Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner kritisierte, der schwarz-gelbe Gesetzentwurf sei „mehr Schein als Sein“. Der vorgeschlagene Regelsatz erwecke den Anschein, nach Kassenlage berechnet worden zu sein, nicht aber auf Grundlage eines transparenten und realitätsgerechten Verfahrens.
Union und FDP wollen den Regelsatz für Erwachsene um fünf Euro erhöhen und die Regelleistungen für Kinder unverändert lassen. Zahlreiche Hinweise sprechen dafür, dass die Koalition dabei die klaren Maßstäbe des Verfassungsgerichts verletzt:
Bislang wurden, bezogen auf die Einkommensverteilung, die unteren 20 Prozent der Haushalte zugrunde gelegt, um zu errechnen, was man für ein menschenwürdiges Leben braucht. Union und FDP haben nun bei der Berechnung für Ein-Personen-Haushalte willkürlich die untersten 15 (statt wie bisher 20) Prozent der Haushalte zugrunde gelegt. Da die kleinere Bezugsgruppe weniger Einkommen hat, wird auf diese Weise auch der Grundsicherungsbedarf herunter gerechnet. Die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Anette Kramme kritisierte: „Das ist eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Situation.“
Hinzu kommt, dass in der Vergleichsgruppe beispielsweise auch die so genannten Aufstocker enthalten sind, die ihr geringes Erwerbseinkommen durch Sozialleistungen aufstocken. Ergebnis ist ein unzulässiger Zirkelschluss, bei dem die Höhe künftiger Sozialleistungen an der Höhe bestehender Sozialleistungen bemessen wird.
SPD-Fraktionsvize Ferner wies außerdem darauf hin, dass die Regelsätze für Kinder nur teilweise auf verlässlichen Daten beruhen.
SPD fordert bessere Bildungsangebote statt schwarz-gelbes Bildungspäckchen
Auch das von Arbeitsministerin von der Leyen vorgeschlagene Bildungs- und Teilhabepäckchen leidet unter mehreren Unzulänglichkeiten. Anette Kramme kritisierte, dass Kinder zwar die Mitgliedschaft im Sportverein und der Musikschule bezahlt bekommen sollen, nicht aber die Sportausrüstung oder das Musikinstrument. Elke Ferner forderte, die vorgesehenen Bildungs- und Teilhabeleistungen auf Kinder von Niedrigverdienern auszuweiten und nicht bereits mit dem 18. Geburtstag enden zu lassen.
Hinzu kommt, dass echte Bildungsteilhabe und mehr Chancengleichheit aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion nur durch einen flächendeckenden Ausbau besserer Bildungsangebote erreicht werden können. Anette Kramme forderte die Bundesregierung auf, „endlich den Kommunen Geld zur Verfügung zu stellen, um den Kitaausbau umsetzen zu können.“ Außerdem müsse das Augenmerk darauf gelegt werden, die Ganztagsschulen auszubauen, um alle Kinder individuell zu fördern. Krammes Fazit: „Wenn wir uns das anschauen, kann man nur sagen: Sie versagen auf der ganzen Linie.“
SPD fordert Mindestlohn und bessere Wege in gute Arbeit statt rigoroser Kürzung der Arbeitsförderung
Auf massive Kritik der SPD-Bundestagsfraktion stoßen außerdem die Pläne von Union und FDP, die Mittel für die aktive Arbeitsförderung massiv zu kürzen – statt Langzeitarbeitslosen durch gute Vermittlungsanstrengungen und Qualifizierungsmaßnahmen bessere Wege in gute Arbeit zu eröffnen.
Die SPD fordert außerdem einen gesetzlichen Mindestlohn. Schwarz-Gelb verweigert die Einführung von Mindestlöhnen und plant stattdessen, die Zahl der Aufstocker durch die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen zu erhöhen.
SPD-Zustimmung nur zu verfassungskonformem Gesetz
Mit der Ersten Lesung im Bundestag haben die parlamentarischen Beratungen des schwarz-gelben Gesetzentwurfs begonnen. Da das Gesetz zustimmungspflichtig ist, sind Union und FDP im Bundesrat auf die Stimmen der SPD angewiesen.
Die SPD-Bundestagsfraktion zeigte sich in der Debatte erneut verhandlungsbereit. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner kritisierte, dass Kanzlerin Merkel ein Gesprächsangebot von SPD und Grünen abgelehnt hat: „Frau Merkel ist das Thema offensichtlich nicht wichtig genug, um selbst an den Tisch zu gehen.“ Sie forderte die Bundesregierung auf, sich auf die SPD zuzubewegen. Für reine „Showveranstaltungen“ stehe die SPD nicht zur Verfügung.
Die SPD-Abgeordnete Gabriele Hiller Ohm sagte: „Wir sind zu Verhandlungen bereit. Eins ist aber ganz klar: Wir werden nur einem verfassungskonformen Gesetz unsere Zustimmung geben.“