Die dramatische und zugespitzte Situation in der Ukraine und insbesondere auf der Krim erfüllt uns mit größter Sorge. Das Vorgehen Russlands verletzt die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine. Es müssen alle diplomatischen Möglichkeiten genutzt werden, um eine Eskalation und ein weiteres militärisches Eingreifen Russlands zu verhindern. Direkte Gespräche und die Schaffung einer Kontaktgruppe unter dem Dach der OSZE können maßgeblich zur Deeskalation der Lage beitragen. Diplomatische Maßnahmen müssen jedoch auch von Druck auf Russland begleitet werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben dazu ein gestuftes Vorgehen bei den Sanktionen vereinbart. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die EU die finanzielle und politische Stabilisierung der Ukraine unterstützt.
Innenpolitisch wird es in den kommenden Wochen darauf ankommen, dass wir die Kernvereinbarungen des Koalitionsvertrags zu Rente und Mindestlohn konsequent umsetzen.
Rente nach 45 Beitragsjahren
Die Rente nach 45 Beitragsjahren ist eine Gerechtigkeitsfrage. Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, soll ohne Abschläge in Rente gehen können. Drei Zahlen wurden in den letzten Wochen als angeblich „erschreckend“ hochstilisiert. Bei genauerer Betrachtung zeigen sie aber ganz im Gegenteil, wie sinnvoll die Rente nach 45 Beitragsjahren ist:
- 150.000 Personen gehen heute schon mit 63 in Rente. Sie müssen künftig keine Abschläge mehr hinnehmen. Das ist gerecht.
- Weitere 50.000 Personen können es sich dank der neuen Regelung jetzt leisten, nach 45 Jahren verdient in Rente zu gehen.
- Insgesamt können rund 25 Prozent eines Rentenjahrgangs früher in Rente gehen, weil sie 45 Jahre lang Beiträge entrichtet haben.
Sie alle haben die Rente ohne Abschläge verdient. Und das zu vertretbaren Kosten: Bei voller Jahreswirkung kostet die Neuregelung 2015 rund 2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Mütterrente kostet 6,7 Milliarden Euro.
Wenn Rentnerinnen und Rentner, die 45 Jahre Beiträge gezahlt haben, nun in den Medien teilweise als ‚Frührentner‘ bezeichnet werden, ist das absurd. Denn sie haben zum Teil deutlich länger in die Rentenversicherung eingezahlt als viele derjenigen, die zum regulären Zeitpunkt in Rente gehen. Und auch die Gefahr einer Entlas-sungswelle zwei Jahre vor dem Erreichen der abschlagsfreien Rente ist aus der Luft gegriffen: Warum sollten die Unternehmen ihre Beschäftigten zwei Jahre vor der Rente entlassen, wenn sie die Fachkräfte doch brauchen? Und warum sollten sie das in Zukunft häufiger als heute tun? Dafür gibt es kein Indiz und keinen neu geschaffenen Anreiz. Einem möglichen Missbrauch kann am besten dadurch vorge-beugt werden, dass Arbeitgeber in Zukunft bei Entlassungen kurz vor dem Rentenalter die Kosten der Arbeitslosigkeit selbst tragen müssen.
Tarifpaket
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles führt derzeit Gespräche mit Sozialpartnern und Branchenvertretern zur Vorbereitung des Tarifpakets. In diesem Paket wird der Mindestlohn, die Aufnahme aller Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen nach dem Tarifvertragsgesetz umgesetzt. Der Gesetzentwurf soll vor Ostern ins Kabinett. Damit hält die SPD Wort, eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen und für würdige Löhne zu sorgen.
Dabei gilt weiterhin: Es wird für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen keine Ausnahmen vom Mindestlohn geben. Nur wer in einem Ausbildungsverhältnis oder in einem Ehrenamt steht oder ein Pflichtpraktikum absolviert, für den wird der Mindestlohn keine Anwendung finden, da es sich hierbei nicht um Arbeitnehmertätigkeit im Sinne des Gesetzes handelt. Andrea Nahles geht den richtigen Weg, indem sie derzeit die besonderen Herausforderungen mit den einzelnen Branchen bespricht, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht wird.
Optionspflicht
Wir haben im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU vereinbart, Kindern von Zuwanderern die doppelte Staatsangehörigkeit zu gewähren, sofern sie in Deutschland geboren und auch hier aufgewachsen sind. Diese doppelte Staatsbürgerschaft ist ein ganz wesentlicher Meilenstein für ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht. Wir können stolz darauf sein, dass wir Sozialdemokraten sie in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt haben. Wie in anderen Politikfeldern auch mussten wir dabei Kompromisse eingehen. Denn Kompromisse sind der Wesenskern einer Koalition. Sie im Nachhinein in Frage zu stellen, bringt uns nicht weiter. Es muss allen Beteiligten klar sein: Der Koalitionsvertrag ist die Grundlage für das Handeln der Bundesregierung. Das Kriterium, dass jemand in Deutschland aufgewachsen sein muss, um die dop-pelte Staatsbürgerschaft zu erhalten, muss dabei so umgesetzt werden, dass unnötige bürokratische Hürden vermieden werden. Der Gesetzentwurf ist jetzt in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Ich bin mir sicher, wir werden zu einer vernünftigen, unbürokratischen Lösung kommen.
Makroökonomische Ungleichgewichte abbauen
In der vergangenen Woche hat die Europäische Kommission ihre vertiefte Analyse makroökonomischer Ungleichgewichte in der Eurozone veröffentlicht und für Deutschland einen Exportüberschuss von 7 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung festgestellt. Dabei sagt niemand, dass Deutschland zu viel exportiert. Dies wäre töricht, schließlich ist der Export ein Zeichen der Stärke unserer Wirtschaft. Aber die Kommission sagt zu Recht, dass dauerhaft zu geringe Importe ein Ungleichgewicht erzeugen. Deshalb ist es richtig, wenn gute Tarifabschlüsse, Mindestlohn und Rentenverbesserungen die Binnennachfrage in Deutschland stärken. Genauso wichtig aber ist, dass die privaten und öffentlichen Investitionen in Deutschland wieder steigen. Sie liegen derzeit unter dem OECD-Durchschnitt. Diese Defizite nehmen wir ins Visier: Der Koalitionsvertrag sieht eine Steigerung bei öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Bildung vor sowie bessere Anreize für mehr private Investitionen.