Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Marie Juchacz hielt am 19. Januar 1919 als erste Parlamentarierin nach der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts eine Rede vor der Weimarer Nationalversammlung. Sie begann mit den Worten:

Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass eine Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat.

Nach ihrer Anrede ist im Protokoll „Heiterkeit“ vermerkt. Das ist fast 100 Jahre her und seitdem sind wir zum Glück deutlich weitergekommen, was den Frauenanteil und die Anerkennung für Abgeordnete angeht. Und Marie Juchacz hat außerdem schon damals bewiesen, wie wichtig die Repräsentanz von Frauen im Parlament ist. Denn ein Ungleichgewicht kann zu einem ernstzunehmenden Legitimationsproblem führen. Die Grundidee der repräsentativen Demokratie wird verletzt, wenn die Volksvertretung in zentralen Merkmalen die Unterschiedlichkeit des Wahlvolkes nicht widerspiegelt. Genau deshalb müssen wir übrigens auch dafür sorgen, dass hier mehr junge Leute, mehr mit Migrationshintergrund, mehr Muslime, mehr Menschen mit Behinderung und und und, und nicht zuletzt weniger Juristen in unsren Reihen sitzen. Aber das ist heute nicht Thema.

Bei der positiven Entwicklung der letzten 100 Jahre, ist es für mich umso unerträglicher, dass wir nach Jahren, in denen der Frauenanteil im Bundestag nach und nach gestiegen ist, nach der Bundestagswahl 2017 wieder auf das Niveau von vor 20 Jahren gerutscht sind. Wenn man sich hier im Hause umschaut, kann man nicht abstreiten, dass wir zu Recht über dieses Thema reden. Insofern danke ich der Linken, dass sie das hier auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Als SPD gehen wir mit guten Beispiel voran. Unsere Satzung sieht bei Wahllisten das Reißverschlussverfahren vor. Damit haben wir auf den Listen eine 50-Prozentquote. Damit erreichen wir immerhin einen Frauenanteil von 42 Prozent in der SPD-Bundestagsfraktion. Auch wenn damit deutlich über dem Schnitt liegt, ist das für uns kein Grund nachzulassen. Unser Ziel ist klar: Mindestens die Hälfte der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten sollen Frauen sein!

Und eine 50-Prozentquote sollte auch unser Ziel für den Bundestag sein. Wie wir dahin kommen, müssen wir aber sorgfältig diskutieren. In der SPD entwickeln wir gerade praktikable Lösungsvorschläge. Wir finden, dass wir im Rahmen der Wahlrechtsreform dafür sorgen müssen, dass der Frauenanteil im Bundestag erhöht wird. Die Umsetzung ist eine Aufgabe für uns hier im Hause. Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind gefragt. Die Bundesregierung ist nicht die richtige Adressatin.

Vielen Dank!