Fünf Jahrzehnte diplomatische Beziehungen schreiben eine Geschichte von Trauer und Schuld, aber auch von Versöhnung, Freundschaft und wachsendem Vertrauen. Dieser besonderen deutsch-israelischen Verbindung widmete die SPD-Bundestagsfraktion am 6. Mai eine Fachveranstaltung und ihren anschließenden Frühjahrsempfang. Mehrere hundert Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft folgten der Einladung auf die Fraktionsebene im Bundestag. Mit dabei: viele israelische Freunde wie die Knesset-Abgeordnete der israelischen Arbeitspartei Michal Biran, der ehemalige Handelsminister Israels Michael Harish, einst Vorsitzender der israelischen Arbeitspartei, und Avi Primor, der von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland war.

An dem Empfang nahmen auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Josef Schuster und der israelische Botschafter in Berlin Yakov Hadas-Handelsman teil.
 

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„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“

„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, sagte einmal David Ben Gurion, Israels erster Ministerpräsident und Mitbegründer der sozialdemokratischen Arbeitspartei Israels. In Anspielung auf dieses berühmte Zitat betonte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in seiner Begrüßungsrede im Reichstag, es sei in der Tat ein Wunder, dass in 50 Jahren zwischen unseren Ländern eine wirkliche Freundschaft entstanden ist. Oppermann: „Wir Deutschen sollten zutiefst dankbar dafür sein“. Fest stehe, so der SPD-Fraktionsvorsitzende: Aus der Geschichte erwachse eine Verantwortung und Solidarität Deutschlands für Israel, denn „mit keinem anderen Staat sind wir so schicksalhaft verbunden“. Auch die israelischen Gäste bestätigten: Deutschland ist einer der wichtigsten Partner Israels.

Deutsche und Israelis seien inzwischen „wichtige Diskussionspartner auf Augenhöhe“ geworden, so Oppermann. Wie es sich für eine gute Beziehung gehöre, könne man auch sachlich über Themen reden, bei denen es unterschiedliche Auffassungen gebe: etwa über den Nahost-Konflikt oder das iranische Atomprogramm.

Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren, am 12. Mai 1965, war „ein wichtiger Schritt der Annäherung“ zwischen Israel und Deutschland und „das Startsignal für die immer engere Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auf unterschiedlichen Gebieten – von der Wissenschaft über den Kulturaustausch bis hin zu den engen wirtschaftlichen Beziehungen“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Den israelischen Wunsch nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen habe es zwar schon Mitte der 50er-Jahre gegeben, erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Einige deutsche Politiker hätten damals jedoch gezögert, weil sie befürchteten, dass diplomatische Beziehungen mit Israel „zu einer Gegenreaktion arabischer Staaten führen könnten, die dann allesamt die DDR anerkennen“.

Sozialdemokratie und Gewerkschaften in beiden Ländern und auch die evangelische Kirche hätten sehr dafür gearbeitet, das israelische Angebot nicht auszuschlagen. Am Ende habe auch gesellschaftlicher Druck in Deutschland dazu geführt, dass 1965 schließlich offizielle Beziehungen zwischen beiden Ländern aufgenommen wurden.

Sozialdemokratische Verbundenheit

Michael Harish erinnerte sich an die Anfänge der Gespräche zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Histadrut in den 50er-Jahren. Für israelische Sozialdemokraten sei es einfach gewesen, mit deutschen Sozialdemokraten in Kontakt zu treten – weil den Israelis bewusst war, dass in der SPD keine Nazigrößen Karriere machten und hochrangige SPD-Politiker wie Willy Brandt und Herbert Wehner während der NS-Zeit ins Exil gegangen waren.

Michal Biran plädierte für eine engere Kooperation der Sozialdemokratie in Deutschland und Israel. Sie appellierte an die Deutschen: „Bleibt unsere Freunde, auch wenn es schwieriger wird“.

Freundschaft und Verantwortung

Der ehemalige deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dreßler, teilte mit vielen Anwesenden die Sorge, dass das Ansehen des jüdischen Staates in Deutschland sinke, während das Deutschland-Bild von Israelis sich in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert habe.

Vor allem auch die älteren jüdischen Gäste, die am Mittwoch zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deutsch-israelischer Beziehungen mitdiskutierten, waren sich einig: Gerade eine lebendige gemeinsame Erinnerungskultur sei entscheidend für die zukünftige Freundschaft beider Völker.

So appellierte die israelisch-deutsche Autorin und Zeitzeugin Inge Deutschkron an die Jugend beider Länder, nachzuforschen, wie die Nationalsozialisten damals an die Macht kommen konnten. Sonst bestehe die Gefahr, dass sich so etwas ähnlich Schreckliches eines Tages noch einmal wiederhole, so Deutschkron.

Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, betonte in diesem Zusammenhang, es sei „unerträglich“, dass es in diesem Land noch eine Nazi-Partei gebe. Das sei Deutschland „unwürdig“. Zudem beklagte er, Deutsche seien immer noch gehemmt und befangen, wenn es um Israel gehe: „Man versteht unsere Politik immer weniger, aber man spricht mit uns nicht offen darüber.“

Gerade die jüngeren Diskussionsteilnehmer/-innen aus Deutschland und Israel bestätigten bei der Diskussionsrunde, dass vor allem emotionale Begegnungen mit Zeitzeugen und Gespräche über gemeinsame Themen abseits von Politik die erfolgreichsten Mittel gegen „Desinteresse“ und „Empathieverlust“ im deutsch-israelischen Verhältnis seien. So betonten sie unter anderem die Bedeutung des deutsch-israelischen Jugendaustauschs.

Würdigung der Gewinnerinnen und Gewinner des Otto-Wels-Preises

Im Vorfeld des Frühjahrsempfangs startete das Programm um 14 Uhr mit der Vorführung des mehrfach ausgezeichneten deutsch-israelischen Dokumentarfilms „Schnee von gestern“ (2013) der israelischen Wahlberlinerin Yael Reuveny.
Am Abend verlieh die SPD-Bundestagsfraktion den Otto-Wels-Preis für Demokratie 2015. Ausgezeichnet wurden fünf Werke von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich kreativ mit den israelisch-deutschen Beziehungen auseinandersetzen.

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Jasmin Hihat

 

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