Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute nehmen wir einen Antrag der Grünen zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements für Flüchtlinge zum Anlass, über Engagement zu sprechen. Bürgerschaftliches Engagement ist vielfältig, immer freiwillig, unentgeltlich und verdammt eigensinnig,
(Beifall bei der SPD)
und es ist von unschätzbarer Bedeutung für unsere Gesellschaft.
Wie Sie in Ihrem Antrag zu Recht schreiben, erleben wir in den letzten Monaten ein unglaubliches Engagement bei der Aufnahme und Integration der zu uns geflüchteten Menschen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei den Engagierten noch einmal herzlich bedanken.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kennen Sie den Film Willkommen auf Deutsch? Es ist ein Dokumentarfilm über die Aufnahme der Flüchtlinge im Landkreis Harburg, meinem Wahlkreis, der im vergangenen Jahr in den Kinos und auch im Fernsehen zu sehen war, ein Film, der eindrücklich zeigt, dass es bei der Diskussion um die Aufnahme der Flüchtlinge in unserer Gesellschaft nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Er zeigt – neben dem alltäglichen Rassismus, der auch in der Mitte unserer Gesellschaft existiert – die positiven Beispiele. Er zeigt die Bürgerinnen und Bürger, die alles und mehr tun, um die Lebenssituation der Angekommenen erträglich zu gestalten und ihnen ein wirkliches Ankommen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Ich habe diese Menschen erlebt. Ich habe sie persönlich kennengelernt. Ich habe selbst mit ihnen am späten Abend und bis in die Nacht mehrfach vor der Kreisverwaltung Winsen auf diejenigen gewartet, die zu uns geflüchtet sind. Im Rahmen der Amtshilfe haben die Kommunen in Niedersachsen das Land bei der Erstaufnahme von Geflüchteten unterstützt. Und die Engagierten unterstützten den Landkreis. Gemeinsam haben wir bei der Versorgung und Aufnahme der Schutzsuchenden geholfen. So wurden erste Kontakte aufgebaut, aus denen die Grundlage für eine erfolgreiche Integration nun wächst. Ich selbst habe dadurch erfahren, wie wichtig es ist, dass die Kommunen und die Zivilgesellschaft Hand in Hand arbeiten
(Beifall bei der SPD)
und dass man dem Engagement keine Steine in den Weg legen darf. Im Landkreis Harburg funktioniert diese Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Strukturen, den Kirchen, den Bündnissen für Flüchtlinge und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft. Aber natürlich ist das nicht überall so, und natürlich gilt: Besser geht’s immer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ich habe mich gefreut, in Ihrem Antrag so viele Ideen und Forderungen wiederzufinden, die auch wir als SPD bereits länger diskutieren und für die wir uns einsetzen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])
Wir setzen uns ein für einen Ausbau der Strukturen für Engagement, langfristige Förderungsinstrumente und eine bessere Planbarkeit, für mehr Hilfe für Helfer durch Angebote für Supervision und Fortbildung
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch!)
oder einen möglichen Bundesfonds, der Kosten, die durch Engagement entstehen, erstattet, für eine Stärkung der Anerkennung und mehr Unterstützung für Engagierte sowie einen deutlichen Einsatz gegen rechte Hetze. Allerdings haben Sie in Ihrem Antrag vergessen zu erwähnen, was wir schon erreicht haben. Wir haben den Bundesfreiwilligendienst geöffnet,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen haben die Wehrpflicht mit abgeschafft, die SPD nicht!)
sowohl für die Geflüchteten selber als auch für die Menschen, die Geflüchteten helfen wollen. 10 000 zusätzliche Stellen haben wir hierfür im Rahmen eines Sonderprogramms zur Verfügung gestellt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele sind denn nicht besetzt?)
Des Weiteren hat unsere Familienministerin Manuela Schwesig das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ aufgelegt, in dem Patenschaften zwischen geflüchteten und hier lebenden Menschen gefördert werden. Das Programm vermittelt alleine 25 000 zusätzliche Patenschaften, und für die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sollen Gastfamilien sowie Vormundschaften gewonnen werden.
Wir haben das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ausgebaut. Es fördert 16 Demokratiezentren, knapp 220 kommunale Partnerschaften für Demokratie und erstmals auch 28 zivilgesellschaftliche Organisationen, die bundesweit ihre Strukturen für Demokratieförderung und Extremismusprävention auf- und ausbauen.
(Beifall bei der SPD)
Für dieses Programm stehen 2016 50 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2017 sogar 100 Millionen Euro. Das ist doch ein Erfolg, liebe Leute.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da Engagement Verlässlichkeit und nachhaltige Strukturen benötigt, verlängern wir dort, wo es geht, die Förderdauer. Das ist ein erster Schritt, zugegeben, doch es geht nicht darum, Förderzeiträume zu verlängern. Es geht darum, die Umstellung von projektbasierter Förderung auf eine nachhaltige Förderung zu erreichen.
(Beifall bei der SPD)
Zusammen mit Verbänden und Zivilgesellschaft hat das Familienministerium kürzlich eine Engagementstrategie erarbeitet. Sie soll Anstöße geben, um Prozesse und Strukturen weiterzuentwickeln. Wenn Organisationen, Vereine oder Initiativen alleine vor sich hin wursteln, werden Ideen und Projekte nie bekannt. Damit leben sie nicht weiter und enden oft als Projektruinen. Das wollen wir als SPD-Fraktion nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU])
Wir wollen Stärke und Nachhaltigkeit durch Zusammenarbeit und Vernetzung, Förderung von Strukturen und Kooperationen. 2015 entstand auf Basis dieser Erkenntnis das Bundesprogramm „Engagierte Stadt“. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, der Kommunalpolitik und der lokalen Wirtschaft wird hier eine flächendeckende, dauerhafte Infrastruktur für Engagement geschaffen. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir unterstützen das Engagement für Geflüchtete und legen zugleich die Grundlagen für eine langfristige und nachhaltige Engagementpolitik.
(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie jetzt noch dem Antrag zustimmen, wäre das richtig cool!)
Mit einem letzten Punkt in Ihrem Antrag stimme ich überein.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)
Die zentrale Aufgabe wird es sein, die Geflüchteten nicht nur zu registrieren und unterzubringen, sondern sie tatsächlich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Viele von ihnen werden dauerhaft bei uns bleiben, und es ist unser aller Aufgabe, die Herausforderungen anzunehmen und die darin liegenden Chancen zu sehen. Für diese ungleich größere Aufgabe werden wir auf eine mehr als nur gut funktionierende Zivilgesellschaft angewiesen sein. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbeiten, dass wir das bürgerschaftliche Engagement weiter stärken, dass es die Bedeutung behält, die es verdient. Packen wir es an!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)