Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen!

Ein richtiger Ansatz macht noch lange kein gutes Gesetz; denn leider hat sich trotz Beratung und einer Anhörung Ende vergangenen Jahres nichts Entscheidendes an dem Entwurf eines Altersvorsorge-Verbesserungsgesetzes verbessert.

(Beifall der Abg. Ingrid Arndt-Brauer [SPD])

Die Hoffnung, dass aus der richtigen Richtung auch ein konsequentes, substanziell verbessertes Gesetz wird, ist verflogen. Wir sind enttäuscht und wieder einmal ernüchtert. Aber wir haben ja gerade gehört: Die Zeit ist bald abgelaufen. Dann können wir alle Chancen der Welt nutzen, um das Gesetz richtig zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich zitiere aus den Reihen der Koalitionsfraktionen, wohlgemerkt aus der ersten Lesung zu diesem Gesetz:

Es ist vielleicht kein ganz großer Wurf; aber es sind technisch ganz wichtige Punkte, an denen wir ansetzen...

Ist das ein engagierter, verantwortungsvoller Umgang mit gesetzgeberischer Kompetenz? Es geht nicht darum, ein Konzeptpapier an einem Runden Tisch zu diskutieren. Nein, es geht um verbindliches Recht, um ein verbindliches Recht, das, soweit man der Überschrift glauben schenken mag, eine Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger des Landes bringen soll. Ich bezweifle, werte Kolleginnen und Kollegen, dass sich die Betroffenen wirklich ernst genommen fühlen, wenn ihnen im Klartext vermittelt wird: Okay, zugegeben, es ist kein großer Wurf; aber immerhin haben wir etwas auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD)

Altersvorsorge ist eines der Themen, das uns allen unter den Nägeln brennt, begründet zum einen durch die demografische Entwicklung und zum anderen durch die enorme Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse. Diese Fakten erfordern, das Thema Alter und Rente wahrlich anders anzupacken als nur mit gesetzestechnischen Verbesserungen. Denn es gibt keine flächendeckende Verbreitung der staatlich geförderten Altersversorgung. Knapp 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen im Alter zwischen 25 und 65 Jahren haben einen Anspruch darauf. Gerade Geringverdiener haben oft nicht die Möglichkeit, die Absenkung des Rentenniveaus entsprechend auszugleichen.

In Zahlen ausgedrückt heißt das: Von den Beschäftigten mit Bruttolöhnen unter 1 500 Euro im Monat sind 42 Prozent ohne zusätzliche Altersvorsorge. Von den derzeit 15,6 Millionen Riester-Verträgen sind 20 Prozent - das sind circa 3 Millionen - ruhend, werden also nicht bespart. Die Gründe sind uns bekannt. Sie liegen an den zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnissen. Diese Leute haben überhaupt kein Geld mehr, in die private Vorsorge einzuzahlen.

Deshalb begrüßen wir es, wenn der Verbraucher¬schutz in Form eines verbindlichen Produktinforma¬tionsblattes gestärkt wird. So wird es hoffentlich mehr Transparenz und mehr Vertrauen in die Riester-Rente geben, sodass mehr Beschäftigte zusätzlich vorsorgen, wenn sie es denn können.

Aber wie aus den Beratungen hervorgeht, ist noch vieles zu klären, was Inhalt und Bewertung der in den Informationsblättern enthaltenen Kennzahlen betrifft. Vor allen Dingen - es wurde bereits gesagt - ist das alles immer noch viel zu kompliziert.

Machen wir uns nichts vor: Wir wissen alle, dass die strukturellen Probleme durch diese Vorlage nicht gelöst werden, und wir haben ein strukturelles Problem bei der Altersvorsorge in Deutschland. Das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge wackelt nämlich, und jeder einigermaßen technisch Begabte weiß, dass ein Bau wackelt, wenn die Säulen nicht gleichmäßig stark sind.

(Beifall bei der SPD - Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das ist doch auch Ihr Modell!)

Im Klartext heißt das, dass es nicht allein um die Förderung der privaten Vorsorge gehen darf. Die tragende Säule bleibt die der gesetzlichen Rente, und die folgt einer ganz simplen Regel: Nur aus guten Löhnen werden gute Renten.

(Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das haben wir geschafft!)

- Das ist die Frage. - Wir als Politikerinnen und Politi¬ker in diesem Land können es nicht verantworten, über das Alter zu reden, zu beraten und zu entscheiden, ohne gesamtheitlich zu denken und vor allem zu handeln. Wenn wir hier über die Altersvorsorge debattieren, dann auch, weil wir die Gefahr der zunehmenden Altersarmut sehen. Altersarmut kommt aber nicht einfach so. Erwerbsarmut, das heißt schlecht bezahlte Arbeit, führt zu Altersarmut. Hier müssen wir ansetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD fordern immer wieder - ich wiederhole es erneut; meine Kollegin hat es vorhin schon gesagt -: Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Wir brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, das gilt ganz besonders für unsere Frauen. Wir wollen, dass jeder Mensch, der in Vollzeit arbeitet, von dieser Arbeit leben und sein Alter in Würde verbringen kann.

(Beifall bei der SPD)

Einige Zahlen zur sozialen Kluft in Deutschland habe ich bereits genannt. Verschiedene Sachverständige haben es in ihren Stellungnahmen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf unterstrichen: Verlierer dieser Debatte sind leider wie so oft die Geringqualifizierten und die Geringverdiener. In einem Gutachten des Sozialbeirates zum Alterssicherungsbericht 2012 heißt es: Armutsbekämpfung ist eine Aufgabe der Allgemeinheit. - Damit sind die Arbeitgeber - das sage ich sehr deutlich - aber nicht aus der Verantwortung, gerecht zu entlohnen. In einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem September 2012 heißt es - ich zitiere -:

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit große Bedeutung für den Aufbau von privatem Vorsorgekapital hat. Daher ist zu konstatieren, dass die kapitalgedeckte private Altersvorsorge derzeit insgesamt nur sehr begrenztes Potenzial bietet, die Risiken künftiger Altersarmut zu verringern - trotz Riester-Förderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, vor diesen Tatsachen sollten Sie Ihre Augen nicht  verschließen. Sie können jetzt nicht verkünden, Sie würden mit diesem Gesetz die Altersvorsorge substanziell verbessern, wenn wiederum nur ein Teil der Betroffenen tangiert wird. Dies gilt umso mehr, wenn man auch noch die steuerliche Förderung von Immobilieneigentum mit einbezieht; denn Eigentum haben laut IAB-Angaben nur 9 Prozent der ALG-II-Empfänger, 43 Prozent der Niedrigeinkommensbezieher außerhalb der Grundsicherung, aber 82 Prozent der Personen, deren Einkommen im oberen Einkommensfünftel liegt.

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD wollen uns nicht aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Eines müssen wir um jeden Preis verhindern: dass Altern in Würde und Wohlstand künftig zum Privileg bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ja, einer trage des anderen Last; aber die Last dieses Gesetzentwurfes tragen wir nicht mit.

Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)