des Einsatzes hat keinen Nutzen, birgt aber große Risiken. Kommt es bei Luftangriffen zu zivilen Opfern, kann das unkalkulierbare Folgen haben und die Mission insgesamt diskreditieren. Die Bundesregierung hätte die Erweiterung separat in einem ergänzenden Mandat regeln können. Das hat sie nicht getan. So werden wir dem neuen Mandat nicht zustimmen können.