Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eigentlich könnten wir jedes Jahr am Internationalen Frauentag die Reden vom Jahr davor hervornehmen. Es hat sich seit 99 Jahren leider immer noch nichts geändert. Es geht immer noch um die gleichen Themen. Was mich bei dieser Debatte ‑ das muss ich ganz offen sagen ‑ nach 30 Jahren Frauenpolitik und Gleichstellungspolitik wirklich aufregt, ist, welches Verständnis zumindest Teile des Hauses vom Thema Gleichstellungspolitik haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier nicht um die Frage, ob Gleichstellung gewährt wird, sondern es geht um Rechte. Wir haben ein Grundgesetz mit dem Art. 3. Viele Frauen haben damals gekämpft, dass er in das Grundgesetz hineinkommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Frauen von der eben viel gescholtenen Lila-Latzhosen-Generation haben in ihrer Zeit für eine Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Gleichstellung gekämpft. Ich finde, es steht uns überhaupt nicht an, diese Frauengeneration in irgendeine Ecke zu stellen; denn ohne diese Frauengeneration wären viele von uns heute nicht da, wo sie heute sind.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor allem die von der Union nicht!)

Die Frage ist: Welches Verständnis von Gleichstellungspolitik haben wir? In dem Antrag der Koalitionsfraktionen steht ‑ ich zitiere ‑:

Gleichstellungspolitik muss gezielt die Unterschiede in den Lebensverläufen von Frauen und Männern berücksichtigen und bei der Familiengründung oder in der Phase des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben zielgenaue Hilfe anbieten.

Das unterscheidet uns: Wir wollen uns mit diesen Verhältnissen nicht abfinden. Wir wollen die Verhältnisse ändern, nicht die Auswirkungen beklagen, aber dann etwas darüber stülpen, um das Ganze zu kaschieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Schröder, es stimmt auch nicht, dass nur Eltern, sprich Mütter, benachteiligt sind. Sie sind stärker benachteiligt; das ist richtig. Aber auch Frauen ohne Kinder, ob sie nun gewollt oder ungewollt kinderlos sind, werden benachteiligt. Sie kommen nicht in Führungspositionen hinein. Gut, schenkelklopfend ist die Diskriminierung wahrlich nicht mehr, aber es gibt diskriminierende Strukturen in unserer Gesellschaft. Diese Barrieren gilt es, zu überwinden. Das ist die gläserne Decke, gegen die Frauen noch immer stoßen und die sie daran hindert, in Führungsposition hineinzukommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Frauenministerin hält nach drei Monaten ihre erste gleichstellungspolitische Rede und hat nichts anderes als einen Antrag der Koalitionsfraktionen anzubieten, in dem es um die Unterstützung bei Gehaltsverhandlungen geht. Equal Pay, gleiche Bezahlung, ist doch keine Frage der Unterstützung bei Gehaltsverhandlungen. Gleiche Bezahlung für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit ist ein Recht. Es ist kein Kavaliersdelikt, wenn dagegen verstoßen wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Diskriminierung, ob jetzt schenkelklopfend oder nicht, aber es ist und bleibt eine Diskriminierung, nichts anderes. Dagegen muss man vorgehen.

Länder, in denen es entsprechende gesetzliche Maßnahmen gibt, stehen auf dem Gender-Index besser als wir da. Dort sind mehr Frauen in Führungspositionen. Es gibt bessere Einrichtungen zur Kinderbetreuung und bessere Möglichkeiten zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Das Gender-Pay-Gap, also der Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen, ist in solchen Ländern nicht so groß wie bei uns. Darin, über diese Fragen zu diskutieren, sind wir spitze. Aber wenn es darum geht, Art. 3 des Grundgesetzes mit Leben zu füllen, dann sind wir ganz hinten, insbesondere mit dieser Regierung.

Ich befürchte, dass es in den nächsten vier Jahren zu einem Stillstand in der Gleichstellungspolitik kommen wird, weil Sie nicht bereit sind, endlich entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben jetzt seit über zehn Jahren freiwillige Vereinbarungen, die nichts gebracht haben. Es wird die Frauen keinen Millimeter weiterbringen, noch einmal vier Jahre und danach noch weitere vier Jahre auf freiwillige Vereinbarungen zu setzen. Was wir brauchen, sind verbindliche Regelungen, die bewirken, dass die Barrieren abgebaut werden, beispielsweise auch die Barrieren in unserem Einkommensteuerrecht, das das Zuhausebleiben befördert und nicht unbedingt den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Beruf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich darf Ihnen einen letzten Rat mit auf den Weg geben. Sie haben vernünftigerweise das Betreuungsgeld in Ihrem Antrag schon gar nicht mehr erwähnt. Beerdigen Sie diese Idee. Das Betreuungsgeld ist ein Baustein für mehr Ungleichheit statt zu mehr Gleichheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)