Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
In der Tat, wir leben in einer Mediendemokratie, in der Bilder häufig mehr zählen als Worte. Alles drängt ins Fernsehen,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
und das prägt die Art und Weise unseres Miteinanders. Politik wird zu Unterhaltungszwecken gebraucht und manchmal auch missbraucht. Inhalte bleiben dabei häufig auf der Strecke. Dabei haben sich unsere gesamte Kultur und unsere politische Kommunikation verändert, auch hier bei uns im Deutschen Bundestag, in diesem Hohen Hause.
Wir haben auch schon einige Auswüchse davon erleiden dürfen, zum Beispiel die protestierenden Abgeordneten der Fraktion Die Linke mit Transparenten oder gar
mit Masken. Letztlich zerstören wir aber mit einer solchen Form der Auseinandersetzung die ernsthafte politische Auseinandersetzung, den ernsthaften politischen Diskurs. Das dürfen wir nicht tolerieren. Wir müssen die Würde des Hauses schützen.
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Die Würde des Hauses zu schützen, das ist in der Tat eine Aufgabe, die unsere Geschäftsordnung und am Ende auch das Abgeordnetengesetz zu tragen haben. Der
Kollege Kaster hat bereits darauf hingewiesen: Das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat dies entsprechend bestätigt. Deshalb möchte ich es an dieser Stelle – mit Genehmigung des Herrn Präsidenten – einmal zitieren.
(Jörg van Essen [FDP]: Das wäre sehr gut!)
Dort heißt es:
Der Begriff der parlamentarischen Ordnung kann dabei nicht allein auf den äußeren Ablauf der Plenarsitzung und unmittelbare Störungen der Beratungen und der politischen Diskussion im Parlament begrenzt werden. Vielmehr sind weitergehend auch die Werte und Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die sich in der demokratischen und vom Repräsentationsgedanken getragenen parlamentarischen Praxis entwickelt haben und die durch die historische und politische Entwicklung geformt worden sind. Das Parlament ist berechtigt, seine Mitglieder durch Verhaltensregeln auch auf die Wahrung der Würde des Landtages – Mecklenburg-Vorpommern – im Sinne eines von gegenseitigem Respekt getragenen Diskurses zu verpflichten.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer bestimmt, was Würde ist? –
Gegenruf des Abg. Jörg van Essen [FDP]: Unbestimmte Rechtsbegriffe gehören doch auch immer zur Rechtsordnung!)
Es darf deshalb Verstöße sanktionieren, wo es diese Würde gefährdet oder verletzt sieht, etwa weil das Verhalten eines Abgeordneten erkennen lässt, dass er den für eine sachbezogene Arbeit notwendigen Respekt gegenüber den übrigen Parlamentariern
oder der Sitzungsleitung vermissen lässt und damit zwangsläufig auch das Ansehen des Hauses nach außen beschädigt.
Ich meine, es ist in einer wunderbaren Form dargestellt,
(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)
warum die Würde des Hauses schützenswert ist. Der Deutsche Bundestag sollte deshalb nicht davor zurückschrecken.
Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt deshalb auch die Änderungsanträge der Grünen ab, die den Begriff „Würde des Bundestages“ gestrichen haben wollen. Obwohl Bündnis 90/Die Grünen zu Beginn der Beratungen für die Einführung eines Ordnungsgeldes war, versuchen Sie nun leider, über die Kritik an diesem Begriff Sand ins Getriebe zu streuen.
(Jörg van Essen [FDP]: Richtig, ja!)
Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und hier im Plenum des Deutschen Bundestages eine neue Ernsthaftigkeit praktizieren und dürfen nicht versuchen, den
Talkshows Konkurrenz zu machen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen wir das Fernsehen
abschaffen!)
Wir wollen hier Argumente austauschen und nicht nur politische Debatten simulieren. So ein Verhalten lehne ich ab, weil dadurch letztlich die Glaubwürdigkeit von
uns allen untergraben wird.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber grinsen darf man noch!)
Ich bin überzeugt davon, dass es in der Bevölkerung eine tiefe Sehnsucht nach Ernsthaftigkeit gibt, und von den Volksvertretern darf dies zu Recht auch erwartet werden. Deshalb brauchen wir diese Änderungen. Wir haben die Einführung eines Ordnungsgeldes schon lange verlangt. Leider konnten wir uns damit in der Großen Koalition noch nicht durchsetzen, heute ist es aber in der Tat so weit. Wer in Zukunft anstatt mit ernsthaft geführten Debatten durch despektierliches Auftreten und Verhalten in Erscheinung tritt, muss mit einer Ordnungsstrafe in Höhe von 1 000 Euro und im Wiederholungsfall von 2 000 Euro rechnen. Damit sorgen wir übrigens auch dafür, dass sogenannte Wiederholungstäter angemessen und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mit einer Ordnungsstrafe belegt werden können.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Strafe ist das, ja!)
Mit diesem Sanktionsinstrument schaffen wir ein Mittel, durch das die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird, wenn es darum geht, ungebührliches und unwürdiges Verhalten im Parlament zu ahnden. Die bisherigen Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, waren entweder zu lax – eine Rüge wurde häufig nicht einmal zur Kenntnis genommen,
(Jörg van Essen [FDP]: Richtig!)
andere haben sie auch gerne gesammelt –, oder der Ausschluss von Mitgliedern des Bundestages von Beratungen durch den Bundestagspräsidenten war ein zu schweres
Geschütz. Durch die Einführung eines Ordnungsgeldes für ungebührliches und ein der Würde des Hauses unangemessenes Verhalten wollen wir sicherstellen, dass es hier im Bundestag ausschließlich zum sachlichen Austausch von Argumenten kommen kann.
Wir dulden also keinen Krawall um des Krawalls willen und keine Provokation um der Provokation willen. Hochgehaltene Transparente entsprechen nicht dem Diskussionsstil eines Parlamentes. Dies wollen wir auch in Zukunft so halten.
(Zuruf von der LINKEN: Das sieht die Verfassung anders!)
Die Möglichkeit des Sitzungsausschlusses wird hier zwar zum ersten Mal gesetzlich geregelt, ist aber in der Tat nicht neu, sondern war zuvor nur in der Geschäftsordnung
geregelt. Sie bestand seit Konstituierung des Deutschen Bundestages. Wir haben keinen Anlass, daran etwas zu ändern – im Gegenteil. Durch das Ordnungsgeld wird für eine bessere und verhältnismäßigere Hand habung der Ordnungsmaßnahmen gesorgt; denn zwischen Rüge und Sitzungsausschluss wird es in Zukunft ein milderes Mittel, das Ordnungsgeld, geben.
An die Grünen gerichtet:
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Vergessen Sie bitte nicht: Manche von Ihnen haben ihre politische Karriere erst mit einem Sitzungsausschluss begonnen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wer denn?)
Meine Damen und Herren, der Bundestag ist der Ort des Argumentes, nicht der Ort der Aktion. So soll es auch bleiben. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Herzlichen Dank.