Sie ist aber in dieser Debatte nicht als Anstandsdame gefragt. Sie müsste in der Sache Farbe bekennen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Denn nicht die Krawallinszenierung eines Politrowdis ist der Skandal. Entscheidend ist das Denken hinter den Worten. Die FDP stachelt das Ressentiment von Schwachen gegen noch Schwächere an. Sie spielt Menschen mit Armutslöhnen gegen Arbeitslose aus. Und sie tut das sehr bewusst, damit niemand mehr nach der schamlosen Selbstbedienungsmentalität von Einkommensmillionären, Spekulanten und Steuerhinterziehern fragt. Die Partei der Besserverdiener wurde dabei ertappt, wie sie den Staat plündert und Klientelgeschenke verteilt. Statt Einsicht zu zeigen, steigert sich der Parteivorsitzende in aggressiven Rechtspopulismus.

Was ist dran am Westerwelle-Vorwurf, dass Arbeit sich in Deutschland nicht mehr lohnt? Da ist mehr dran, als ihm lieb sein kann. Denn niedrige Löhne machen es für viele Menschen unmöglich, von ihrer Arbeit zu leben. Viele arbeiten den ganzen Tag und müssen trotzdem noch Sozialhilfe beantragen. Das ist der fundamentale Verstoß gegen das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Das zerstört die Glaubwürdigkeit der Sozialen Marktwirtschaft. Das entwertet die Arbeitsleistung. Das würdigt die Menschen herab, die hart arbeiten. Aber gerade das interessiert die FDP nicht. Die Partei kennt bei Löhnen genau wie bei Sozialleistungen offenbar nur eine Richtung: die nach unten.

Wer wie die FDP Mindestlöhne verweigert und stattdessen Sozialhilfe plus Hinzuverdienst durch Billigjobs propagiert, verschärft das Problem, das er beklagt: Immer mehr Menschen geraten in die Abhängigkeit von staatlichen Lohnersatzleistungen. Immer mehr Steuergeld muss aufgebracht werden, um Dumpinglöhne aufzustocken. Nicht zu vergessen, dass die FDP mit der Einführung der Kopfpauschale noch 30 Millionen gesetzlich Krankenversicherte, die den Sozialausgleich beantragen müssen, in eine monströse bürokratische Bedürftigkeitsprüfung zwingt. Das ist der Marsch in eine Gesellschaft von Bittstellern und Transfergeldempfängern.

Gute Tariflöhne, gesetzliche Mindestlöhne, bessere Qualifizierung, Sozialabgabenentlastung für Geringverdiener statt Einkommenssteuergeschenken für Besserverdiener – das stärkt den Leistungsgedanken und das hilft denen, die Arbeit suchen, genau so wie denen, die Arbeit haben. Die FDP braucht keinen Kurs in Benimmregeln. Sie muss zur Fortbildung in Sachen Wirtschaftspolitik.

Auch in der CDU Nordrhein-Westfalens wächst die Nervosität darüber, wie sehr Schwarz-Gelb den Vorwurf der Klientelpolitik und den Verdacht der Käuflichkeit politischer Entscheidungen auf sich gezogen hat. Gegen diesen Eindruck hilft auch nicht, dass Jürgen Rüttgers Privataudienzen für 20.000 Euro anbietet. Und dass Unternehmer ganz offen sagen, ein Platz am Tisch des Ministerpräsidenten habe sie eine fünfstellige Summe an die CDU gekostet. Bundestagspräsident Lammert fordern wir auf, schnellstmöglich zu prüfen, ob die CDU mit einer neuen Variante illegaler Spendenpraxis gegen das Parteiengesetz verstoßen hat. CDU-Generalsekretär und Wahlkampfleiter Hendrik Wüst ist inzwischen zurückgetreten. Aber nicht der Sekretär, sondern der Chef muss sich für diese Korruption der Politik verantworten. Über Rüttgers richten am 9. Mai die Wählerinnen und Wähler.

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat eine entscheidende Bedeutung für ganz Deutschland. Diese Wahl ist eine Abstimmung darüber, ob Schwarz-Gelb den finanzpolitischen Blindflug in den Schuldenstaat fortsetzen kann oder zu Verantwortung und Rechenschaft gezwungen wird. Die Wahl ist eine Abstimmung darüber, ob Schwarz-Gelb mit einer neuen Welle von Steuersenkungen auf Pump die Kommunen und ganz besonders die Städte und Gemeinden an Rhein und Ruhr in den Ruin treibt. Und vor allem ist die Wahl eine Abstimmung über die Kopfpauschale. Die soziale Spaltung bei der Gesundheitsversorgung kann aufgehalten werden. In Nordrhein-Westfalen geht es um die Bundesratsmehrheit von Union und FDP. In NRW können wir Schwarz-Gelb stoppen.

In dieser Woche entscheidet der Bundestag in namentlicher Abstimmung über das neue Afghanistan-Mandat. Das neue Mandat enthält zum ersten Mal den Strategiewechsel hin zu einem Abschluss der Afghanistan-Mission. Die SPD als Ganzes hat in dieser Frage Meinungsführerschaft bewiesen und die politische Diskussion nicht nur in Deutschland geprägt. Viele Partner in Europa haben sich unserem Weg angeschlossen. Es ist der Weg der Verantwortung, der Weg der Verlässlichkeit gegenüber unseren Bündnispartnern und der Weg der Solidarität mit den Menschen in Afghanistan. Die Bundesregierung hat den Anforderungen der SPD an das neue Mandat weitgehend entsprochen: Die Verstärkung der zivilen Aufbaumittel und der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, der Beginn des Abzugs deutscher Soldaten ab 2011 und der Abschluss ihres Einsatzes im Einklang mit den Plänen der afghanischen Regierung zwischen 2013 und 2015 wurden aufgenommen. In den kommenden 12 Monaten der Mandatslaufzeit prüfen wir, ob die Bundesregierung ihre Zusagen einhält. Das betrifft den Umgang mit der so genannten „flexiblen Reserve“, die nächsten Schritte einer Übergabe beruhigter Regionen in afghanische Sicherheitsverantwortung und die Vorbereitung der Truppenreduzierung.