„Die Bundesregierung sollte jetzt mit Selenski genauso offen und eng zusammenarbeiten wie mit Poroschenko. Es war ein Fehler von Bundeskanzlerin Merkel, sich anderthalb Wochen vor der Stichwahl nur mit Poroschenko zu treffen. Dadurch entstand der Eindruck einseitiger Parteinahme, den sie beim heutigen Gespräch ausräumen muss.

Die Bevölkerung in der Ukraine erwartet überzeugende Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Deshalb muss die Regierung in diesem Bereich in absehbarer Zeit Erfolge liefern. Dafür braucht es auch die oppositionellen Kräfte im Land, die nun die nötigen Reformen in Staat und Wirtschaft unterstützen sollten.

Auch für Moskau bietet sich die Chance auf einen Neuanfang. Selenski unterscheidet sich schon alleine in seiner Rhetorik gegenüber Russland von seinem Vorgänger. Dass Putin als erste Maßnahme nach der Wahl Selenskis die vereinfachte Passvergabe an Bewohner des Donbas verkündete, deutet allerdings nicht auf kurzfristige Entspannung hin. Mit der Freilassung der inhaftierten ukrainischen Seeleute, wie sie auch der Internationale Seegerichtshof in Hamburg fordert, könnte Putin ein Zeichen der Deeskalation setzen.

Die Sanktionen gegen Russland sind für uns kein Selbstzweck. Wenn es überprüfbare Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen gibt, dann sind wir bereit, mit unseren europäischen Partnern über einen Einstieg in den Ausstieg aus den EU-Sanktionen zu sprechen. Dass die Europäische Union, Russland und die USA auch konstruktiv zusammenarbeiten können, zeigt aktuell die Entwicklung in der Republik Moldau. Hier ist es den unterschiedlichen politischen Lagern gemeinsam gelungen, den Oligarchen Plahotniuc zum Rückzug zu bewegen. Vielleicht entwickelt sich daraus eine positive Dynamik, die über Moldau hinausreicht.“