Frage: Haben Sie noch Lust auf Wahlkampf?
Antwort: Ja. Ehrlich gesagt, bin ich froh, aus der Berliner Käseglocke herauszukommen, wo sich alle nur noch von morgens bis abends Umfragen vorlesen. Wir sind im Endspurt, und jetzt geht es darum, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Und das macht man am besten, indem man auf sie zugeht.
Was liegt Ihnen mehr: das persönliche Gespräch in der Fußgängerzone oder die Rede in der Mehrzweckhalle?
Mir liegt vor allem die Abwechslung zwischen beidem. Und außerdem: Wenn man nur einstündige Reden halten müsste, würde die Stimme deutlich mehr leiden. Ich zähle aber generell zu denen, die keine Probleme haben, auf Menschen zuzugehen. Als Politiker muss man ohnehin, pathetisch gesagt, eine gewisse Liebe zu den Menschen haben – oder zumindest neugierig auf sie sein.
Sehen Sie Ihre Familie im Moment überhaupt noch?
Diese Woche bin ich tatsächlich sieben Tage am Stück nicht zuhause. Ich habe die notwendige Zahl an Anzügen und Hemden dabei und lebe aus dem Koffer. Als ehemaliger Außenminister bin ich das aber gewöhnt. Und die nötige Kondition habe ich mir gerade erst beim Bergwandern geholt.
Müssen Sie sich als alter Hase auf Wahlkampfauftritte überhaupt noch vorbereiten?
(Lacht) Das mit dem "alt" müssen sie jetzt aber zurücknehmen. Richtig ist: Man kann nicht überall dieselbe Rede halten. Nehmen Sie das Thema Wohnen und Mieten: Das hat in einer Stadt wie Münster einen deutlich anderen Fokus als in meinem brandenburgischen Wahlkreis, wo viele Häuser leer stehen. Man muss sich schon Gedanken machen über das Publikum, auf das man trifft.
Wie unterscheidet sich für Sie persönlich dieser Wahlkampf von dem, den Sie 2009 gemacht haben – als Minister und SPD-Kanzlerkandidat?
Damals war ich stärker abgeschirmt, es gab sehr strenge Sicherheitsbedingungen. Deshalb genieße ich es jetzt umso mehr, direkt mit Menschen zu tun zu haben. Und ich stelle fest, dass die Menschen eine geringere Hemmschwelle haben, auf mich zuzugehen. Das finde ich schön.
Die Umfragen für die SPD sehen im Moment nicht rosig aus. Sinkt da die Motivation bei Ihnen?
Einen Teil meiner Motivation ziehe ich gerade daraus, dass ich mir von niemandem einreden lassen will, dass sich Wahlkampf nicht lohnt. Das Rennen ist offen, nichts ist entschieden. Am meisten Sorge macht mir, dass 35 Prozent der Menschen noch nicht wissen, dass am 22. September Bundestagswahl ist. Die müssen wir in den verbleibenden Wochen überzeugen, zur Wahl zu gehen. Und, wenn möglich, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.
Derzeit sieht es so aus, als ob weder Schwarz/Gelb noch Rot/Grün mit einer Mehrheit rechnen kann. Ist es da sinnvoll, dass die SPD eine Große Koalition ausschließt – zumal das offenbar die Konstellation ist, die ein Großteil der Deutschen am liebsten hätte?
Die Sozialdemokraten sind im Kabinett der letzten Großen Koalition durchaus die Leistungsträger gewesen. Sämtliche Erfolge sind aber der CDU/CSU in den Schoß gefallen. Das schlechte Wahlergebnis, das wir dann 2009 eingefahren haben, steckt uns immer noch in den Knochen. Deshalb ist es richtig, dass die SPD sagt: Wir haben die Große Koalition hinter uns und nicht vor uns.
Spielt es für Ihren Auftritt in Münster eine Rolle, dass der Kampf zwischen CDU und SPD um das Direktmandat hier meist knapp ausgeht?
Es ist nicht nur eine taktische Frage, sondern innere Überzeugung, dass ich gerade Christoph Strässer persönlich im Wahlkampf unterstütze. Er setzt sich sehr für außen- und entwicklungspolitische Fragen ein, in der Fraktion wie im Bundestag. Politiker, die das mit Kompetenz und Leidenschaft tun, gibt es in Berlin nicht sehr viele. Er ist jemand, den wir dringend brauchen.