Müssen wir uns daran gewöhnen, dass der Krieg in Syrien noch lange weiter geht?

Die letzten Wochen waren in der Tat sehr ernüchternd. Die furchtbare Lage in Aleppo, der Angriff auf den Hilfskonvoi und die ergebnislosen Gespräche in New York geben wenig Anlass für Optimismus. Trotzdem dürfen wir jetzt nicht aufgeben und müssen weiter auf Diplomatie setzen. Eine politische Lösung bleibt der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden in Syrien. Dafür müssen auch Russland und die USA wieder miteinander sprechen.

Ist es nicht an der Zeit, größeren Druck auf Russland aufzubauen?

Russland muss noch stärker in die Pflicht genommen werden als bisher. Die Frage ist doch: Möchte Moskau wirklich für diese humanitäre Katastrophe mitverantwortlich sein und bedingungslos gemeinsame Sache mit dem Kriegsverbrecher Assad machen oder endlich seiner besonderen Verantwortung für den Frieden als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat gerecht werden? Das hat auch Außenminister Steinmeier sehr deutlich gemacht. Die Diskussion über neue Sanktionen gegen Russland halte ich hingegen für wenig zielführend. Sie ist eher Ausdruck von Hilfslosigkeit angesichts der Schrecken, die uns alle nicht kalt lassen. Auch wenn wir Sanktionen als mögliches Instrument nie ganz ausschließen sollten, würden sie in der gegenwärtigen Lage dringend nötige Verhandlungen erschweren. Ziel muss doch sein, die Lage zu deeskalieren und nicht weiter zu eskalieren.

Was können wir konkret tun?

Deutschland ist mittlerweile der größte humanitäre Geber in der Syrien-Krise. Ohne die deutschen Mittel könnten die humanitären Organisationen ihre Arbeit nicht durchführen. Wir müssen als Bundestag sicherstellen, dass wir auch für das kommende Jahr die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Darüber hinaus sollten wir die unermüdlichen Bemühungen von Außenminister Steinmeier für eine politische Lösung unterstützen. Die Kritik, die Europäer täten zu wenig, ist absurd. Erst vorletzte Woche hat es ein Syrien-Treffen mit den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, der EU und dem UN-Sonderbeauftragten Staffan de Mistura in Berlin gegeben. An Europa liegt es ganz bestimmt nicht, dass es in Syrien keine Fortschritte gibt.

Warum setzt sich die SPD Fraktion nicht für eine Luftbrücke für Aleppo ein?

Die SPD-Fraktion ist nicht gegen eine Luftbrücke. Alles, was der Zivilbevölkerung hilft, muss getan werden. Aber: Eine Luftbrücke muss verantwortbar sein und darf nicht das Gegenteil dessen erreichen, was wir möchten. Eine Luftbrücke kann zurzeit nicht gegen den Widerstand Russlands eingerichtet werden, ohne eine weitere militärische Eskalation zu riskieren. Und auch das syrische Regime muss garantieren, dass Flugzeuge nicht abgeschossen werden. Die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz bzw. Halbmond sind seit Jahren unter schwersten Bedingungen in Syrien tätig. Wir müssen diese Organisationen stützen und uns auf ihre Erfahrung verlassen. Humanitäre Helfer wurden physisch angegriffen, verletzt und getötet. Darüber hinaus wird ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Das sind sehr gefährliche Entwicklungen, denen wir entgegenwirken müssen. Wenn das humanitäre Völkerrecht immer stärker erodiert, hat das nicht nur fatale Auswirkungen auf den Schutz der Zivilisten in Syrien, sondern auch auf andere, zukünftige Konflikte.