SPIEGEL ONLINE: Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Frauenquote ab. Rot-Grün hat in seiner Regierungszeit das Thema nicht angepackt - warum soll jetzt alles so schnell gehen?
Oppermann: Obwohl es eine klare Erwartung in unserer Gesellschaft gibt, dass qualifizierte Frauen auch in Führungspositionen angemessen vertreten sein müssen, ist das immer noch nicht umgesetzt. Frauen werden immer noch systematisch benachteiligt, wenn es um Spitzenpositionen geht. Das kann, das muss sich am Donnerstag endlich ändern.
SPIEGEL ONLINE: Der Gesetzentwurf sieht vor, bis 2018 in Aufsichtsräten eine Frauenquote von 20 Prozent einzuführen, zehn Jahre später soll sie bei 40 Prozent liegen. Warum so ein langer Zeitraum?
Oppermann: Die Übergangszeiten könnten auch kürzer sein. Aber mit den von Hamburg im Bundesrat vorgeschlagenen Regelungen wird eine Brücke für alle Skeptiker gebaut. Wir könnten einen großen politischen Konsens erreichen und für Frauen den Weg nach oben weiter öffnen.
SPIEGEL ONLINE: Die Unions-Führung will eine Quote ab 2020 ins Wahlprogramm schreiben, dem Gesetzentwurf im Bundestag aber nicht zustimmen. Glauben Sie noch daran, dass Ihr Vorschlag am Donnerstag eine Mehrheit finden wird?
Oppermann: Ja. Frau Merkel und Herr Kauder sollten die Abstimmung freigeben. Sie dürfen niemand, erst Recht nicht die Frauen in der Union, zwingen in dieser Frage gegen das eigene Gewissen zu stimmen. Im Übrigen verhöhnt Frau Merkel mit ihrem schäbigen Kompromiss alle, die für eine wirkliche Gleichstellung kämpfen. Die Union hat sich unter ihrer Führung jahrelang nicht um die Belange von Frauen gekümmert. Warum sollte sich das ausgerechnet 2020 ändern?
SPIEGEL ONLINE: Ursula von der Leyen hat damit geliebäugelt, den Antrag der Opposition zu unterstützen. Ist die Arbeitsministerin in der falschen Partei?
Oppermann: Nein. Sie hat zwar in dieser Frage die richtige Überzeugung. Das Problem ist allerdings, dass sie nicht dazu steht. Frau von der Leyen wird von der Kanzlerin als sozialpolitisches Feigenblatt missbraucht. Ob bei Rente, Mindestlohn oder Frauenquote: Immer, wenn es ernst wird, wird die Arbeitsministerin von Frau Merkel gedeckelt.
SPIEGEL ONLINE: Viele Frauen in der Union sind zerrissen zwischen einem Ja zur Frauenquote und der Koalitionstreue. Was könnten Sie diesen Frauen anbieten, um ihnen eine Zustimmung zu erleichtern?
Oppermann: Eine verbindliche Quote soll schrittweise eingeführt werden, und wir geben der Wirtschaft auch ausreichend Zeit. Die jetzige Regelung ist keine Maximalforderung der SPD, sondern ein Minimalkonsens. Die Quote ist ein Instrument für eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, aber auch ein Symbol für gesellschaftlichen Fortschritt in Deutschland. Ein größeres Angebot an alle, die dieses Ziel haben, kann es eigentlich nicht geben.
SPIEGEL ONLINE: Grünen-Fraktionschefin Künast ist bereit, die Quotenvorgabe von 40 auf 30 Prozent abzuschwächen. Könnten auch Sie sich das vorstellen?
Oppermann: Mit den Grünen werden wir uns am Ende immer einigen können. Mit Frau Merkel wird das schwieriger. Sie versucht, den Frauen in der eigenen Fraktion zu verbieten, für die eigene Überzeugung und für eine feste Quote zu stimmen. Ich befürchte, dies gilt, egal wie hoch diese ist.
SPIEGEL ONLINE: Themenwechsel - nach dem Kompromiss zur Endlagersuche streiten Bund und Länder, wo die restlichen Castoren zwischengelagert werden sollen. Wie kann eine solch heikle Frage entschieden werden?
Oppermann: Ich glaube, alle in Deutschland haben verstanden, dass die ganze Folgenbeseitigung der Atomwirtschaft nicht allein zu Lasten eines Bundeslandes gehen darf. Jetzt muss dieses Ergebnis umgesetzt werden. Das müssen Frau Merkel und Herr Altmaier sicherstellen, indem Sie auch die CDU-regierten Länder in die Pflicht nehmen.
SPIEGEL ONLINE: Niedersachsen hat im Gorleben-Kompromiss durchgesetzt, keine Castoren mehr aufnehmen zu müssen. Erschwert eine solche Blockadehaltung nicht massiv eine Lösung?
Oppermann: Das ist keine Blockadehaltung. Erst nach der Wahl von Stephan Weil zum neuen Regierungschef in Niedersachen wurde doch ein Kompromiss überhaupt möglich. Das Problem liegt in anderen Ländern.
SPIEGEL ONLINE: Nämlich wo?
Oppermann: Bayern und Hessen blockieren eine Lösung. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben sich bereit erklärt, Castorbehälter aus Le Hague und Sellafield zurückzunehmen. Das müssen die Regierungen in München und Wiesbaden auch tun. Ich fordere Herrn Seehofer und Herrn Bouffier auf, an dieser Stelle Verantwortung zu übernehmen.