Gerade in diesem Jahr wird einmal mehr deutlich, was bürgerschaftliches Engagement bewirken kann und bewirkt. „In der Griechenland-Krise haben wir gelernt, wie unerlässlich ein funktionierendes Staatswesen ist. In der Flüchtlingskrise sehen wir jetzt, wie unschätzbar wertvoll eine mitfühlende, aktive und gut organisierte Zivilgesellschaft ist“, stellte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zu Beginn fest. „Dafür möchte ich Ihnen heute stellvertretend für alle Engagierten meinen herzlichen Dank aussprechen.“

Mehr als 23 Millionen Bürgerinnen und Bürger engagieren sich in Deutschland für andere Menschen: Neben der Flüchtlingshilfe auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Sie packen an, wo Hilfe benötigt wird, sie entwickeln Konzepte, wo neue Lösungen gesucht werden, sie erheben die Stimme, wo klare Worte gefragt sind. Und sie tun das, ohne die Erwartung einer materiellen Entgeltung.

Mehr denn je sind wir auf dieses bürgerschaftliche Engagement als tragende Säule unserer demokratischen Gesellschaft angewiesen. Doch trotz seiner Unverzichtbarkeit lässt es sich vom Staat weder erzwingen noch erkaufen. Denn zu seinem Wesen gehört, dass es freiwillig, unentgeltlich und selbstbestimmt geschieht. Als einen Lückenbüßer für staatliche Aufgaben dürfen wir das Engagement nicht begreifen. Es darf nicht sein, dass das Ehrenamt indirekt als Finanzspritze für klamme Kommunen herhalten muss oder als Eintrittstor für einen Niedriglohnsektor dient. „Wir setzen uns deshalb für eine klare Trennung von Erwerbsarbeit und bürgerschaftlichem Engagement ein“, so Svenja Stadler, engagementpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Hauptanliegen der Initiatoren – neben Svenja Stadler auch Sönke Rix, Sprecher der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der SPD-Fraktion, – war es, die Gäste miteinander ins Gespräch zu bringen und gemeinsam zu diskutieren. Was kann und sollte Politik tun, um das bürgerschaftliche Engagement zu unterstützen? Was braucht es, um die Lust auf Mitmischen zu wecken, um ihr Schwung und Entfaltungsraum zu geben? Welche Strukturen brauchen Engagierte? Und wo sollte die Politik sich besser heraushalten um die Eigensinnigkeit von Engagement nicht zu gefährden?

Da die Experten für diese Antwort sich unter den Engagierten selbst finden, wurde für die Veranstaltung die Workshop-Methode „World Café“ gewählt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten in drei Runden an zehn verschiedenen Thementischen zu Themen wie Partizipation und Engagement, Inklusive Bürgergesellschaft, Engagement und Qualifikation sowie Engagement in ländlichen Regionen.

Was braucht ehrenamtliches Engagement?

Unter den Gästen waren zahlreiche Expertinnen und Experten aus Verbänden und Vereinen – von A wie AWO und B wie Bürgerstiftung bis Z wie Generali Zukunftsfonds. Eine zentrale Forderung der Teilnehmer war der Wunsch nach einer stabilen und nachhaltigen Infrastruktur für das bürgerschaftliche Engagement. Benötigt werden hauptamtliche Stellen, die die Beständigkeit des Engagements aufrechterhalten und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Das können Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Bürgerstiftungen, Nachbarschaftszentren oder andere lokale Anlaufstellen sein. Hierzu sollte auch über die Aufhebung des Kooperationsverbotes auf dem Gebiet des Engagements nachgedacht werden, damit Bund, Länder und Kommunen gemeinsam bürgerschaftliches Engagement fördern können.

Außerdem könne die Politik der Wichtigkeit des bürgerschaftlichen Engagements nur gerecht werden, wenn es als eine ressortübergreifende Querschnittsaufgabe behandelt werde. Als Vorschläge wurde die Ernennung eines oder einer Beauftragten des Bundestages genauso diskutiert wie die einer Staatsministerin oder eines Staatsministers. Die Einrichtung eines ordentlichen Bundestagsausschusses anstelle des bisherigen Unterausschusses sei überfällig.

Der Wissensaustausch soll selbstverständlich in den nächsten Jahren fortgesetzt werden, so Stadler. „Wir als Mitglieder des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement und der entsprechenden Arbeitsgruppe in der SPD-Fraktion stehen in ständigem Austausch mit den Vertretern der Zivilgesellschaft und begleiten alle parlamentarischen Initiativen, die direkten Einfluss auf das Engagement haben. Die Fraktionsveranstaltung war ein weiterer Schritt auf diesem Weg.“

Auch wenn das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland bereits Beeindruckendes leistet, resümierte Sönke Rix, dürfe die Politik sich hierauf nicht ausruhen: „Wir brauchen eine bessere Anerkennungskultur, neue Hilfen für Helfer, damit die Freiwilligen sich nicht zwischen Beruf, Familie und Engagement völlig aufreiben, sinnvolle Fortbildungsangebote und vor allem auch eine Zeitpolitik, die Freiraum für Engagement zulässt. Daran werden wir weiter arbeiten.“

Fotos der Veranstaltungen

>> Externer Link zum Flickr-Album der SPD-Bundestagsfraktion

Kongress: Eigensinnig, vielfältig, solidarisch - Willkommen im neuen Engagement am 02.12.2015