Herr Steinmeier, Zypern kratzt alles zusammen, Goldreserven, Renten, das Geld der Kirchen. Kommt es nur darauf an, ob Zypern einen Anteil zur Rettung der Banken leistet? Oder kommt es auch auf das Wie an?

Steinmeier: Zypern muss seinen eigenen Anteil bringen und Rabatt darf es nicht geben. Aber es muss auch sozial ausgewogen sein. Die benötigten 5,8 Milliarden Euro werden nicht zusammenkommen, ohne Vermögen über 100.000 Euro abzuschöpfen. Es wäre auch nicht gerecht, die Nutznießer des Casinos ungeschoren davonkommen zu lassen. Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen - das darf nicht die Lösung  sein.

Wird die SPD nur unter dieser  Bedingung zustimmen?

Steinmeier: Der Bankenbereich muss einbezogen sein. Im Übrigen haben wir früh gesagt, dass Maßnahmen gegen Geldwäsche, die Beseitigung der Niedrigsteuersätze und die Unterstützung der Finanztransaktionssteuer die Messlatte für uns sind.

Die Zypern-Krise zeigt: Im Zweifel geht der Staat an die Privatkonten ran. Ist das ein Risiko für das weitere Krisenmanagement?

Steinmeier: Wenn man es so macht, wie Frau Merkel und die anderen Regierungschefs, dann ist es brandgefährlich. Kleinere Sparbeträge müssen Tabu sein. Sonst räumen überall in Europa  die Menschen ihre Konten. Das würde Chaos auslösen. Aber ich finde durchaus, dass große Vermögen über hunderttausend Euro einmalig belastet werden können, die vorher jahrelang von Steuerdumping und hohen Zinsen profitiert haben.

Seltsam, ein Staat von der Größe des Saarlands bringt die EU in Unruhe.

Steinmeier: Zypern zeigt, dass die europäische Krise nicht überwunden ist. Die Kanzlerin tut so, als habe sie mit ihrem Management die Krise beruhigt. Das Gegenteil ist der Fall. Jetzt zeigt sich, dass Merkel nie einen Zauberstab hatte. Die Krisenkanzlerin wurde entzaubert.

Wobei Frau Merkel genau die harte Linie gegen die Banken vertreten hat, wie es auch die SPD gefordert hat.

Steinmeier: Harte Linie gegen Banken, ja. Aber es war garantiert nicht die SPD, die der Kanzlerin empfohlen hat, auf die Konten der kleinen Leute zuzugreifen.

Russland soll Zypern den rettenden Strohhalm reichen, um die Milliarden an russischen Geldern zu schützen.  Eine Fehlkalkulation?

Steinmeier: Die Hoffnung habe ich nie nachvollziehen können. Die Milliarden auf zyprischen Banken fehlen der russischen Wirtschaft. Das gefällt der  Führung in Moskau gar nicht. Mir macht aber mehr Sorgen, dass wir eines vergessen: Es geht nicht nur um Zypern. Wenn die Europäer nicht eine Krise in einer Volkswirtschaft lösen, die gerade mal 0,8 Prozent des Bruttosozialprodukts der EU ausmacht, schlägt das auf alle zurück. Amerikaner und Chinesen investieren nur in eine europäische Währung, wenn Europa Handlungsfähigkeit zeigt.

Um Handlungsfähigkeit geht es aber bei der Frage von Waffenlieferungen nach Syrien. Verstehen Sie das Drängen der Briten und Franzosen?

Steinmeier: Keinen von uns lassen die Bilder aus Syrien kalt. All das schreckliche Leid der Menschen. Nur zuschauen, ist kaum auszuhalten.

Was folgt daraus?

Steinmeier: Das ist leider nicht so einfach. Denn wenn es an einem in Syrien keinen Mangel gibt, sind es Waffen. Viel zu viele Nachbarstaaten investieren in einen Stellvertreter-Krieg. Es geht um viel mehr, als nur um die Macht in Syrien. Es geht unter anderem um die Vorherrschaft des sunnitischen oder schiitischen Islams in der ganzen Region. Deshalb dürfen wir nicht so tun, als würden ein paar europäische Waffen die Entscheidung bringen.

Hat der Westen Assad unterschätzt?

Steinmeier: Nein, es war klar, dass der Fall in Syrien anders liegt als in Libyen und das Regime nicht wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde.

Zur Innenpolitik: Es sieht nicht so aus, als würde sich im Bundestag eine Mehrheit für ein NPD-Verbot finden …

Steinmeier: … warum nicht?

Weil die FDP dagegen ist und weil die Koalition geschlossen abstimmen will.

Steinmeier: Es gibt in den Reihen von Union und FDP genug Abgeordnete, die für einen Verbotsantrag sind und mit uns stimmen wollen. Ich erwarte von der Koalitionsführung, dass sie diese Parlamentarier nicht daran hindert. Es war schon beschämend genug, dass die Bundesregierung die Länder allein lässt. Nach all dem, was wir über die NPD wissen, halte ich ein Verbot für mehr als angebracht.

Die Länder ziehen sowieso nach Karlsruhe. Warum ist Ihnen so wichtig, dass der Bundestag mitzieht?

Steinmeier: Das hat etwa mit unserer Geschichte und mit den Morden des Terrornetzwerkes NSU zu tun. Dass der Bundestag gegen die NPD vorgeht, wäre ein starkes Signal, auch im Ausland.

Worum geht es, um eine nüchterne Betrachtung der Erfolgschancen vor Gericht oder um eine Haltung?

Steinmeier: Wer einen Verbotsantrag stellt, muss sich sicher sein, dass die Beweise reichen. Das ist die SPD. Und ja: Eine historische Verpflichtung ist es uns auch. Das sage ich gerade heute, am Jahrestag der mutigen Rede von Otto Wels im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis.

Sigmar Gabriel meint, die Grünen würden nie verstehen, „wie eine Verkäuferin bei Aldi denkt.“ Kennt er die falschen Grünen, oder machen Sie die gleichen Erfahrungen wie er?

Steinmeier: Sigmar Gabriel hat sich darüber geärgert, dass sich die Grünen nachträglich von den Reformen aus unserer gemeinsamen Regierungszeit distanziert haben. Zu Recht! Wir sind unterschiedliche Parteien. Die SPD hat eine 150jährige Geschichte im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit. Bei uns sind auch die Menschen zu Hause, die im Geschosswohnungsbau wohnen. Wir reagieren sensibler auf steigende Stromkosten, auf hohe Lebensmittelpreise. Wer im Eigenheim im Grünen wohnt , sieht das vielleicht anders. Wir ergänzen uns als Parteien. Jeder muss seine Wähler motivieren, und das ist für den gemeinsamen Erfolg sogar erforderlich.

Noch ein Portemonnaie-Thema: Die Renten im Osten steigen stärker als im Westen. Ist die Spreizung nicht irritierend und erklärungsbedürftig?

Steinmeier: Dies ist ein Ergebnis der Tatenlosigkeit der Regierung. Union und FDP haben nichts getan um die Tarifeinheit wiederherzustellen und für bessere Tarifabschlüsse zu sorgen. Die Renten folgen aber der Lohnentwicklung. Deshalb dürfen sich Rentnerinnen und Rentner im Westen bei Frau Merkel bedanken, wenn sie in diesem Jahr so mager bedient werden. Wenn wir gewählt werden, dann wird die SPD das anpacken und die Tarifparteien  stärken.