„Die Einlassungen aus Union und FDP sind an Geschichtsvergessenheit und Dreistigkeit kaum zu überbieten. Offensichtlich setzt die heutige Koalition auf das schlechte Gedächtnis der Öffentlichkeit“, sagt Joachim Poß, stellvertretender Fraktionschef.

Poß: „Man kann natürlich im Nachhinein immer trefflich über Details diskutieren.
Fest steht: Es ist lächerlich, der Politik der rot-grünen Koalition die Schuld für den Ausbruch der Finanzmarktkrise in den USA in die Schuhe schieben zu wollen.“

Einige Fakten dazu:

Im Rahmen der umfangreichen Finanzmarktgesetzgebung der rot-grünen Koalition wurde in verschiedenen Gesetzen und Maßnahmen gezielt eine Stärkung der Aufsicht und ein verbesserter Schutz für Anleger herbeigeführt. Heute wissen wir: Diese Schritte waren nicht ausreichend. Die Hoffnung auf den Standortnutzen der Liberalisierung war überzogen.

Was nicht vergessen werden darf: Über den Bundesrat haben CDU/CSU und FDP auf alle Gesetzgebungsvorhaben Einfluss genommen – und dabei stets im Sinne einer verschärften Deregulierung argumentiert. Es gab, wie auch die „Süddeutsche Zeitung“ vom 24. Juli anmerkt, keine Opposition aus Union und FDP, die gegen ein Finanzmarktförderungsgesetz lautstark aufbegehrte. Im Gegenteil: Die vorsichtigen Maßnahmen von Rot-Grün gingen den Liberalen nicht weit genug. Auf Weltwirtschaftstreffen musste sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von ausländischen Regierungschefs noch fragen lassen, warum er die Finanzmärkte in Deutschland nicht deutlich weiter öffne. Der Diskurs war zu jener Zeit ein völlig anderer. Nicht zuletzt suchten viele Mittelständler Alternativen zu klassischen Krediten, da die Geldhäuser der mittleren Wirtschaft nur eingeschränkt Geld zur Verfügung stellten.

Die Finanzkrise 2007/2008 wurde nicht von Hedgefonds in Deutschland ausgelöst – Hedgefonds haben ihre Firmensitze auch nicht in der Bundesrepublik –, sondern von denen in den USA. Hedgefonds sind die rot-grünen Bestimmungen bis heute viel zu streng.

Rot-Grün hatte unter anderen folgende Maßnahmen getroffen, um den Verbraucherschutz und die Aufsicht zu stärken:

  • Gründung der BaFin (2002)

In Deutschland ist der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), in der die ehemaligen Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel aufgingen, die Aufsicht über den gesamten Finanzsektor anvertraut worden. Ihre Aufgabe ist, die Funktionsfähigkeit, Stabilität und Integrität des deutschen Finanzsystems zu sichern.

  • Corporate-Governance-Kodex (2002)

Zusammen mit Vorschriften zu erhöhten Transparenz- und Publizitätsanforderungen für Kapitalgesellschaften wurde ein international anerkannter Corporate-Governance-Kodex für eine verantwortliche Unternehmensführung implementiert. Er sieht – als freiwillige Empfehlung – die Offenlegung von Vorstandsgehältern bei börsennotierten Unternehmen vor.

  • Anlegerschutzverbesserungsgesetz (2004)

Die Stärkung des Anlegerschutzes ist das Ziel des im Oktober 2004 in Kraft getretenen Anlegerschutzverbesserungsgesetzes. Das Gesetz verbessert die Transparenz im Bereich der Kapitalmarktinforma-tionen und den Schutz vor unzulässigen Marktpraktiken durch die Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie. Für mehr Transparenz auch auf dem so genannten Grauen Kapitalmarkt wurde eine Anzeigepflicht für nicht in Wertpapieren verbriefte Unternehmensbeteiligungen und Anteile an geschlossenen Fonds eigeführt.

  • Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (2005)

Das UMAG erleichtert die Voraussetzungen, unter denen Minderheitsaktionäre eine Haftungsklage der Gesellschaft gegen Vorstände und Aufsichtsräte erzwingen können. Das KapMuG führt Musterverfahren ein zur Klärung der Frage, ob eine falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformation vorgelegen hat.

Vorstoß für eine schärfere internationale Regulierung von Hedgefonds

Im Sommer 2007 fand der G8-Gipfel der größten Industrienationen in Deutschland statt. Im Vorfeld drang der damalige SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf die Einführung von verbindlichen Verhaltensregeln („Code of Conduct“) für die Hedgefondsbranche auf internationaler Ebene. Auf regierungsinternen Druck der SPD machte Kanzlerin Merkel diese Frage dann auch in Heiligendamm zum Gipfelthema. Eine Einigung scheiterte jedoch am entschiedenen Widerstand Großbritanniens und der USA.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat 2007 in einer Arbeitsgruppe zudem das Thema der Ma-nagerbezahlung, insbesondere das „Bonus-Unwesen“ aufgearbeitet und erarbeitete bis zum folgenden Frühjahr konkret formulierte Vorschläge zur Eindämmung der Missstände.

Wichtige Elemente der SPD-Position waren: die Stärkung der Transparenz sowohl des Entscheidungsverfahrens im Aufsichtsrat selbst, wie auch der Darstellung der Entscheidungsergebnisse; die Konkretisierung der bereits vorhandenen gesetzlichen Kriterien für die Angemessenheit von Vor-standsvergütungen im Sinne einer nicht auf den kurzfristigen shareholder value ausgerichteten Un-ternehmensführung; die Verdeutlichung der Haftungsfolgen für Aufsichtsräte in Fällen, in denen diese Angemessenheit nicht gewahrt wurde; die Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsbezügen und -abfindungen als Betriebsausgaben auf eine Größenordnung von 1 Mio. Euro und auf 50 Prozent des darüber hinaus gehenden Betrags.

Nach langem Ringen innerhalb der großen Koalition wurden zahlreiche dieser Vorschläge dann 2009 durch das Gesetz über die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen (VorstAG) umgesetzt. Am Widerstand von CDU/CSU scheiterte allerdings die zentrale Forderung nach einer Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von überzogenen Managervergütungen.

Ebenfalls 2007 entwickelte eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Peer Steinbrück sozialdemokratische Antworten auf die heraufziehende Finanzmarktkrise. Im Herbst 2008 – unmittelbar nach der dramatischen Zuspitzung der Krise infolge des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman-Brothers – präsentierte die SPD einen 14-Punkte-Plan von Maßnahmen für mehr Transparenz und Stabilität auf den Finanzmärkten, die auf eine neue Balance zwischen Markt und Staat zielen.

Die Maßnahmen umfassten u. a.

  • eine höhere Liquiditäts- und Eigenkapitalvorsorge der Finanzinstitute
  • strengere Bilanzierungspflichten
  • einen Selbstbehalt bei Verbriefungen
  • ein Verbot von Leerverkäufen
  • die Stärkung der europäischen Finanzaufsicht
  • die Errichtung einer Europäischen Rating-Agentur
  • eine straffe Regulierung von Hedgefonds und Private-Equity
  • das Austrocknen von Steueroasen.

Bis zum Ende der Großen Koalition 2009 hat sich die SPD für eine Umsetzung dieser Maßnahmen eingesetzt. Die schwarz-gelbe Koalition hat jedoch die Bemühungen um die Finanzmarktregulierung weitgehend einschlafen lassen, was sich jetzt, angesichts der erneuten Zuspitzung der Krise, bitter rächt. Das zeigen die hektischen Bemühungen zum Thema der Bankenrekapitalisierung und zum Umgang mit den Rating-Agenturen. Ob Regulierung oder Finanztransaktionssteuer – Schwarz-Gelb hat fahrlässig Zeit vergeudet. Währenddessen eskalierte die Staatsfinanzierungs- und Vertrauenskrise innerhalb der Europäischen Währungsunion.