Für die SPD-Bundestagsfraktion habe ich unter anderem die Lage der ersten Generation von Zuwander*innen thematisiert: Es sind genau die Menschen, die mit ihrer harten Arbeit auch zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes beigetragen haben, bis heute jedoch nicht zu den gleichberechtigten Bürger*innen unseres Landes gehören. Bei dieser Diskussion geht es jedoch um Glaubwürdigkeit — dafür stehen wir als Sozialdemokrat*innen ein und dies habe ich in der Aussprache dazu klargemacht.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Josip Juratovic, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Josip Juratovic (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin stolz auf unser Land und auf die Menschen, die es durch das Wirtschaftswunder zu einem Land gemacht haben, welchem man mit Respekt und Anerkennung begegnet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieses Wirtschaftswunder gäbe es jedoch nicht ohne die Millionen von Menschen, die jahrzehntelang im Maschinenraum Schulter an Schulter mit den Einheimischen als sogenannte Gastarbeiter unser Land mit aufgebaut haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wie viel Identifikation und Loyalität brauchen Sie noch, Herr Frei?

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da ist es ja gegeben!)

Diese Menschen wurden und werden heute noch von vielen als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Diese Überlegenheit, nur weil man die deutsche Staatsangehörigkeit hat, ist ein Trauma eines jeden sogenannten Gastarbeiters. Dazu kommt es mitunter auch durch jene Anträge der AfD, die wir heute ebenfalls diskutieren. Es schmerzt, wenn Menschen nach über 40, 50 Jahren nicht die Genugtuung und Anerkennung bekommen, die sie sich redlich verdient haben,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

nämlich einfach gleichberechtigt dazuzugehören. Es geht um die Genugtuung, dass sie sich ihre Staatsangehörigkeitsrechte und somit ihre Gleichberechtigung schwer erarbeitet haben, ohne dass sie ihre Wurzeln abschneiden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider gibt es auch unter den sogenannten Gastarbeitern zwei Klassen. Ich gehöre zu der privilegierten Klasse. Ich bin deutscher Abgeordneter kroatischer Herkunft, im Herzen Verfassungspatriot – übrigens: der besten Verfassung der Welt –, im Geiste Europäer, und ich habe zwei Staatsbürgerschaften. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Mein Privileg ist, dass mein Herkunftsland Mitglied in der EU ist. Meine Kolleginnen und Kollegen dagegen, deren Herkunftsland nicht in der EU ist, haben nicht das Anrecht auf die doppelte Staatsbürgerschaft. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, man soll die Zukunft nicht mit der Vergangenheit knechten; aber man darf die Vergangenheit auch nicht durch die Zukunft entrechten.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um unsere Glaubwürdigkeit und darum, den Menschen mit dem einfachen Satz: „Du gehörst dazu; du hast es verdient, gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft zu sein“, Würde, Anerkennung und Genugtuung zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre meines Erachtens der glaubwürdigste Beitrag zur Integration und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der AfD ist kein neuer Gesetzentwurf, wie so vieles an Ihren populistischen Forderungen, die sich eigentlich mehr dem Geschichtsrevisionismus als der Zukunft unseres Landes nähern. Was mich wundert, ist der Mangel an Mitgefühl, da einige sogenannte Deutsche mit Migrationshintergrund auch unter Ihnen ähnliche Schicksale wie die der Gastarbeiter durchlaufen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert die doch nicht!)

Meine Damen und Herren der AfD, Sie sind nicht das deutsche Volk; Sie sind vielmehr nur der Rand unserer Gesellschaft, der sich rücksichtslos populistisch zum Mittelpunkt aufzublasen versucht.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brauner Rand!)

Doch eines müssen Sie wissen: Die große Mehrheit meiner deutschen Kolleginnen und Kollegen, die mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin, wird nicht ein zweites Mal auf Sie hereinfallen. Daran werden wir solidarisch Schulter an Schulter wachsam arbeiten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Josip Juratovic (SPD): An die verfassungstreuen Demokratinnen und Demokraten in unserem Hohen Haus möchte ich appellieren: Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt brauchen Gerechtigkeit. Ich bitte Sie im Namen der Vergessenen unter uns, der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege Juratovic.